Der Königsschlüssel
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- Erschienen: Januar 2009
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Zu harmlose All-Age Fantasy
„Nur Vela schielte beunruhigt unter die Bäume. Der Schatten, den sie den ganzen Tag ersehnt hatte, schien ihr nun wohl zu dunkel und der Waldpfad allzu schmal und einladend für Räuber und anderes Gesindel. An die Hexen, bösartigen Kobolde, menschenfressenden Bäume und Riesenspinnen aus den Geschichten der Alten gar nicht zu denken."
(Im Rauschwald)
Jedes Jahr muss der mechanische König der Stadt Marinth erneut mit dem Königsschlüssel aufgezogen werden, um eine weitere Periode lang sein Amt als Herrscher erfüllen zu können. Bei der diesjährigen Schlüsselzeremonie wird der Königsschlüssel vor den Augen der Königswachen und des Königsmechanikers von einem riesenhaften schwarzen Klippengeier gestohlen. Unversehens verhaftet die Palastwache Velas Vater, der als Königsmechaniker mit seinem Leben für den Schlüssel verantwortlich ist. Eine Begnadigung kann nur der König selbst aussprechen, der ohne den Schlüssel zu verhängnisvoller Untätigkeit verdammt ist. Die vier erfolgreichsten Ritter des Ritterturniers sollen sich aufmachen, den Königsschlüssel in allen vier Himmelsrichtung zu suchen. Das Vertrauen, das Vela im Angesicht der vier besten Ritter des Landes gerade noch zuversichtlich stimmt, wird jäh in Frage gestellt, als sie mit ansehen muss, dass den vieren Speis, Trank und Zerstreuung wichtiger sind als ihr Auftrag. Kurzerhand beschließt Vela, selbst nach dem Schlüssel zu suchen. In Begleitung des jungen Cephei und eines sprechenden Bären macht sie sich auf den Weg in den Süden des Landes.
Ohne viel Tamtam
Ohne viel Pathos und Tamtam stellen die Autoren ihre Helden vor: Vela, die Tochter des Königsmechanikers, die ihren Vater nur zwei Wochen im Jahr während der Schlüsselzeremonie sieht und gerne in dessen Mechanikerfußstapfen treten würde. Dabei wird von ihr erwartet, die Nachfolge ihrer Mutter als Beobachterin der Reichsgrenzen anzutreten. Cephei, der als Mädchen für alles in der Schankstube arbeitet und auf eine Anstellung als Knappe bei einem Ritter hofft. Der sprechende Bär Urs, der unter Menschen aufgewachsen, nirgendwo so recht dazugehört und davon träumt, ein Ritter zu werden.
Leider muss man feststellen, dass in "Der Königsschlüssel" erhebliches Potential verschenkt wird. Storyfäden werden einfach fallen gelassen, statt diese zu gegebener Zeit wieder zu verknüpfen, Personen bleiben nach Zweckerfüllung einfach links liegen. Auch die Bekanntschaften, die Vela, Cephei und Urs auf ihrer Queste machen, sind zu einem guten Teil für die Handlung überflüssig und wirken wie reines Füllmaterial. Sogar die Geisterstadt Sanjorkh, die zweifellos mit viel Mühe erdacht wurde und bestimmt eine interessante Geschichte aufzuweisen hätte, gerät zur bloßen Fassade für einige gefährliche Szenen.
Des öfteren wird erwähnt, dass sich niemand an die Ankunft des mechanischen Königs erinnern kann, seit dessen Amtszeit Wohlstand und Glück im Lande ständig gestiegen sind. Die Erwartungen, die hier beim Leser geschürt werden, nämlich die Herkunft des Königs zu klären, werden von den Autoren nicht erfüllt. Einigermaßen leicht hätten doch die Abenteurer während ihrer Suche immer mehr Hinweise darauf finden und schließlich die Herkunft des mechanischen Königs aufdecken können. Weiterhin hätte ich erwartet, dass die ganze Welt des Romans von mechanischen Wunderwerken durchzogen ist. Doch auch das erweist sich leider als Trugschluss. Lediglich der Schrottfluss, den Vela und Cephei auf ihrem Weg überqueren müssen, stellt noch einmal einen Bezug zur Mechanik her.
Die Figuren, die am ehesten im Gedächtnis bleiben, sind die Hexen Serpem, die für die eindrücklichste Szene des Romans verantwortlich ist, und Aniba, die den Königsschlüssel für ihre eigenen Zwecke benötigt. An diesen überzeugenden Figuren werden auch die Stärken der Autoren deutlich. Schwarz-/Weiß-Malerei wird hier vermieden. Serpem erklärt Vela sogar, das niemand nur Gut oder nur Böse ist. In diesen Passagen des Romans scheint durch, was "Der Königsschlüssel" hätte werden können.
Natürlich können Boris Koch und Kathleen Weise in einem Buch, das für Leser ab 10 Jahren geeignet ist, nicht so unbequem werden, wie sie dazu in der Lage wären. Doch sollte man auch die jungen Leser nicht unterschätzen. Was nützt eine Aneinanderreihung von Szenen, die noch dazu nur lose zusammengehalten werden, wenn keine Entwicklung der Figuren stattfindet. Diese war bestimmt beabsichtigt und klingt auch an, überzeugt aber nicht. Die Botschaft, Erwartungen auch einmal zu enttäuschen, um mutig seinen eigenen Träumen zu folgen, wird leider nicht konsequent genug ausgearbeitet.
Unbedingt positiv zu erwähnen ist das schöne Covermotiv (von Dirk Schulz) und die schrägen Innenillustrationen (von Benswerk), in die sogar teilweise der Text eingebettet wurde. Positiv fällt auch der angenehme Preis von 13 Euro für dieses schöne Hardcover auf, der sich sogar unter dem Verkaufspreis von manchem Paperback bewegt.
Schade ist, dass die Co-Autorin Kathleen Weise auf dem Cover schlicht unterschlagen wurde. Diese war bereits mit "Die Geschichte der Äonenwürmer" in Boris Kochs Anthologie "Allem Fleisch ein greuel" vertreten und schrieb - wie Boris Koch auch - zwei Romane zur Jugend-Krimi-Reihe "Schwarzlichter" (Verlag Beltz & Gelberg).
Was bleibt, ist ein sehr schön bebilderter, harmloser All-Age-Fantasy-Roman, der sich flott wegliest, aber keinen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Boris Koch, -
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