Als ich tot war Band 1

  • Blitz
  • Erschienen: Januar 2008
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Als ich tot war Band 1
Als ich tot war Band 1
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Elmar Huber
100°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2009

Ein edles Bändchen, dass am besten mit einigen Gläsern Absinth genossen werden sollte

„Das war das Schlimmste an Ravenel Hall: Die Gänge waren lang und dunkel, die Räume stickig und trist, selbst die Gemälde waren düster und bedrückend anzuschauen. Kein Wunder, dass Menschen mit schwachen Nerven an ihrem Verstand zu zweifeln begannen, wenn der klagende Wind an Herbstabenden durch die Bäume im Park fuhr und das tote Laub flüstern und tuscheln ließ, während der Regen an die Fensterscheiben klopfte."
(Vincent O'Sullivan: Als ich tot war)

Vincent O'Sullivan: Als ich tot war

Ein plötzlicher Krach im Herrenhaus schreckt die Dienerschaft auf, die sich danach äußerst merkwürdig verhält. Alle sprechen in Rätseln und niemand nimmt mehr Notiz vom Hausherren und seinen Anweisungen.

Vincent O'Sullivan: Madame Jahn

War Gustave Herbout kurz zuvor noch auf die Gunst und die Geldgeschenke seiner Tante angewiesen, kann er sich jetzt, nach ihrem Tod, ein weltmännnisches Leben leisten. Doch seine Tante lässt ihn nicht los.

Vincent O'Sullivan: Willenskraft

Durch unsagbaren Hass treibt er seine Frau langsam in den Tod. Doch ein Pakt mit den Mächten des Todes erlaubt es ihr, ihm das Verderben mit gleicher Münze aus dem Grab heimzuzahlen.

Arthur Quiller-Couch: Das Spiegelkabinett

Gervais Verfolgung endet in einem Spiegelkabinett, in dem sich ein rätselhafter Dialog zwischen den beiden Männern entspinnt. Am Ende soll nur einer der beiden dieses Zimmer lebend verlassen.

Bernard Capes: Der Wasserfall

Ein Reisender möchte die Quelle für den plötzlichen Wahnsinn eines Ziegenhirten finden. Eine Laune der Natur, die unbeschreibliche Ausblicke gewährt, ist verantwortlich für dessen zerrütteten Zustand.

Richard Garnett: Der satanische Papst

Durch einen Pakt gelingt es dem Teufel, zum Papst zu werden. Zunächst den Anfeindungen seiner Kardinäle ausgesetzt, sieht sich der satanische Papst schon bald deren Buhlerei gegenüber, nachdem die Kichenmänner dessen wahre Identität erkennen.

H.B. Marriott Watson: In den Sümpfen

Die Verheißungen des Fleisches locken den Erzähler in den Sumpf. Dort soll er seine Liebste treffen. Während diese ihn lockt, taucht ein Wesen auf, das den Verehrer vor ihren Reizen warnt.

Ella DiArcy: Die Villa Lucienne

Die zur Miete stehende Villa Lucienne übt eine erschreckende und abstoßende Wirkung auf das kollektive Gemüt der Besuchergruppe aus, ohne dass jemand die Quelle dieser Abneigung benennen könnte.

Eric Count Stenbock: Die andere Seite

Träume von der anderen Seite des Flusses, die von Wölfen bewohnt ist, treiben Gabriel des Nachts regelmäßig aus dem Haus.

Eric Count Stenbock: Viol d'Amor

Erst mit der schmerzvollen und selbstlosen Gabe eines geliebten Menschen ist es möglich, eine Viol d'Amor zu erschaffen und alle drei Söhne des Geigenbauers sind bereit, dieses Opfer zu bringen.

Eric Count Stenbock: Ein moderner Sankt Venantius

Prinzessin Faustina bietet dem Zirkusbesitzer 10 000 Francs, wenn dieser seinen kleinen Sohn in den Löwenkäfig schickt. Doch es geschieht etwas ganz und gar Unerwartetes.

Charlotte Mew: Eine weisse Nacht

Eine Gruppe Reisender wird versehentlich in der Kirche einer nahezu menschenverlassenen Siedlung eingeschlossen. Des Nachts werden sie unfreiwillig Zeuge einer befremdlichen Begräbniszeremonie, denn die Begrabene ist nicht tot.

Jerome K. Jerome: Silhouetten

Der Erzähler erinnert sich an die Schauplätze seiner Kindheit und an die noch heute unerklärlichen Ereignisse, die so lange zurückliegen.

Max Beerbohm: A.V. Laider

A.V. Laider versteht sich auf die Kunst des Handlesens. Als seine Mitreisenden ihn drängen, die Zukunft aus ihren Handlinien zu lesen, sieht er ein unabwendbares Schicksal auf alle zukommen.

