Die Zeit der Verachtung (Die Hexer-Saga 2)
- dtv
- Erschienen: September 2019
- 2
Das Löwenjunge, der Hexer und das Spiel der Zauberer
Eine düstere Zeit ist angebrochen, eine Zeit der Verachtung. Zwischen Nilfgaard und den nördlichen Königreichen bahnt sich ein Krieg an. Die Scioa'tael, Banden elfischer Freiheitskämpfer, machen weiterhin die Wälder unsicher und fallen über die Dörfer her.
Cirilla, auch Ciri genannt, ist die letzte noch lebende Nachfahrin von Calanthe, der Löwin von Cintra. Zwar hat Ciri selbst aufgrund ihres Geschlechts keinen Anspruch auf den Thron, dennoch ist sie der Schlüssel zur Macht über das Königreich Cintra. Cintra stellt einen strategisch wichtigen Ort im drohenden Krieg dar. Kein Wunder also, dass alle Welt versucht, ihre Fühler nach Ciri auszustrecken, um sie für ihre Zwecke zu missbrauchen. Der Hexer Geralt und die Zauberin Yennefer versuchen Ciri zu schützen und sie aus den politischen Ränkespielen herauszuhalten.
Welche Rolle spielen die Zauberer in dem bevorstehenden Konflikt? Dies soll ein Konvent der Zauberer auf der Insel Thanedd klären.
Auf den Mund gefallen ...
sind die Protagonisten dieses Buches sicherlich nicht. Einmal mehr besticht Andrzej Sapkowski durch seine intelligenten, authentischen und witzigen Dialoge. Sei es nun ein einfach gestrickter Söldner, ein gebildeter Zauberer oder gar ein König. Sapkowski versteht es perfekt, jedem ein geeignetes Sprachrohr zu verpassen. Die zahlreichen Wortgefechte bilden den literarischen Höhepunkt dieses Romans. Handlungs- und Actionpuristen könnten diese allerdings auch als zu viel Geschwafel empfinden. Die Kampfszenen werden detailliert beschrieben und auch die Charakterzeichnung ist wieder grandios gelungen. Geralt versucht weiterhin Neutralität zu wahren, was ihm zunehmend Probleme bereitet. Allerdings wird Geralt überraschend wenig Platz in diesem Roman eingeräumt. Besonders beeindruckt hat mich die Darstellung Ciri's. Mit ihren 13 Jahren ist sie einerseits noch ein Kind und andererseits schon eine junge Dame. Zumindest versucht Yennefer sie verzweifelt zu einer zu erziehen. Auch die etwas rauhen, wenn auch liebevollen, Erziehungsversuche Geralts sind nicht ganz spurlos an ihr vorbeigegangen. Zudem entdeckt sie gerade ihre magischen Fähigkeiten. Sapkowski hat diese schwierige Aufgabe wunderbar gemeistert und läßt Ciri Kind, junge Dame und pubertierende Rebellin sein. Die Entwicklung ist dabei immer nachvollziehbar.
Die Stimmung wird spürbar düsterer. Humorvolle Szenen sind zwar nach wie vor vorhanden, sie sind jedoch deutlich rarer gesät. Statt dessen wird die Handlung politischer. Es wird mächtig spioniert, intrigiert, Pläne geschmiedet und zum Krieg gerüstet.
Phantastik ist Realitätsflucht?
Eine weitere Besonderheit der Saga um den Hexer Geralt ist, dass immer wieder aktuelle Themen in die Handlung eingewebt werden. Während in "Das Erbe der Elfen" noch Fremdenhass und Umweltverschmutzung eine Rolle spielten, sind es in "Die Zeit der Verachtung" Tierschutz und wirtschaftswissenschaftliche Problematiken, wie die Überschwemmung des Marktes durch Billigprodukte aus Niedriglohnländern und zunehmende Massenproduktion. Dies sind Themen, die man in einem eher mittelalterlich geprägten Fantasy-Roman nicht unbedingt erwartet. Themen, die leicht zu einem Fallstrick werden können. Nämlich dann, wenn zu sehr die Moralkeule geschwungen wird oder Leser unsanft in die Realität zurückkatapultiert werden, aus der sie vielleicht gerade durch das Inhalieren eines phantastischen Romans entfliehen wollten. Sapkowski ist dieses Wagnis eingegangen und hat die gefährlichen Klippen geschickt umschifft. Er sensibilisiert gekonnt für diese Themen, vermeidet dabei aber seine Meinung mit erhobenen Zeigefinger aufzudrängen. Er überlässt es dem Leser, sich sein eigenes Bild zu erschaffen. Den Kritikern, die phantastische Literatur als realitätsfremden Unsinn abstempeln, dürfte Sapkowski mit diesem Werk sicher einen Maulkorb verpasst haben.
Die Verachtung der Zeit
Unzählige Personen und Orte erschweren es enorm, dem politischen Treiben folgen zu können und bei den verwirrenden Intrigen den Überblick zu behalten. Wer jedoch bereit ist, die Zeit zu verachten und diesem Buch die gebührende Aufmerksamkeit entgegenbringt, der wird erneut mit großartigen Dialogen und tollen Charakteren belohnt. Für Leser, deren Hauptinteresse dem Hexer Geralt gilt oder die vornehmlich politisch geprägte Handlungen nicht mögen, könnte sich dieser Roman als Enttäuschung entpuppen. Trotz der genannten Schwächen habe ich für dieses wortgewaltige Meisterwerk sicher keine Zeit der Verachtung übrig.
Andrzej Sapkowski, dtv
Deine Meinung zu »Die Zeit der Verachtung (Die Hexer-Saga 2)«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!