Auf Cthulhus Spur
- Suhrkamp
- Erschienen: Januar 1972
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Fünf Runden im Krieg gegen den Kraken-Gott
- Das Haus an der Curwen Street oder Das Manuskript des Andrew Phelan (The Trail of Cthulhu; 1944), S. 7-65: Als Sekretär des Altertumsforschers Laban Shrewsbury gerät Andrew Phelan in eine buchstäblich unterirdische Verschwörung - Kröten-‚Gott‘ Cthulhu will aus seinem Gefängnis ausbrechen, um sein Schreckensregiment über die Erde und große Teile des Kosmos‘ zu erneuern.
- Der Beobachter am Himmel oder Die Entrückung des Abel Keane (The Watcher from the Sky; 1945), S. 66-120: Theologiestudent Keane begleitet Andrew Phelan auf einer ‚Reise‘ in die verfluchte Hafenstadt Innsmouth, wo sie jenen Schergen des Cthulhu ausschalten wollen, der sich „Ahab Marsh“ nennt.
- Die Schlucht bei Salapunco oder Das Testament des Clayborne Boyd (The Testament of Claiborne Boyd; 1949), S. 121-170: Historiker Boyd versucht in Professor Shrewsburys Auftrag ein Portal zu schließen, das Cthulhu in der Bergwildnis Perus Zugang auf die Erde verschafft.
- Der Bewahrer des Schlüssels oder Der Bericht des Nayland Colum (The Keeper of the Key; 1951), S. 171-218: Gemeinsam mit Professor Shrewsbury sucht Schriftsteller Colum in einer vergessenen arabischen Ruinenstadt nach einem alten Buch, dessen Inhalt ihnen im Kampf gegen Cthulhu helfen soll.
- Die schwarze Insel oder Die Erzählung des Horvath Blayne (The Black Island; 1952), S. 219-265: Auf einer nie kartierten Pazifikinsel kommt es zum Endkampf zwischen Cthulhu und seinen Gegnern.
- Vermerke & Originaltitel, S. 266
Ordnung dort, wo das Chaos herrschen sollte
An dieser Stelle ist nicht der Ort, um über H. P. Lovecraft und den von ihm geschaffenen Mythos eines von intelligenten, (menschen-) feindlichen Entitäten dominierten Kosmos‘ zu referieren. Es gibt eine Fülle informierenden Sekundärwissens, auf das sich gedruckt oder digital zugreifen lässt, was gleichzeitig verdeutlicht, welche elementare Rolle Lovecraft für den (literarischen) Horror spielte - und welches Konzept dem zugrunde lag.
Dies ist der Punkt, an dem es für diese Besprechung einzuhaken gilt. August Derleth hat sich seinen Platz in der Horror-Historie ebenfalls verdient; weniger als Autor, aber als Lovecrafts ‚Erbe‘, der (zusammen mit Donald Wandrei) dessen halb vergessenes Werk in einem selbst gegründeten Verlag bewahrte, bis sich endlich die Erkenntnis durchsetzen konnte, was Lovecraft dem Genre gegeben hatte.
Allerdings ging Derleth einen Schritt weiter. Als Schriftsteller eignete er sich den Lovecraft-Kosmos an. Das allein wäre kein Grund zur Klage. Lovecraft selbst ermunterte Autoren, mit denen er korrespondierte, eigene Beiträge zum Cthulhu-Mythos zu leisten. Dies war kein Problem, weil Lovecraft nie eine logische Geschlossenheit seiner Schöpfung forderte - im Gegenteil: Für ihn war klar, dass es diese nicht geben kann, weil der Mensch geistig außerstande ist, das Verhalten von Kreaturen zu begreifen, die sich sogar den bekannten Naturgesetzen entziehen.
Vielleicht verstanden, aber nicht akzeptiert
Derleth wusste durchaus um dieses Konzept und zitiert Lovecraft sogar: „Die größte Gnade auf dieser Welt ist das Nichtvermögen des menschlichen Geistes, all ihre inneren Geschehnisse miteinander in Verbindung zu bringen. Wir leben auf einem friedlichen Eiland des Unwissens inmitten schwarzer Meere der Unendlichkeit, und es ist uns nicht bestimmt, diese weit zu bereisen.“ (S. 171) Trotzdem schlug er einen anderen Kurs ein.