Max Beerbohm: Enoch Soames

Der Autor selbst macht die Bekanntschaft des exzentrischen Künstlers Enoch Soames, der durch einen Pakt mit dem Teufel unbedingt herausfinden möchte, ob sein Werk nach seinen Lebzeiten die verdiente Anerkennung erhält.

Das Grauen aus dem eigenen Inneren

In diesen Meisterwerken der britischen Dekadenzzeit spielen weniger messerschwingende und spitzzähnige Gestalten eine Rolle als eher der Schrecken, der aus dem eigenen Inneren erwächst. Die Nerven der Beteiligten scheinen entzündet, die rationale Oberfläche dünn, der unabwendbare Wahnsinn nahe. Zerrüttete Seelenzustände finden ihre Spiegel in weitläufigen, menschenleeren Landschaften, die den Menschen zu verschlingen drohen („In den Sümpfen", „Silhouetten"). Einsichten, die nicht mit dem menschlichen Verstand zu erfassen sind, führen zum Wahnsinn („In den Sümpfen", „Der Wasserfall").

Ihre Fremdartigkeit beziehen diese Geschichten daraus, dass gewisse Teile der Ratio entgegenstehen, während ihr Gerüst durchaus realistisch und glaubhaft ist. Offensichtlich sehen sich die vermeintlichen Doppelgänger gar nicht ähnlich, werden aber des öfteren verwechselt („Das Spiegelkabinett"). Eine lebende Frau wird in ihrem vollen Bewussstsein der Tat begraben und niemand greift ein („Eine weisse Nacht"). In der verlassenen Villa herrscht eine unerklärliche bedrückende Stimmung, ohne das diese greifbar wird („Die Villa Lucienne").

Doch es gibt auch ganz und gar artifizielle Beiträge, die keine erkennbare Handlung aufweisen und ihre Wirkung nur über ihre unwirklichen Bilder beziehen („Die andere Seite", „Silhouetten"), die im Kopf des Lesers entstehen.

Der literarische Ausdruck der Depression

Im Vorwort wird als Erklärung für die Dekadenzzeit die zwangsläufige Niedergeschlagenheit, die auf das Ende einer fruchtbaren Phase, der Belle Epoque, folgen muss, genannt. Wie die meisten Kunstwerke ein Spiegel der Zeit ihres Entstehens sind, sind also die Geschichten der Dekadenzschriftsteller durchzogen von Niedergang, Pessimismus und Zynismus als nachvollziehbare Reaktionen auf die äußeren, gesellschaftlichen Umstände. Sie sind der literarische Ausdruck der Depression.

Doch sogar in der Niedergeschlagenheit des Dekadenzzeitalters sind einige Lichtblicke zu erkennen. Die feine Ironie beispielsweise, die die Beiträge von Max Beerbohm durchziehen, lassen einen gewissen Abstand zum in Mode gekommenen Hedonismus erkennen. In seinem Spiel mit Realität und Fiktion in „Enoch Soames" geht Beerbohm sogar so weit, der Dekadenzbewegung mit ihren eigenen Werkzeugen einen Spiegel vorzuhalten. Daher ist „Enoch Soames" auch ein gelungener Abschlussbeitrag dieses ersten Bandes.

Die Herausgeber Frank Rainer Scheck und Erik Hauser haben sich eingehend mit der Geschichte und den Geschichten der Dekadenzzeit beschäftigt. Die Tiefe dieser Beschäftigung ist in den beiden Vorworten zu erahnen. Für Leser wie mich, die lediglich Geschmack an den besonderen Geschichten dieser beiden Bände finden, gehen die Vorworte stellenweise zu sehr ins Detail. Unbestritten informativ zu lesen, aber eine kürzere Variante hätte vollkommen ausgereicht.

„Als ich tot war" glänzt weiterhin durch eine Kurzbiografie aller (!) Autoren, die jeweils den Geschichten vorangestellt ist. Diese Vorgehensweise kennt man bereits von Scheck/Hausers „Berührungen der Nacht", einer vergleichbar gelungene Sammlung mit Gespenstergeschichten in der Tradition von M.R. James. Leider sind die „Berührungen" seinerzeit im Festa-Verlag unverdient etwas untergegangen. Vielleicht kann man ja über eine Neuauflagen innerhalb der „Meisterwerke"-Reihe nachdenken.

Enthalten ist als Frontispiz ein Kunstwerk des Dekandenzmalers Aubrey Beardsley. Die Umschlaggestaltung hat Mark Freier übernommen, dessen Grafik sich vornehm zurückhält und ganz im Dienst der edlen Gesamterscheinung steht. Die gebundene Form ist dem Inhalt absolut angemessen.

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