Die Spiegelzwillinge
- Otherworld
- Erschienen: Januar 2009
- 0
Der Krieg der Welten, oder die etwas andere Apokalypse des Sean Williams
Seth und Hadrian Castillo sind Brüder. Mehr noch, sie sind Zwillinge, und auch noch ganz besondere. Spiegelzwillinge nennt man diese Geschwister, deren DNA spiegelbildlich ausgerichtet ist. Hat Seth sein Herz, wie es sich gehört, auf der linken Seite, so befindet sich Hadrians Blutmuskel rechts. Zusammen gehen die beiden Jungs aus Down Under auf Weltreise. Das alte Europa steht auf dem Plan. Hier, inmitten gotischer Kathedralen, alter Burgen und verfallener Gemäuer stoßen sie auf Ellis, eine Landsmännin, die gleich ihnen Europa bereist. Nach Wien und Prag geht es in den Norden. Schon in Prag glaubten sie von einem mysteriösen Glatzkopf verfolgt zu werden. In Stockholm sind sie sich dann sicher, dass der Mann, aus welchen Gründen auch immer, hinter ihnen her ist. Eine Flucht in die U-Bahn der schwedischen Hauptstadt folgt, doch entkommen können sie ihrem Häscher und dessen Helfern nicht. Der Unbekannte zückt ein Messer, rezitiert in einer unbekannten Sprache einen Satz und stößt Seth die Klinge ins Herz.
Als Hadrian wieder zu sich kommt, liegt er im Krankenhaus. Sicherlich ist es nur der Schock, dass er vermeint, sowohl beim Krankenpfleger als auch bei ermittelten Kriminalkommissar Merkwürdigkeiten festzustellen. Als er panisch aus der Klinik flieht, gerät er in eine Stadt, der die Menschen fehlen. Überall stehen die verlassenen Autos, offene Türen, die Elektrizität ist ausgefallen. Eine Neutronenbombe, ein Angriff von Aliens oder die Entrückung wären eine Erklärung - und doch steckt etwas viel Phantastischeres hinter den Vorgängen.
Während Hadrian in der einzigen ineinander übergehenden Stadt auf unserer Erde Verbündete findet, die ihm eine Erklärung für die Ereignisse präsentieren, die er kaum zu glauben vermag, ist die Seele seines Zwillings im zweiten Reich auf der Flucht vor Yod. Dieser macht sich auf, in einem erneuten Kataklysmus die während der Sintflut voneinander getrennten ersten beiden Reiche zu vereinen, um sich so die Seelen der Verstorbenen schneller einverleiben zu können. Dass sein Plan auf die Überlappung der beiden Reiche durch die Verbindung der Seelenzwillinge beruht, macht das Dasein für diese nicht eben leichter...
Eine nicht ganz einfache Lektüre
Was ist das für ein Roman, der bereits 2004 erstveröffentlicht und sowohl mit dem Ditmar Award als auch mit dem Aurealis Award ausgezeichnet, dennoch nicht den Weg in ein deutsches Verlagshaus fand?
Nun, man kann das Werk als pseudophilosophischen Mischmasch aller möglichen Religionen, Sagenkreise und Überlieferungen abtun. Oder man liest das Buch als eine abgedrehte Mischung aus Ideen, ungewöhnlichen Charakteren und einer mehr als ungewöhnlichen Rahmenhandlung. Als solches wird das Gebotene die Geister scheiden, wird entweder Begeisterung hervorlocken oder entschiedene Ablehnung verursachen. Ich muss zugeben, dass Sean Williams seinen Lesern so einiges zumutet.
Nichts ist es mit dem gewohnten Heldenepos um die Rettung der Welt in einem der üblichen Fantasy-Kosmen. Stattdessen erwartet uns ein Konglomerat aus nicht unbedingt stromlinienförmigen Göttern aller Kulturkreise, einem, nein zwei Protagonisten, die ahnungslos in der Welt und der Handlung herumstolpern und ein so sicherlich nicht vorhersehbarer Plot. Das erinnert in seiner Anlage und Tonfall her ein wenig an Neil Gaimans "American Gods" oder Hal Duncans "Vellum", geht aber inhaltlich ganz eigene Wege. Insbesondere die Weltengestaltung mit den unterschiedlich ausgestalteten Reichen war als Idee faszinierend und wurde adäquat und innovativ umgesetzt.
Als Plus kann der Titel neben den ungewöhnlichen Gestalten so seine Eigenständigkeit verbuchen. Gleichzeitig ist der Leser immer gefordert, am Ball zu bleiben, um nur ja keine Feinheiten, die später bedeutsam werden, zu verpassen. Das macht die Lektüre nicht eben einfacher, so manches Mal musste ich mich durchkämpfen, wurde aber immer wieder zum Weiterlesen ermutigt, einfach weil ich wissen wollte, wie nun alles zusammenpasst, wie sich der Handlungsbogen entwickeln würde.
Die gewohnt gute Übersetzung von Michael Krug hilft bei einem inhaltlich nicht immer einfachen Buch, den Leser bei der Stange zu halten. Drei weitere Romane der Quadrologie warten auf ihren Leser, man darf gespannt sein, wie es in der eigenwilligen Schöpfung des Sean Williams weitergeht.
Sean Williams, Otherworld
Deine Meinung zu »Die Spiegelzwillinge«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!