Die Schlacht am Rayhin
- Ueberreuter
- Erschienen: Januar 2009
- 3
„Das größte, deutsche Fantasy-Epos?
Nachdem diese Bezeichnung auf dem vorab verteilten Leseexemplar des bislang noch unveröffentlichten ersten Bandes der Serie von Bernd Rümmelein steht, muss man vorerst wohl davon ausgehen, dass sie zuallererst quantitativ zu verstehen ist. Eine qualitative "Größeneinordnung" einer zum Teil noch ungeschriebenen Serie dürfte illusorisch sein und allenfalls die Hoffnungen des Verlages widerspiegeln. Sicherlich aber setzt Ueberreuter mit dem Zugpferd seines neuen All-Age-Fantasy-Segmentes 'Otherworld' größte Erwartungen in ihre Neuentdeckung. Und vermutlich auch nicht ganz unberechtigt gewann der Debutroman von Bernd immerhin den Wolfgang-Hohlbein-Preis 2009.
Eine neue Welt, die ihren eigenen Gesetzen folgt
... spricht der Einband von "Kryson - Die Schlacht am Rayhin" weiter.
Das ist zuerst einmal nichts wirklich ungewöhnliches, da diese Aussage für rund 99 Prozent aller Fantasywelten zutreffen dürfte. Kryson - das ist eine auf den ersten Blick (auf die beiliegende Karte) vergleichsweise simpel aufgebaute Welt mit einer etwas an Chris Woodings "Welt aus Stein" gemahnenden Astrophysik in Form von einem Planeten mit zwei Sonnen.
Auf dieser Welt herrscht Krieg. Ein Invasionskrieg, um genau zu sein, in welchem blutrünstige Horden, die "Rachuren" über den Kontinent Ell ziehen, um die einheimischen "Klan" zu besiegen, zu unterjochen und auszurotten. Nach langer Zeit der Uneinigkeit haben sich die Fraktionen der Klan wiederum unter einem gemeinsamen Heerführer, dem Bewahrer Madhrab, zusammen geschlossen und erwarten das Heer der Invasoren an den Ufern des titelgebenden Rayhin. Um den Feldzug ein für alle Mal zu stoppen, die Heimat zu verteidigen und den Tag sowie das Land zu retten. Nur ein einzelner Mann ahnt, dass hinter dieser doch recht simplen Sachlage etwas dunkleres und deutlich komplizierteres lauern könnte.
Der klassische Schwarz-Weiß-Kontrast. Oder doch nicht?
Das ist in etwa auch das, was der Leser schnell hofft, denn der Anfang der Geschichte kommt doch sehr gradlinig und "schwarz-weiß" daher. Das offensichtliche Grundmotiv des Buches ist die Zweiteilung. Zwei Magische Orden, die Wissen bewahren und das Land schützen, der eine männlich, der andere weiblich; zwei gottgleiche Wesen, das eine hell, das andere Dunkel; zwei Fronten: hier die edlen, aufrechten, hehren Klan, dort die tierischen, widerlichen, barbarischen Rachuren; zwei Sonnen. Und so weiter. Eine sehr langlebige, magiebegabte Rasse von Humanoiden, die Drachen reitet und eine weitere, untersetzte, die sich unter die Erde zurückgezogen hat.
Dazu ein übermenschlich großartiger, charismatischer, perfekter, hochgewachsener Held, eine wunderschöne, geheimnisvolle, anziehende Heldin, ein tollpatischer Junge, der dem Helden nacheifert, ein mächtiges, magisches Schwert, ein Magier, der sich für etwas Besseres hält, ein bis zur Unkenntlichkeit verrohter, monströser Gegner und eine Handvoll finsterer Untoter - der Freund von klassischer High-Fantasy fühlt sich dank der altbekannten Archetypen sehr bald heimisch. Das Spielfeld ist damit schnell klar und man wartet jetzt darauf, dass die Geschichte ins Rollen kommt.
Allerdings muss man sich hier ein wenig länger gedulden, als man sich als Fantasy erprobter Leser vielleicht erhofft. Genau genommen bis gut über die Seite 400 von 560 hinaus, bevor die titelgebende Schlacht tatsächlich beginnt. Bis dahin ist aber Bernd Rümmelein natürlich nicht untätig.
Ein wort- und bildgewaltiges Debüt
... heißt es schließlich weiter auf dem Einband. Und das ist mit Sicherheit richtig.
Wortgewaltig und detailliert beschreibt Bernd Rümmelein seine Welt, bis hinein in die intimen Einzelheiten der Tier- und Pflanzenwelt, tief in die Geschichte der einzelnen Volksgruppen, in die Mythen von vergangenen Helden und legendären Monstern, in die Lebensgeschichten einer Vielzahl von Leuten, in die Ökologie und Politik seiner wichtigen Landstriche, in die Brutgewohnheiten von Insekten und das Jagdverhalten von Raubfischen. Er erklärt die Magie, die Astronomie, die Medizin und die Meteorologie Krysons. Tatsächlich fühlt man sich nach einer Weile an die Detailverliebtheit Tolkiens erinnert und es tritt deutlich zutage, dass der Autor bereits seit wirklich vielen Jahren an den Einzelheiten seiner Welt feilt. Irgendwann wird es dann allerdings langsam etwas viel des Guten und man ist versucht, ganze Passagen quer zu lesen, auf der Suche nach der eigentlichen Handlung.
