Die Welt ist ein Spiegel der Welt ist ein Spiegel der Welt ist ein…
Die Welt irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft: Das ringförmige MHCV-Virus löst den Erreger der Aids-Pest als unheilbaren Massenkiller Nr. 1 ab. Vor allem in Nordamerika und Japan erkranken die Menschen an einer neuen Sorte Krebs, der sich trotz fortgeschrittener Heilungsmethoden nicht stoppen lässt.
Auch die Eltern des Medizinstudenten Kaoru Futami aus Tokio sind betroffen. Der erst 20-Jährige sucht verzweifelt nach Rettung. Eine Reihe mysteriöser Zufälle führt ihn auf die Spur des bizarren ";Loop”-Projekts. Fast vier Jahrzehnte zuvor hatten Forscher in den Vereinigten Staaten und Japan mehr als 1,2 Computer zusammengeschaltet, um eine Simulation künstlichen Lebens zu erschaffen. Das Experiment glückte zunächst und schuf eine Welt, die zum Spiegelbild der Realität wurde. Bevölkert wurde der ";Loop” schließlich von ";Menschen”, die nie ahnten, dass sie nur im Inneren einer digitalen Matrix existierten.
Das ";Loop”-Projekt scheiterte, als eine virtuelle Epidemie ihre Bewohner befiel und aussterben ließ. Das Grauen trug die Gestalt einer jungen Frau namens Sadako Yamamura, die es mit Hilfe eines trickreich verseuchten Videobandes in die künstliche Welt brachte. Schließlich bestand der ";Loop” nur noch aus Yamamura-Kopien und starb schließlich aus. Das Projekt wurde abgebrochen, sein Schöpfer, der Amerikaner Christopher Eliott, zog sich in die wissenschaftliche Emigration zurück.
Doch ist der ";Loop” wirklich ";tot”? Kaoru kommt der schreckliche Verdacht, dass der ";Ring”-Virus gar nicht Ergebnis einer natürlichen Mutation ist, sondern ursprünglich aus dem ";Loop” kam. Wenn dem so ist, müssten sich in den Unterlagen des Projekts Hinweise auf seine Bekämpfung finden lassen. Kaoru macht sich deshalb auf in die USA. In der Wüste New Mexicos stößt er auf das, was er gesucht hat. Allerdings ist die Wahrheit hinter dem ";Loop”-Mirakel ist weitaus grotesker als der gesunde Menschenverstand es sich träumen ließe – und Kaoru entpuppt sich als Schlüssel zur einzigen Hoffnung für die Menschheit, die in einer bizarren Verschmelzung zwischen Realität und Simulation liegt…
Ein neuer Ansatz für die ";Ring";-Saga
Erfolge in Serie – seien sie geschrieben oder verfilmt – unterliegen wie die Protagonisten unserer Geschichte einem Fluch: Sie verlieren an Wirkung und schwächen sich zur Routine ab. Auch ";Ring II – Spiral” bestätigte diese alte Binsenweisheit aufs Bedauerlichste. Das drosselt die Erwartungen, die sich an eine weitere Fortsetzung knüpfen.
Überraschung: ";Ring III – Loop” ist ein sauber geplotteter und flott geschriebener Lesespaß, der den allzu routinierten Vorgänger glatt vergessen lässt. Tatsächlich ist der dritte Roman der ";Ring”-Reihe womöglich der beste. Dafür gibt es mehrere Gründe.
So gefällt vor allem Suzukis Bereitschaft, sich von den Wurzeln seiner Saga zu lösen. ";Ring” begann als Gruselgeschichte um eine ermordete, von den Toten rächend auferstehende Geisterfrau, die sich der (zum Zeitpunkt ihres Erscheinens) modernen Technik bediente, um Schrecken und Tod über ihre Opfer zu bringen. Später löste Science Fiction den Horror ab: Sadako Yamamura ";outete” sich als personifizierte Inkarnation eines intelligent gewordenen Virus’, der sich die Menschenwelt untertan machen wollte.
