Bewahrer des Chaos
- Piper
- Erschienen: Januar 2009
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„Neues aus dem ‚Wächter' Universum
Für den eingefleischten „Wächter"-Leser ist der russische Autor Waladimir Wassiljew kein Unbekannter, hat er doch an Sergej Lukianenkos „Wächter des Tages" als Co-Autor mitgeschrieben. Nun erschien vom Piper-Verlag Wassiljews erstes eigenständiges „Wächter"-Werk in deutscher Sprache. Es drängt sich natürlich die Frage auf, was den Leser in „Bewahrer des Chaos" erwartet: Kann Wassiljew die Lukianenko-Leser bei der Stange halten und zugleich der Welt im Zwielicht neue Akzente verleihen?
Die Tagwache aus Kiew am Zug
St. Petersburg, von den Russen auch „Piter" genannt ist kein gutes Pflaster für Andere. 1965 kam es zwei mal zu einem Phänomen, bei dem das Zwielicht sein Innerstes nach außen kehrte. Infolge dieser Wahrscheinlichkeitseruptionen starben Menschen und auch Andere. Letztere verließen St. Petersburg und nur wenige kehrten zurück. Weder „Lichte" noch „Dunkle" scherten sich um die Situation.
Doch nun verunglimpfen nicht initiierte Andere, so genannte „Wilde" oder „Schwarze" den Ruf der „Dunklen". Sie zelebrieren schwarze Messen, auf denen sie Menschenopfer darbringen und sich mit Vergewaltigungen vergnügen. Den „Großen Vertrag" ignorieren sie und schlüpfen den Wächtern immer wieder durch die Finger.
Sebulon, der Chef der Moskauer Tagwache, schickt eine Kiewer Abordnung in die Stadt im Norden, um diese „Wilden" entweder zu initiieren oder zu liquidieren. Einer von ihnen ist Arik, ein Wächter aus Odessa. Dieser bekommt dort einmal im Jahr Besuch von seiner Geliebten Tamara, einer nicht registrierten Anderen. Ausgerechnet sie entpuppt sich als die Anführerin der „Wilden" in „Piter". Obwohl Tamara erheblich stärker ist, als ihre rauhen Gefährten, kann sie allein nicht für die Mobilisierung so vieler „Wilder" verantwortlich sein. Die Stadt selbst scheint eine Aura zu besitzen, die Andere manipuliert - und dem können sich auch die Wächter aus Kiew nicht entziehen.
Die Wächter des „Dunkel" und des „Lichts", wie wir sie kennen
Dem „Wächter"-Fan kommt in „Bewahrer des Chaos" vieles bekannt vor; Geser ist wie gehabt der oberste „Wächter der Nacht" in Moskau und Sebulon der Boss der „Wächter des Tages". Hauptfiguren sind die „Dunklen" aus Kiew und ein Wächter aus Odessa. Soweit es die Affinität zum Alkohol und der stets zur Schau gestellten Arroganz angeht, ähneln sie den „Dunklen" aus den Lukianenko-Büchern. Wassiljew konnte den Wächtern einige interessante Individuen hinzufügen, z.B. Laik, den Chef der Kiewer Nachtwache, ein ehrgeiziger „Dunkler" und Lebemann, der den Luxus und die freie Auswahl unter seinen Hexen liebt. Arik, der Wächter aus Odessa, wirkt wie sein Gegenstück, ernsthafter und kritischer. Er steckt im Zwiespalt zwischen seiner Liebe zur Tamara und der Mission, avanciert zum Entscheidungsträger in diesem tödlichen Konflikt.
Zunächst stellt der Autor Figuren und Setting vor, erläutert seitenlang die Eigenarten der „Dunklen" in Kiew und ihres Chefs. Zwischendurch erfährt man glücklicherweise auch einige interessante Fakten aus der Historie der Anderen und liest derartig detaillierte Schauplatzbeschreibungen, das sie einem wie Stadtführungen in einem Touristenführer vorkommen.
„Haben wir jetzt nicht lange genug gequatscht?" mischte sich Schwed ein.
Diesem Ausruf auf S. 135 kann man nur zustimmen und er leitet endlich den Einstieg in die eigentliche Geschichte ein. Plötzlich wird die Story turbulent und spannend. Die Kiewer „Dunklen" jagen die „Wilden", fechten die üblichen Geplänkel mit den „Lichten" aus und geraten selbst immer mehr unter die Kontrolle einer Kraft, der sie nicht greifen können.
Wassiljew treibt im Mittelteil nicht nur die Story in rasantem Tempo voran, er entwickelt darüber hinaus eine interessante Idee, die das Potential gehabt hätte, „Bewahrer des Chaos" von Lukianenkos "Wächter"-Büchern abzugrenzen. Leider reisst Wassiljew diese nur an und verpasst die Chance, das Phänomen genauer zu charakterisieren und tiefer in der Geschichte zu verankern. Stattdessen zieht er ein weiteres schwarzes Kaninchen aus dem Hut und lässt den Leser am Ende mit mehr Fragen, als Antworten zurück. Sicherlich möchte sich der Autor die Option für weitere Fortsetzungen seiner eigenen „Wächter"-Reihe offen halten, verdirbt allerdings damit den Plot und betrügt „Bewahrer des Chaos" um ein rundes Finish.
Insgesamt wechseln „Licht" und „Schatten" in Wassiljews erstem „Wächter"-Roman, auf den gut 400 Seiten hätte Lukianenko mehrere straffer erzählte Stories untergebracht. Sein ehemaliger Co-Autor hat sich an einer langen Romanvariante versucht und einige die Wächterwelt bereichernde Ideen eingebracht. Letztendlich kann „Bewahrer des Chaos" nur ab dem zweiten Drittel wirklich überzeugen und schwächelt erneut am Schluss.
Wladimir Wassiljew, Piper
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