Träume vom Wüstenplaneten
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
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Unveröffentlichtes Material vom ´Wüstenplaneten´ Frank Herberts
Was »Der Herr der Ringe« für die Fantasy ist, das ist »Der Wüstenplanet«-Zyklus für die Science Fiction. Dieser Vergleich wird häufig herangezogen, um den neuen Lesern nahezubringen, wie außergewöhnlich vielfältig, wie umfangreich die Romane des amerikanischen SciFi-Autoren Frank Herbert sind. Außerdem haben beide Autoren in ihren Söhnen Nachlaßverwalter gefunden, die auch viele Jahre nach dem Tod ihrer Väter noch Bücher rund um deren fantastische Welten veröffentlichen. Mit "Träume vom Wüstenplaneten" ist gerade ein weiteres Buch aus dem »Dune-Zyklus« erschienen.
Wissenschaftlich bei Tolkien, erzählerisch bei Herbert
Wo bei Tolkien der akademisch gebildete Sprößling unzählige Seiten wissenschaftlicher Editionen des väterlichen Oeuvre veröffentlicht, ist Brian Herbert kreativ und erzählerisch tätig. So schrieb er auf der Basis von Notizen und Konzepten seines Vaters, die er zum »Wüstenplaneten« und dessen Geschichte hinterlassen hatte, zwei Trilogien, die sich mit Geschehnissen vor der Wüstenplanetreihe beschäftigen, die »Frühen Chroniken« und »Die Legende«. Wo also bei den Tolkienfans End- und Fußnoten für zahlreiche Störungen des Leseflusses stören, entschied sich Herbert Junior für eine schriftstellerische Umsetzung des väterlichen Erbes, der mit »Mann zweiter Welten« übrigens auch schon einen Roman zusammen mit Frank Herbert geschrieben hatte.
Mit »Träume vom Wüstenplaneten« nähert sich Brian Herbert aber dem tolkienschen Ansatz, indem er bisher unveröffentlichte Kurzgeschichten und Szenen, die aus »Der Wüstenplanet« und »Der Herr des Wüstenplaneten« gestrichen wurden, ans Tageslicht bringt und dem einschlägigen Herbert-Fan neues Futter zum Nachdenken bietet. Mit der Kurzgeschichte »Das Flüstern der Meere Caladans« wird auch die Story aus dem Wüstenplaneten-Universum erneut veröffentlicht, die 1999 im mittlerweile eingestellten Magazin »Amazing Stories« herausgebracht wurde, als erste »neue« Geschichte dreizehn Jahre nach Frank Herberts Tod. Drei weitere Kurzgeschichten bilden für die einzelnen Romane der »Legenden«-Reihe den jeweiligen Brückenschlag.
Was aber sicherlich als Augenöffner für den eingefleischten Dune-Fan gelten darf, ist die nun in deutscher Übersetzung erhältliche alternative Version des »Wüstenplaneten«. »Der Gewürzplanet« ist, wie Brian Herbert sagt, »eine ganz eigene Geschichte«, die aber »(...) ein anderes Thema (hat) und (...) sich auf Dekadenz und Drogenabhängigkeit (konzentriert) statt auf Ökologie, begrenzte Ressourcen, Freiheit und religiösen Fanatismus.« Sie ist wesentlich kürzer als die veröffentlichte Variante, und es wäre für Frank Herbert sicherlich einfacher gewesen, diese Version an den Verleger zu bringen, als das, was wir heute als »Der Wüstenplanet« kennen. Zwanzig Verlage lehnten den Text ab, bevor er von Chilton Book & Co. ins Programm genommen wurde.
»Der Gewürzplanet« basiert auf einem sehr weit ausgearbeiteten Handlungsabriß, den Frank Herbert erst in dem Moment zur Seite legte, als ihm sein Verleger John W. Campbell Jr. riet, einen »viel weiter greifenden und bedeutenderen Roman aus seinem ursprünglichen Konzept« zu machen. Sein Sohn Brian erzählt die Geschichte so, wie sie sich aus dem Handlungsabriß und zahlreichen Notizen als Gesamtbild ergibt und ist hervorragendes Lesefutter, das zahlreiche, vage bekannt vorkommende Personen, Orte und Ereignisse beinhaltet, die ihre endgültige Form aber erst im »Wüstenplaneten« erhielten.
»Das Geheimnis von ´Der Wüstenplanet´ wird gelüftet«
Auf der Taschenbuchausgabe der »Träume vom Wüstenplaneten« prangt ein gelber Aufkleber mit diesem Satz. Im Buchhandel sind solche Augenfänger mittlerweile Usus, eine eigentliche Funktion hat er aber nicht, denn ´Geheimnisse´ lassen sich beim »Wüstenplaneten« nun wirklich nicht mehr vermuten, haben doch Herbert Senior und Junior Unmassen an Material veröffentlicht, die viele dunkle Stellen erhellt haben.
Sicher, jeder eingefleischte »Dune-Fan« möchte noch mehr lesen, ob nun zum Djihad, den Bene Gesserit, Dune oder anderen faszinierenden Aspekten dieses detailreich gestalteten Universums. Eine solche Funktion erfüllen dann auch die drei Brückengeschichten, die hier Verwendung finden, wie die neu aufgelegte Erzählung »Das Flüstern der Meere Caladans«. Briefe und Notizen bieten weitere Einblicke in Denken und Arbeiten des Weltenerschaffers Herbert. Und mit dem »Gewürzplaneten« erahnt man zum ersten Mal, wie aus einem typischen Science-Fiction-Abenteuerroman einer der größten literarischen Würfe dieses Genres werden konnte.
Aber wer alle bisherigen Bücher gelesen und vielleicht sogar von Brian Herberts preisgekrönter Biographie »The Dreamer of Dune« gehört hat, der wird wohl kaum die Übersetzung eines mittlerweile vier Jahre alten Buchs als große Überraschung werten, denn »The Road to Dune« erschien bereits 2005. Für den deutschen Leser ist es natürlich sehr erfreulich, daß es nun eine sensibel und sachlich formulierte Übersetzung dieses Werks gibt, aber im Gegensatz zu dem oftmals schwer lesbaren Ansatz Christopher Tolkiens bei der »History of Middle-earth« bleibt »Träume vom Wüstenplaneten« hinter den editorialen Optionen zurück, die eine wissenschaftlich anspruchsvolle Umsetzung geboten hätte. Vielleicht wird es dies ja auch einmal geben, bis dahin können wir mit der veröffentlichten Fassung mehr als zufrieden sein.
Frank Herbert, Heyne
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