Das Herz der Nacht
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- Erschienen: Januar 2009
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Wien, Walzer und der Tod
Wien zur Hochzeit der k.u.k.-Monarchie. Napoleon und seine Truppen haben die Metropole an der Donau verlassen, jetzt herrscht wieder das ganz eigene Savoir Vivre des Wiener Schmäh vor. Die Adeligen vergnügen sich bei ihren Soiréen, auf Bällen und im Theater, während die reicheren Bürger danach trachten, dem Glanz und Glamour nachzueifern.
Dass dies nur mit erheblichem finanziellem Engagement möglich ist, hat schon so manche angesehene Bürgerfamilie in den Ruin getrieben. Vor kurzem erst wechselte das Palais der Bankiers Fries aufgrund der mehr als angespannten finanziellen Situation der Söhne des verstorbenen Großbankiers den Besitzer. Ein Adeliger aus dem Osten, ein Graf aus Siebenbürgen, András Báthory mit Namen, hat sich das hochherrschaftliche Anwesen gesichert. Noch während dieser sich in die bessere Gesellschaft der Stadt einführt, Bälle und Konzerte besucht und mit seinem Charme und Esprit die Frauen betört, wird die Stadt von einem Mörder heimgesucht. Immer wieder findet man die Leichen grausam ermordeter junger Frauen, denen die Kehle herausgerissen oder durchgeschnitten wurde. Auffällig dabei, dass sich an den Tatorten der Verbrechen erstaunlich wenig Blut findet. Hinweise führen die ermittelnden Kriminalbeamten auf die Spur des Grafen András - nur, dass dieser, obzwar ein Vampir, nicht der Täter, sondern selbst das Wild ist ...
Die Vorgeschichte des Peter von Borgo - historisch akkurate Vampirerzählung aus Wien
Ulrike Schweikert und die Nosferatu, das ist eine alte Liebe. Bereits vor Jahren erschienen, damals noch im Knaur Verlag, zwei Vampir-Krimis um Peter von Borgo, die die Autorin im Hamburg der Jetztzeit angesiedelt hat. Nach ihren erfolgreichen historischen Romanen und einem Ausflug ins Fantasy-Metier (Die Drachenkrone, Knaur Verlag) wandte sich die Autorin in bislang drei Romanen (Die Erben der Nacht) bei cbj erneut den unsterblichen Bluttrinkern in teilweise faszinierenden Jugendbüchern zu. Nun also ein neuer Verlag, und schon äußerlich ist es ein tolles Buch geworden. Ein hochwertiges Hardcover mit Lesebändchen und einem auf den Inhalt neugierig machenden Umschlag in Prägedruck erwartet den Leser.
Egmont Lyx kam vor einigen Jahren aus dem Nichts in den phantastischen Buchmarkt. Als einer der ersten Verlage erkannte man dort das Potential der so genannten Romance- und Urban Fantasy, kaufte, damals noch aus dem Vollen schöpfend, entsprechende Reihen an, und platzierte diese sehr erfolgreich im Buchhandel. Nachdem man nun bei Lesern wie im Handel als Marke eingeführt ist, nun also folgerichtig der Schritt ins Hardcover. Vom konzerneigenen Schwesterverlag vgs übernahm man Wolfgang Hohlbeins Vampirchronik und führt diese mit "Glut und Asche" fort, dazu gesellt sich "Draculas Erwachen", eine Fortsetzung zu Bram Stokers Klassiker aus der Feder eines der Nachfahren Stokers und Schweikerts Hommage an die Österreichische Metropole.
Letztere nimmt sich - endlich bin ich geneigt zu sagen - einmal nicht des victorianischen Londons als Handlungsplatz an, sondern beschreibt und die Donaumetropole zur Glanzzeit der k.u.k.-Monarchie. Wien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, das sind prächtige Bauten, schmucke Kavalleristen, festliche Bankette und Bälle in traumhaften Kleidern und viel Gefühl. Mit großem Sachverstand und aufgrund ausgiebiger Recherchen in Wien und Hamburg auch in Details überzeugend und minutiös recherchiert baut die Autorin auf ihre große Stärke. In eindrucksvollen Bildern lässt sie, wie in ihren historischen Büchern, auch das Gemälde einer längst vergangene Zeit auferstehen. In diesem faszinierenden, weil ungewöhnlichen Umfeld baut sie nun ihre Handlung behutsam auf.
Zunächst meint man, einen der üblichen Vampirromane vor sich zu haben. Junge Frauen werden bestialisch ermordet und ihres roten Lebenssaftes beraubt. Einer ihrer Artgenossen, natürlich charismatisch und den Menschen zugetan, macht sich auf, die Verbrechen zu untersuchen und den Schuldigen zu stellen. Dabei ermöglicht er uns durch seine Augen einen Blick auf die Haute-Volée, sucht und findet emotionale Bindungen und unterstützt zaghafte Versuche der Emanzipation seiner Eroberungen. Dann aber geht die Autorin tiefer. Neben dem Crime-Aspekt besticht sie mit markanten Persönlichkeiten und aufrüttelnden Schicksalen. Sei es die ledige, talentierte Mutter, deren Kompositionen von ihrem Bruder als die seinigen zum Besten gegeben werden, ihre blinde Tochter, die auch ohne ihr Augenlicht mehr sieht als die meisten Sehenden, oder die reiche Adelige, der ihr Ehegatte nicht nur Hörner aufsetzt, sondern die von diesem auch missbraucht und geschlagen wird. Hier spricht die Autorin zeitlose Themata an, macht uns mit den Frauenschicksalen, die sie uns vor Augen hält, betroffen und nachdenklich.
Auch wenn so manches konstruiert wirkt, die ermittelnden Wiener Kommissare als Pastiche mehr wie Stan Laurel und Oliver Hardy wirken als wie Sherlock Holmes und einiges gar zu vorhersehbar daherkommt, hebt sich dies doch weit vom sonstigen Romance-Plot des Lyx Programmes ab.
Die Verlagerung des Plots zum Finale nach Hamburg, die Verzahnung mit ihren Borgo-Titeln erschien mir eigentlich überflüssig. Uu faszinierend und dominierend wirkte Wien als Handlungsort. Mag sein, dass hier verlagspolitische Hintergründe den Ausschlag dafür gaben, letztlich erwies sich Wien als das geeignetere Parkett für ihre Aufführung.
Insgesamt gesehen ein flüssig zu lesender, spannender Vampirroman, der inhaltlich eher auf eine weibliche Klientel abzielt, in dem neben großen Gefühlen und dunklen Verbrechen aber auch nachdenkliche Worte Einzug fanden, und der deswegen nicht nur gut zum Programm passt, sondern hier Türen aufstößt, die der Edition neues Profil verleihen.
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