Die letzte Flut
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
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Stephen Baxter ist vor allem Hard-SF-Lesern ein Begriff. „Die letzte Flut" wird jedoch - nicht ganz zu unrecht - eher als Thriller und nicht als streng wissenschaftlicher Science-Fiction-Roman gehandelt. Den Leser erwartet ein Ökothriller zu einem brisanten und aktuellen Thema.
Geiselhaft
Fünf Jahre lang war Lilly Brooke zusammen mit anderen Geiseln in der Gewalt von Terroristen. Fünf Jahre zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es ist das Jahr 2016, als die Gefangenen endlich frei kommen. Und so versuchen die ehemaligen Gefangenen, noch völlig überrumpelt von den Ereignissen, ihr altes Leben wieder auf zu nehmen. Noch bevor sie zu ihren Familien zurückkehren können, zeigt sich, dass in der Zwischenzeit viel geschehen ist. Nicht nur neuer technischer Schnickschnack zieht die Jugend des 21. Jahrhunderts in seinen Bann, auch das Klima scheint sich schnell zu verändern. Gerade erst in Freiheit gerät die Gruppe mitten hinein in eine verheerende Flutkatastrophe, die London heimsucht.
Neben der alleinstehenden Lilly Brook sind auch der Klimatologe Gary, der Amerikaner Piers und die junge Helen, die während der Geiselhaft ein Kind bekommen hat, unter den freigekommenen Geiseln. Eine wichtige Rolle spielt auch Thandie Jones, eine Kollegin von Gary. Tatsächlich hat diese eine außergewöhnliche Theorie, die das verrückt spielende Klima erklären könnte. In Wissenschaftskreisen wird Thandie jedoch nicht ernst genommen. Als die Wasserstandpegel auch die gewagtesten Prognosen übersteigen, bleibt der selbstzufriedenen Menschheit nicht viel Zeit zu handeln.
Die Geiseln haben ihre Befreiung dem exzentrischen Millionär Lamockson zu verdanken. In der, von Chaos und Umstürzen geprägten Zeit nach der Befreiung, behält dieser jedoch seine Schützlinge im Auge. Fast scheint es, als habe der Millionär einen Narren an den Ex-Geiseln gefressen. Während die Überschwemmungen immer mehr zunehmen, entwickelt Lamockson einen ambitionierten Plan: immer auf der Suche nach einer Aufgabe, die seinem Format entspricht, will er nicht weniger als das Überleben der Menschheit selbst sichern.
Eindringlicher Ökothriller
Stephen Baxters Fans werden aufhorchen: Ein Thriller des vielschreibenden Briten und noch dazu im Hardcover? Und so beginnt der Roman auch mit einigen rasanten Ereignissen. Den befreiten Geiseln gleich, muss auch der Leser durch ein Wechselbad der Gefühle. In kurzen Sätzen und einer actionreichen Handlung unterhält Baxter den Leser über etliche Seiten, bevor es etwas ruhiger wird.
Das Buch spielt in einem Zeitraum von 30 Jahren und begleitet die verschiedenen Ex-Geiseln durch ihr Leben in einer sich verändernden Welt. Hauptperson ist Lilly Brooke. Der Autor holt weit aus und beschreibt die Veränderungen anhand der Schicksale der Personen. Da die Ex-Geiseln von dem Millionär Lamockson beschützt werden, erlebt man die Handlung lange Zeit aus deren privilegierter Sicht. Viele Gefahren, das Leid und Elend der meisten Menschen gehen dadurch am Leser anfangs etwas vorbei. Letzen Endes können aber auch die Reichen und Mächtigen sich nicht mehr schützen. Mit kleinen Details schmückt Baxter die Handlung aus; so begegnet man immer wieder einem pinkfarbenen Rucksack - vielleicht ein Symbol für die heutige Gesellschaft, die in diesem Buch obsolet wird? Die Figuren sind durchweg sympathisch. Baxter beweist viel Feingefühl für zwischenmenschliche Konflikte und persönliche Schicksale.
Parallelen
Beim Lesen fühlt man sich immer wieder an „Ausgebrannt", den Ökothriller des deutschen Autors Andreas Eschbach erinnert: Eine Katastrophe, die die gesamte Erde betrifft, sich schnell verändernde Lebensbedingungen, das Ende der Wegwerfgesellschaft, die Rückkehr zu beständigeren Produkten und mehr wirtschaftlicher Autonomie. Baxter behandelt jedoch nicht alle Facetten des Themas so ausführlich wie sein Autorenkollege. Auch würde man sich von einem versierten Hard-SF-Autoren eine ausführlichere Erklärung für die Ereignisse wünschen. Diese bleibt jedoch aus. Als die Lawine der Ereignisse erst einmal losgetreten wird, kann jeder nur noch selbst für sein eigenes Überleben sorgen.
Anfänglich weiß man nicht so recht, wie man die Geiselhaft der Figuren einordnen soll. Ist dieser Umstand nur ein Detail aus der Thrillerplot-Werkzeugkiste? Nach und nach erweisen sich jedoch die gemeinsamen Erlebnisse der Figuren als der Leim, der die Gruppe unterschiedlicher Individuen über viele Jahre zusammenhalten lässt. Tiefe Freundschaften entwickeln sich und immer wieder kreuzen sich die Wege der Freunde. Dabei macht jeder andere Erfahrungen in einer sich schnell verändernden Welt.
„Die letzte Flut" ist ein üppiger, monumentaler Roman. Das Buch beginnt actionreich, hat einen kleinen Durchhänger im Mittelteil, reißt den Leser aber zum Ende hin unweigerlich mit. Eindringlich schildert Baxter tiefgreifende Veränderungen unseres Planeten anhand dramatischer Einzelschicksale. Der mahnend erhobene Zeigefinger bleibt dem Leser größtenteils erspart. Ebenso wie eine einfach dargestellte Rettung aus der selbstgeschaffenen Misere. Ein etwas anderer „Baxter", mit dem der Autor viele neue Fans hinzu gewinnen wird.
Stephen Baxter, Heyne
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