Die Rebellin
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2006
- 138
Der Stein des Anstoßes
In Imardin, der Hauptstadt Kyralias, herrscht ein Dreiklassen-System: Am unteren Ende der sozialen Leiter leben Tagelöhner, Diebe und Straßenkinder, den Mittelbau bilden Handwerker, Händler sowie Bürger, und an der Spitze stehen die unnahbaren und mächtigen Schwarzen Magier mit ihrer traditionsreichen Gilde. Ein nahezu klassischer Nährboden für eine Fantasy-Trilogie, die jetzt aus Australien zu uns kommt.
Die Gilde der Schwarzen Magier ist zwar überaus mächtig, hält sich aber im Allgemeinen aus dem politischen und gesellschaftlichen der Küstenstadt Imardin heraus. Sie leben abgeschottet in ihrer Feste über der Stadt, forschen, lehren und überwachen den Gebrauch von Magie. Denn diese darf nur von ausgebildeten und quasi zugelassenen Magiern für bestimmte Zwecke eingesetzt werden. Und nicht jeder kann Magier werden, es muss eine angeborene Begabung vorhanden sein. So praktiziert die Gilde denn auch keine dunkle Magie, das Attribut ";Schwarz"; bezieht sich lediglich auf die Farbe ihrer Zunftkleidung. Gefährliche schwarze Magie, so erfährt der Leser später, wird jedoch im Norden von dunklen Elementen betrieben.
Da sich die Gilde aus ihrer jahrhundertealten Tradition heraus identifiziert, wird ihre Gemeinschaft nach innen und außen von Standesdünkel und Konkurrenzdenken geprägt. Ähnlich wie bei wie deutschen Handwerkszünften, deren Selbstverständnis sich im Mittelalter entwickelt hat, geht ohne Zauberer-Zulassung der Gilde gar nichts. Wer als Magier arbeiten, forschen oder lehren will, muss von der Gilde ausgebildet, geprüft und zugelassen sein. Alles andere bedeutet freie Magie, die vehement bekämpft wird.
Allerdings geht es bei der Kontrolle freier Magie nicht nur um Machterhalt, sondern auch um die öffentliche Sicherheit. Ein marodierender Magier ohne Gesellenbrief der Gilde kann schließlich eine Menge Schaden anrichten, unabhängig davon, ob er selbständig oder im Auftrag anderer zaubert.
Soweit das Eigeninteresse der Schwarzen Magier, aus allen anderen Belangen der Stadt halten sie sich heraus. Nur in einem Punkt haben sie einen Vertrag mit dem König von Kyralia: Sie ";säubern"; die Hauptstadt Imardin alljährlich von den oben genannten Dieben, Tagelöhnern und Straßenkindern. Zu diesem Zweck werden die Angehörigen der Unterschicht zusammengetrieben und von einer Truppe Magier aus der Stadt gejagt. Die Geschichte von Sonea, der Rebellin, beginnt, als solch eine Säuberung unmittelbar bevorsteht.
Sonea, der verfolgten Unterschicht angehörend, gerät in einen Hinterhalt und wird mit vielen anderen Menschen von Soldaten auf einem Platz eingekesselt. Dort tauchen dann auch die Magier auf, um das angebliche Gesindel unter Androhung magischer Gewalt zu vertreiben. Die aufgebrachte Menge setzt sich zur Wehr, schleudert Steine, Farbbeutel und Juckpulver-Geschosse auf die Zauberer. Doch diese schützen sich mit einer magischen Wand vor den Angriffen.
Als Sonea jedoch mit der Kraft der Verzweiflung aus der Gruppe ihrer Freunde heraus einen Stein auf die Magier schmettert, prallt dieser nicht am magischen Schutzschild ab, sondern durchdringt ihn, trifft einen Magier und lässt ihn bewusstlos zurück. Nach einer allgemeinen Schrecksekunde fassen sich die ungläubigen Magier und setzen zur Verfolgung des höchstgefährlichen Individuums an. Dabei treffen sie einen Jungen mit Zauberstrahlen, und als dieser tot neben Sonea zu Boden sinkt, weiß sie genau, dass sie den Magiern niemals in die Hände fallen darf.
Natürlich ist dem Leser von vornherein klar, dass die widerborstige und intelligente Sonea den Häschern der Gilde früher oder später in die Falle geht. Der erste Teil des Buches, in dem Sonea die Schwarzmagier mithilfe ihrer Freunde und der Diebeszunft mächtig an der Nase herumführt, ist deshalb aber nicht weniger unterhaltsam. Während das Mädchen also täglich ihren Unterschlupf wechselt und sich vom Oberdieb in den Kanälen und Katakomben der Stadt verstecken lässt, geben die anfangs leicht überforderten und immer noch geschockten Magier ihr Bestes, die Steinewerferin mit den übermenschlichen Kräften im Labyrinth der Altstadt zu finden.
Sonea steht also ziemlich unter Druck, und immer, wenn sich ihre Emotionen entladen, zeigen sich ihre neuen Kräfte. Da sie jedoch keine Ausbildung besitzt, kann sie diese magischen Manifestationen nicht kontrollieren, was letztlich dazu führt, dass die Magier sie orten und festsetzen. Kaum ist die direkte Gefahr beseitigt, die Sonea für sich und ihre Umwelt darstellte, beginnt die Gilde zu streiten: Was tun mit dem Mädchen: Kaltstellen oder ausbilden? Und wer wird ihr Mentor? Bis diese Fragen durch den Gilden-Rat unter Vorsitz des Hohen Lords geklärt werden können, muss Sonea mit ihrer neuen Situation klarkommen, versuchen ihre Freunde sie zu befreien, und spinnt ein karrieristischer Magier ein Intrigennetz, um Sonea auf seine Seite zu ziehen.
In seinen besten Momenten ist ";Die Rebellin"; die Entwicklungsgeschichte eines jungen Mädchens, das sich zwischen seiner trostlosen Vergangenheit und einer ungewissen Zukunft entscheiden muss. Soneas neu entdeckte Kräfte sind ihr bei der Entscheidungsfindung eher hinderlich, alte Freunde und neue Feinde machen die Sache nicht leichter. Soziale Bindungen und Konflikte, Loyalität sowie die Erkenntnis, dass ihr Leben an einem klaren Wendepunkt angekommen ist, stehen also beim ersten Teil der Sonea-Trilogie deutlich im Vordergrund. Nicht zum Nachteil der Geschichte. Was dabei jedoch ein wenig zu kurz kommt, ist eine vielschichtiger angelegte Zeichnung der Charaktere: Die Guten sind nur gut, die Bösen nur böse. Als einziger sticht der Hohe Lord heraus, der offensichtlich mehr Seiten hat, als er freiwillig preisgibt.
Rollenspieler könnten sich vielleicht eine tiefere inhaltliche Durchdringung der kyralischen Welt und ihrer Besonderheiten wünschen. Was den Leser auf alle Fälle in Teil zwei erwartet, ist die Ausbildung der angehenden Magierin. Angedeutet wird auch, dass dunkle Magie sowie innere und äußere Feinde der Gilde eine wichtige Rolle spielen werden.
Fazit: Wer viel Fantasy liest, dem bietet ";Die Gilde der Schwarzen Magier: Die Rebellin"; kurzweilige Unterhaltung. Ohne große Überraschungen, aber mit einem gewissen Potenzial. Wer nur hin und wieder zu Fantasy-Romanen greift, kommt schon eher auf seine Kosten.
Trudi Canavan, Blanvalet
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