Der Gedanke dahinter ist natürlich verständlich: Der Leser hält hier den ersten Band einer auf vorerst auf sechs Bände ausgelegten Serie in der Hand und man mag ihm so viele Hintergrundinformationen wie möglich mitgeben. Und darüber hinaus, wie sich schon abzeichnet, die eine oder andere falsche Spur legen, die zeigt, dass die Welt nicht so klar ist, wie sie scheint.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Auch nicht, dass Rümmelein jede seiner Personen mit einer ausführlichen Hintergrundgeschichte ausstattet. Von dieser Sorgfalt kann sich der eine oder andere Autor tatsächlich eine große Scheibe abschneiden. Aber der massive "Infodump" wird auf Dauer eben leider langatmig und man wünscht sich nach rund 200 Seiten schließlich ein Ende der Informationsflut und einen Beginn der Handlung.
Besonders auffällig ist in diesem Zusammenhang nämlich die Wiederholung bereits erzählter Fakten und Details. Wenn der Leser die Geschichte eines legendären Unholds wie Quadalkar bereits drei oder vier Mal in nur geringen Variationen gelesen hat, kann er sie nahezu auswendig. Spätestens bei einer weiteren, ausholenden Runde der selben Information ohne neue, erhellende Gesichtspunkte schaltet er, so interessant sie an sich sein mag, ab. Das ist vermutlich die größte Kritik an Bernd Rümmeleins Debut: Die erste Hälfte seines Romans neigt nicht nur zum Infodumping - sie wiederholt diese Flut an Information. Mehrfach. Schweift in Details ab, die es auf Dauer schwer machen, der eigentlichen Handlung zu folgen. Wortreich und bildgewaltig, tatsächlich. Aber vor allem wortreich. Für jene Leser, die den Herrn der Ringe schon etwas langatmig finden, ist Kryson sicherlich extrem anstrengend.
Zudem muss sich Rümmelein natürlich den Vergleich mit James Barclays sechsbändiger "Chroniken-/Legenden des Raben"-Serie gefallen lassen. Zu augenfällig sind Ähnlichkeiten in Aufbau und Thematik der Welt, wie auch die Detailfreude in der Beschreibung der Schlacht. Und da bleibt festzustellen, dass es ihm bei weitem nicht in dem Maße gelingt, Handlungsvortrieb und Hintergrund zu einem flüssig lesbaren Ganzen zu verbinden wie Barclay, der seine Hintergrundinformationen genau das sein lässt: Informationen im Hintergrund.
Was aber, und da muss ich die Kritik zum Teil wieder zurück nehmen, auch an einem noch nicht endgültig abgeschlossenen Lektorat liegen kann. Immerhin ist zu beachten, dass sich diese Rezension auf ein Vorab-Leseexemplar der Leipziger Buchmesse bezieht; auf eines jener 500 Exemplare, die extra zur freien Verteilung vorproduziert wurden. Es ist also zu vermuten, dass eine ganze Reihe der Ecken und Kanten, der inhaltlichen und technischen Schwächen und Fehler, die jetzt Lesefluss und -vergnügen mindern, in der offiziellen Version noch ausgebügelt sein werden.
Drei Bände auf einmal
Das ist es, was der Verlag für den Herbst geplant hat - und das könnte auch das sein, was der Serie (und damit Band 1) gut tut. Denn es ist gut möglich, dass sich das Bild, wenn man die drei Bände am Stück liest, deutlich ändert. Wenn die Serie, nachdem sie nach 400 Seiten langsam Fahrt aufgenommen hat, das erhöhte Tempo beibehält, wenn der Plot in den Vordergrund und die bis jetzt angefallene Informationsschwemme in den Hintergrund treten, dann kann es durchaus sein, dass Kryson ein lohnendes Leseerlebnis ist und bleibt. Und dass sich das Durchbeißen durch den langwierigen Aufbau im ersten Band schließlich doch gelohnt hat. Für sich allein ist "Die Schlacht am Rayhin" allerdings ein wenig anstrengend. Gar zu lange lässt sich das Buch Zeit. Gar zu plakativ sind die Charaktere und ihre Beziehungen überzeichnet.
Sollte das ganze, wie Bernd im Interview angedeutet hat, aber eine Finte sein, um den Leser später in der Serie um so mehr zu überraschen, dann werde ich meine Aussage gern revidieren. Schon, weil ich komplexe Täuschungsmanöver gegen mich als Leser mag. Bewerten kann ich also nur den vorliegenden Band - und das unter Vorbehalt. Denn schlecht ist Kryson tatsächlich nicht. Nur irgendwie noch nicht rund.
Bernd Rümmelein, Ueberreuter
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