Anders als Lovecraft glaubte Derleth an eine kosmische Ordnung. Aus seiner Sicht meinte er das Chaos systematisieren zu müssen. Er unterzog Lovecrafts Mythos einer intensiven Überprüfung. Kreatur für Kreatur identifizierte er und passte sie in ein Raster ein, das er in „Auf Cthulhus Spur“ immer wieder zur Sprache bringt. Manchmal hat man den Eindruck, dass Derleth Lovecrafts Wesen unbedingt wie Schmetterlinge auf Nadeln pieken und in Glaskästen ausstellen wollte. Darüber hinaus erweiterte er diesen Kosmos um Geschöpfe, die er bekannten Überlieferungen und Legenden entnahm. Lovecraft hatte ‚seine‘ (Un-) Wesen selbst erschaffen und sich gehütet, sie dort zu verknüpfen, wo er keine Verbindungen sah bzw. sie abstritt. Das kosmische Chaos war ihm heilig.
Derleth hatte keine Hemmungen, die christliche Mythologie ins Spiel zu bringen, was Lovecraft, der strikte Agnostiker, ausdrücklich ausgeschlossen hatte. Abel Keane drückt es so aus: „… dann war es meine Pflicht …, das Böse … aufzuspüren und zu vernichten, denn das Böse ist der Erzfeind alles Guten, sei es das Böse, wie wir als Christen es begreifen oder das Böse, wie es sich im Lichte eines prähistorischen Mythos darstellt.“ (S. 91)
Fünf Blickwinkel auf ein Geschehen
Das Ergebnis hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. „Auf Cthulhus Spur“ ist in Unkenntnis des Konzepts ein durchaus unterhaltsames Grusel-Garn alter Schule. Derleth kennt ‚seinen‘ Lovecraft und reichert seine Geschichte mit unzähligen Details an, die auf eine zumindest verschwommen überlieferte Prä-Historie ohne menschliche Anwesenheit hinweisen. Die Handlung stellt sich als Kampf gegen Cthulhu und seine buchstäblich vertierten Schergen dar: Der „Große Alte“ will endlich seine Fesseln abschütteln, während Professor Shrewsbury und seine Gefährten den Feind stoppen müssen, bevor dieser sich wieder zum Schreckensherrscher über die Erde aufschwingt.
Derleth schilderte die Auseinandersetzung als fünfteilige Serie, die zwischen März 1944 und Januar 1952 im Magazin „Weird Tales“ erschien. Wohin sich die Handlung bewegt, war ihm ursprünglich wohl selbst unklar. Die sich über mehrere Jahre hinziehende Veröffentlichung machte es zudem erforderlich, das Kerngeschehen ab Teil 2 zu wiederholen - jedes Mal. Dies führt zu Verzögerungen im Lesefluss, die sich auch deshalb ergeben, weil stets eine neue Hauptfigur mit der Vorgeschichte - die wir Leser längst kennen - vertraut gemacht werden muss. Derleth erzählt ohnehin eine Geschichte, die auf Stimmung setzt und das Wort der Tat vorzieht. Zwar gilt es hin und wieder zu flüchten oder etwas in die Luft zu sprengen, aber das geschieht in betont sachlichem Ton, denn schließlich ist „Auf Cthulhus Spur“ ein ‚Bericht‘, der eine schockierende ‚Wahrheit‘ für die Nachwelt bewahren soll.
Immer wieder werden wir mit bekannten ‚Fakten‘ konfrontiert, die höchstens die jeweilige Hauptfigur in Angst und Schrecken versetzen. Derleth bleibt in der Präsentation der Episoden zu eintönig. Zudem kann er der Versuchung nicht widerstehen dort deutlich zu werden, wo Lovecraft sich bedeckt hielt. So tut er dem Cthulhu-Mythos keinen Gefallen, wenn er in Teil 4 Abdul Alhazred, den Verfasser des legendären „Necronomicon“, als Geist heraufbeschwört. Auch Cthulhu legt keine Scheu an den Tag und quetscht sich ständig glibberig durch Felsspalten, um für Buh!-Effekte zu sorgen, die tatsächlich seine Übermacht konterkarieren. Im Detail kurzweilig, aber gleichzeitig auch reich an Längen, sollte man „Auf Cthulhus Spur“ als (immerhin gut geschriebenes) Horror-Spektakel goutieren - und anschließend wieder einmal zum Original à la Lovecraft greifen!
Fazit:
Fünf längere Erzählungen ergeben zwar ein Gesamtgeschehen, sorgen aber durch die mehrfache Wiederholung bekannter Tatsachen für Längen. Im Detail (zu) sehr dem Lovecraftschen Vorbild verhaftet, löst sich die Handlung nicht zu ihrem Vorteil davon und wird zu einer vergleichsweise beliebigen Mensch-gegen-Monster-Story, die heute primär durch ihre nostalgisch sorgfältige, stimmungsstarke Machart fesseln kann.
August Derleth, Suhrkamp
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