Das Lied der Dunkelheit (Demon Zyklus 1)
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
- 26
„Feuer-, Baum-, Fels- und Winddämonen
Was ist das für ein Roman, von dem es auf dem Back-Cover heißt: "Peter V. Bretts gewaltiges Epos vom Weltrang des „Herrn der Ringe"? Da gibt man dem Buch verlagsseitig ein gehöriges Paket mit auf den Weg und hängt die Latte mehr als hoch.
Mit Tolkiens bahnbrechender Trilogie wurden schon viele Werke verglichen, und kaum eines davon hat - nüchtern betrachtet - dem Vergleich standgehalten. Es gibt viele gute, viele faszinierende Weltenschöpfungen dort draußen. Stammen sie nun von Autoren wie Tad Williams, Patrick Rothfuss oder George R. R. Martin, sie alle überzeugen auf ihre ganz eigene Weise, und doch hat keine dieser Sagen den Einfluss auf den Literaturbetrieb - und ich benutze das Wort "Betrieb" ganz bewusst - wie Tolkien. Kein anderer Autor hat in vergleichbarer Weise dafür gesorgt, dass Menschen in allen Herren Länder nach dem Medium Buch, genauer nach phantastischen Romanen gegriffen haben. Insofern hinkt jeder Vergleich mit dem Altmeister und hinterlässt bei mir ein eher misstrauisches Gefühl. Wird hier nur die Werbetrommel möglichst publikumswirksam gerührt, um Umsatz zu machen? Nun, schauen wir uns einmal an, um was es geht.
Wir lernen eine Welt kennen, in der die Menschen in einer Art Dauerbelagerungszustand leben. Jede Nacht, kaum dass die Dämmerung anbricht, erheben sich die Dämonen aus dem Untergrund. Feuer-, Baum-, Fels- und Winddämonen suchen die abgelegenen Ortschaften ebenso heim wie die streng gesicherten Städte. Nur die magischen Siegel vermögen die Dämonen davon abzuhalten, sich an den Menschen gütlich zu tun. Wenn der Schutz versagt, sei es, dass der Siegelmaler zu schlampig gearbeitet hat, oder dass ein Blatt oder Staub aufs Siegel fällt, werden die Menschen wie Vieh abgeschlachtet.
Dies ist die Geschichte des jungen Arlen. Er wächst in einer Welt auf, die geprägt ist von Furcht. Vor Millennien hat der mittlerweile als Heilsbringer verklärte Erlöser die Schlacht der Menschen gegen die Dämonen angeführt. Mit Hilfe der alten verloren gegangenen Technologie, mit mächtigen Kampfsiegeln und mit dem Mut der für ihr Überleben Kämpfenden wurden damals die Dämonen in den Untergrund vertrieben und besiegt.
Doch kaum war der gemeinsame Feind besiegt, wandten sich die Menschen gegeneinander. Seitdem regieren Selbstsucht, Misstrauen und Furcht. Kaum ein Mensch wagt mehr, auch nur an Kampf gegen die übermächtig scheinenden Dämonen zu denken, selbst die die abgeschiedenen Ortschaften verbindenden Barden und die Kräuterfrauen mit ihren geheimen Rezepten wagen sich nur im Schutz der Siegelzirkel in die Nacht. Von persönlichem Verlust gezeichnet, bricht Arlen auf, den Kampf gegen die Angst verbreitenden Dämonen aufzunehmen. In einer untergegangenen Stadt findet er Siegel und Waffen, erringt Wissen und Macht, ja beginnt unter den Dämonen zu wüten. Doch was ist der Preis, den er dafür bezahlen muss, verliert er seine Menschlichkeit? Zusammen mit einem Jongleur und einer Kräuterkundigen stellt er sich der Gefahr - und bemüht sich, sich selbst wiederzuentdecken...
Auf den ersten Blick Fantasy-Dutzendware - doch die Feinheiten richten es
In drei zunächst alternierend erzählten Handlungssträngen berichtet uns der Autor von einem gängigen Fantasy-Topic. Der Held zieht aus, sich gegen das Böse zu wappnen. Er erwirbt Wissen und Waffen, findet Unterstützer und eine beginnende Romanze, eine erste Schlacht wird geschlagen und am Horizont taucht ein Konkurrent auf. Das ist grundsätzlich Fantasy-Dutzendware, wenn Peter V. Brett es nicht verstehen würde, seine Leser gefangen zu nehmen.
Was ist es, das den Fantasy-Freund an die Seiten bannt? Sind es die Gestalten, oder die Kämpfe, die Gefühle oder die Welt. Das alles, und doch ist es eher die Art und Weise, wie es Brett gelingt, das allgegenwärtige Gefühl der Furcht einzufangen. Durch die persönlich betroffenen Augen der drei Erzähler erleben wir anschaulich und intensiv mit, welches Gefühl der Ohnmacht die Dämonen unter den Menschen verbreiten. Die Menschen sind förmlich gelähmt vor Angst, lassen sich treiben, versuchen tagsüber das sie bedrohende Böse zu leugnen und zu vergessen. Das Leben in den kleinen Ortschaften wird anschaulich geschildert, die Personen sind abwechslungsreich und markant gezeichnet.
Mit zunehmender Dauer werden auch die Dämonen, die zunächst fast wie Naturgewalten dargestellt werden immer differenzierter ausgearbeitet. Sie gewinnen an Tiefe, an Intelligenz, besonders Arlens Intimfeind, der ihn quer durch die bekannte Welt verfolgt, nimmt immer deutlichere Züge an.
Bewundernswert, wie es dem Autor gelingt das Tempo seines Romans immer den Geschehnisseen, aber auch der geschilderten Entwicklung seines Protagonisten anzupassen. Wir erleben ihre - wenigen - Triumphe mit, leiden mit ihnen, wenn sie von Stärkeren ausgenutzt und missbraucht werden, fühlen ihre ohnmächtige Wut auf die, die sie eigentlich beschützen sollten, und verstehen, warum sie zu den Personen reifen, die letztlich den Kampf aufnehmen. Die Zeichnung der despotischen Mächtigen wirkt manches Mal ein wenig arg stereotyp, doch verzeiht man dies dem Autor gerne, entschädigt doch die nachvollziehbare Entwicklung des Triumvirats.
Peter V. Brett, Heyne
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