Dies lesen und sich fragen, wie es jetzt noch weitergehen könnte, lag nahe. Verfasser Suzuki ließ sich vier Jahre Zeit. Ihm gelang es in der Tat, eine logische Fortsetzung für seine Geschichte zu finden. Das muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, denn Suzuki ist ein Opfer der Zeit geworden: ";Loop” scheint die Imitation der Hollywood-Blockbuster-Trilogie ";Matrix” zu sein, so zahlreich sind die inhaltlichen Parallelen. Tatsächlich ist es höchstens umgekehrt, denn ";Ring III” war früher da. Offenbar haben sich eher die ";Matrix";-Macher ";inspirieren” lassen…
Wobei die Idee der simulierten zweiten Realität ohnehin ein alter Hut der Science Fiction ist. Daniel F. Galouye hat mit ";Simulacron-3"; (dt. ";Welt am Draht”/”Simulacron-Drei”) 1964 sicherlich den bekanntesten (auch verfilmten) Klassiker geschaffen, und der von der Kritik verehrte Philip K. Dick hat diese Idee gleich mehrfach – vielleicht am effektvollsten 1969 mit ";Ubik” (dt. ";Ubik”) – kongenial durchgespielt.
Auch Suzuki hat also das Rad nicht erfunden, aber er weiß es im Rahmen seiner Möglichkeiten geschickt rollen zu lassen. Selbstverständlich könnte man mäkeln – über den allzu kunstlosen Erzählstil, die nur scheinbar dreidimensionalen Figuren, über die unnötige Reise nach USA, die vollständige Entzauberung des Yamamura-Mythos’… Doch was ist die ";Ring”-Saga eigentlich? Doch ";nur” Unterhaltungs-Handwerk, eine spannende Geschichte, die hier mutig ein neue Wendung nimmt und nicht nur ihre gelungene Fortsetzung, sondern auch eine zufriedenstellende Auflösung erfährt.
Neue Helden und alte Bekannte
Es klang bereits an: Von liebgewonnenen Figuren der ";Ring”-Folgen 1 und 2 müssen wir uns verabschieden. Ein Trostpflaster schenkt uns der Verfasser jedoch: Der allzu neugierige Journalist Asakawa, die böse Sadako Yamamura sowie der zynische Ryuji Takayami tauchen in einer ausführlichen Rückblende auf, die (da war Suzuki im zweiten Teil wesentlich ungeschickter) nicht einfach eine Nacherzählung der Vorgeschichte ist, sondern diese gleichzeitig des besseren Verständnisses wegen und zur Erinnerung erzählt und gleichzeitig in ihren neuen, veränderten Handlungsrahmen stellt.
Ansonsten treffen wir – nicht ohne Grund, wie wir schließlich erfahren – in der Person des Kaoru Futami die typische ";Ring”-Hauptfigur wieder: Der junge Mann ist eigentlich nur neugierig (bzw. in diesem Fall wissbegierig), ein Jedermann, der eher zufällig in das bedrohliche Geschehen verwickelt wird und dabei mächtig einstecken muss. Eine unglückliche Liebesgeschichte gehört ebenfalls zum Plot, während es dieses Mal kein guten Freund an der Seite des Helden gibt.
Die japanische Welt ist dem westlichen Leser in ";Ring III” nur mehr bedingt fremd. Suzuki hat seine Geschichte ";globalisiert”, lässt sie auf vielen Seiten sogar in den USA spielen. Nur noch selten finden sich die interessanten Eigenheiten der japanischen Gesellschaft. Weiterhin Unzufriedenheit dürfte bei den weiblichen Lesern die traditionelle asiatische ";Unterwürfigkeit” der auftretenden Frauen hervorrufen. (Dass ";Ring III” in der Zukunft spielt, wird übrigens nur am Rande deutlich. Science Fiction kommt höchstens ins Spiel, wenn Suzuki halbwegs glaubhaft Technobabbel kreiert, wo virtuelle Welten oder Klone geschaffen werden. Politisch und gesellschaftlich hat sich sonst offenbar auf der Erde nichts Gravierendes getan.)
Christopher Eliott zieht als ebenso weiser wie undurchsichtiger ";Gottvater” aus dem Hintergrund die Fäden. Wie er seinen ";Sohn” zur Rettung der Welt schickt, weist durchaus Parallelen zur biblischen Geschichte auf, was zweifellos beabsichtigt ist und immer noch dazu taugt, die Aufmerksamkeit des Publikums zu erregen und der Kritik Vielschichtigkeit vorzugaukeln, die ";Loop"; indes – es sei noch einmal wiederholt – sicherlich nicht unterstellt werden darf. Den Spaß an einer spannenden Feierabend-Lektüre verdirbt das aber nicht.
Kôji Suzuki, Heyne
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