Hexen, Dämonen, Vampire und die Hormone
Was war das doch für eine Zeit, da Rachel Morgan noch zur I.S. der Inderlander Security gehörte. Ein sicherer Beamtenjob in der Polizeieinheit, die sich mit Verbrechen von und an übernatürlichen Wesen beschäftigt. Seitdem sie sich mit dem Pixi Jenks und der Vampirin lvi als Runnerin selbstständig gemacht hat, ist es endgültig vorbei mit der Ruhe. Mal wollen ihr Vampire an den Kragen, mal sind Dämonen bemüht, sie in ihre Welt zu ziehen oder sie zumindest möglichst schmerzhaft um die Ecke zu bringen. All das wäre nicht ganz so schwer zu ertragen, wenn Rachel nicht erst kürzlich ihren Freund, auch einer der Untoten mit den großen Zähnen, verloren hätte.
Verloren ist jetzt ein wenig schmeichelnd ausgedrückt. Ein anderer Vampir hat ihm den Kopf abgerissen und Rachel hat dank eines Vergessenstranks jegliche Erinnerung daran verloren. Wie also soll sie Rache nehmen, den Täter verfolgen und zur Rechenschaft ziehen?
Damit nicht genug, macht sich ein neuer Mann, wie sie eine Hexe, an, ihr Leben in Unordnung zu bringen, und kann sich dabei der tatkräftigen Unterstützung von Rachels Mutter sicher sein. Wem das jetzt noch immer nicht genügt, dem sei verraten, dass der Dämon AI, den unsere tapfere Heldin unter mehr als herben Opfern ins Gefängnis befördert hat, wieder auf freiem Fuß ist, und nach einer gewissen Hexe mit roten Haaren Ausschau hält - und das bestimmt nicht, weil er dieser einen Strauß Blumen überreichen will..
Die Welt wird komplexer, erschwert damit aber auch den Einstieg für neue Leser
Im großen Kanon der Urban-Fantasy-Epen nimmt die Serie um die Kopfgeldjägerin Rachel Morgan eine Sonderstellung ein. Wie viele der besseren Reihen der Subgenres bemüht die Autorin sich, ihre Welt immer weiter auszubauen, die Charaktere fortzuentwickeln und neben den äußeren Konflikten, die unserer Heldin drohen, auch ihr Seelenleben nicht zu vergessen. So manche ihrer Kolleginnen vernachlässigt dabei dann, dass sich ein solches Buch nicht allein von großen Gefühlen tragen lässt, sondern auch ein gerüttelt Maß an Action dazugehört, um die Aufmerksamkeit des Lesers an die Seiten zu fesseln. Hier liefert Harrison mit der Verfolgung unserer Heldin durch den Dämon AI mehr als genug spannende und gefährliche Verwicklungen. Gleichzeitig aber wird der Kosmos der Rachel Morgan immer komplexer. Leser, die die ersten Bände nicht goutiert haben, werden ihre liebe Mühe haben, sich auch nur rudimentär in die Handlung einzufinden. Zu viel wird vorausgesetzt, immer wieder gibt es Querverweise auf das bisherige Geschehen, tauchen Personen aus den früheren Bänden auf.
So detailliert sich die Welt nun präsentiert, wiederholen sich doch gewisse Schemata immer wieder. Rachel hat Mühe damit, andere Menschen an sich herankommen zu lassen. Die lesbischen Avancen ihrer Mitbewohnerin stürzen sie, gerade weil sie verlockt ist nachzugeben, in Panik, der Verlust ihres Liebhabers hat eine Wunde gerissen, die schwärt. Dieser innere Zwiespalt wird sehr gut nachvollziehbar aufbereitet. So packend die Kämpfe und Auseinandersetzungen mit den Bösen - wobei es Harrison gelingt, auch ihre Antagonisten immer glaubwürdig mit Motiven zu hinterfüttern - auch sind, dominieren über viele Kapitel die emotionalen Verwerfungen das Buch. Das erinnert in seiner Ausprägung ein wenig an erfolgreiche TV-Serien - Angel kommt mir hier unwillkürlich ins Gedächtnis - in der die gruppendynamischen Entwicklungen für weiteren Reiz gesorgt haben. Auch vorliegend reiben sich die Partner aneinander, schmunzelt der Rachel-erfahrene Leser über die Running-Gags ebenso wie über den neuen Mitbewohner, einen Gargoyle.
Als Fazit bleibt, dass auch Blutnacht für Fans der Serie ein Muss ist, das beweist, dass Harrisons Reihe zu den besten Serien der Urban Fantasy gehört, dass sich aber neue Leser sicherlich schwer tun werden, sich in der verschachtelten und mit Anmerkungen und Reminiszenzen gespickten Handlung zurechtzufinden.
Kim Harrison, Heyne
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