Liberté, Egalité, Fraternité
Das ist das unausgesprochene Motto des fünften Bandes der "Feuerreiter seiner Majestät" um den englischen Offizier Will Laurence und seinen chinesischen Himmelsdrachen Temeraire in Naomi Noviks historisch auf der unseren basierenden Alternativwelt. Womit Frau Novik zum ersten schon mal die wichtigste Hürde des erfolgreichen Fantasy-Autoren geschafft hat, nämlich eine angekündigte Tetralogie zu überziehen, indem sie einen fünften Band geschrieben hat. Und soviel vorab: Es sieht nicht so aus, als sei mit diesem Band Schluss. Aber zum Inhalt.
Der Adler ist gelandet
In Noviks Europa nimmt die Geschichte bis zu diesem Zeitpunkt einen ganz ähnlichen Verlauf wie in unserer Welt. Von der Kleinigkeit mal abgesehen, dass Drachen allgegenwärtig und keine Fabelwesen, sondern alltägliche, wenn auch gefürchtete, Realität sind. Und als solche kriegsentscheidend. Denn immer noch tobt der Napoleonische Eroberungskrieg und nachdem der Anschlag der Engländer auf die Drachen, die Napoleon als Fliegerstaffeln dienen, im letzten Band durch Laurence und Temeraire vereitelt wurde, steht es gar nicht gut um das Empire. Noch während Laurence in einem Schiffsgefängnis sitzt und auf seine eventuelle Hinrichtung als Hochverräter wartet, durchbrechen die Franzosen die britische Blockade und kurz darauf stehen die Adler, die Standarten des französischen Heeres, auf der englischen Küste.
Zahlenmäßig und vor allem taktisch unterlegen, müssen ihn die Briten gewähren lassen und bald tobt der Krieg auf britischem Boden. Temeraire, der nach der Verurteilung seines Freundes und Kapitäns in die Zuchtgehege der königlichen Drachenstaffeln verlegt wurde, indes empört sich über Zustand, Unterbringung und mangelnden Patriotismus der dortigen Drachen. Als die Nachricht von Napoleons Einmarsch bis zu ihnen durchdringt, gelingt es ihm, eine eigene Drachenkompanie auf die Flügel zu bringen. Drachen, die fortan nicht nur für England, sondern vor allem für ihre eigenen Rechte und ihre Anerkennung als intelligente Wesen kämpfen. Und die mit gehörigem Patriotismus die französischen Aggressoren aus ihrer Heimat vertreiben wollen.
Been there, done that, seen that trick..
Dass Temeraire schon bald den (vorläufig) begnadigten Laurence wieder trifft, war zu erwarten. Und dass sie heldenhaft um ihre menschlichen und reptiloiden Freunde kämpfen und Napoleon und dessen hauseigenem Himmelsdrachen Lien ein weiteres Mal eine empfindliche Schlappe beibringen ebenfalls. Genau genommen passiert in diesem Band nicht wirklich irgend etwas, das nicht zu erwarten gewesen wäre. Er ist eine konsequente Fortsetzung der Erzählung des alternativen Napoleonischen Krieges, er beinhaltet Luftschlachten, Bodenoffensiven, clevere und dumme Strategien, Temeraires unermüdlichen Einsatz für Bildung, Wohlbefinden, Rechte, Freiheit und Verköstigung der Drachen und all diese Dinge, die natürlich enthalten sein mussten. Was ihm allerdings fehlt, ist irgend ein besonderes Merkmal.
Das ist wohl der grundsätzliche Unterschied zu den vorherigen Bänden: 'Drachenwacht' fehlt natürlich der Novitätenbonus von Band Eins. Er hat nicht die fernöstliche bzw. afrikanische Exotik der Reisen in Band Zwei und Vier, nicht die Dramatik der Reise von Band Drei. Und erst recht nicht eine schwebende Bedrohung, wie sie gerade den vierten Band auszeichnet. Er ist eine gewöhnliche Kriegsgeschichte zu napoleonischer Zeit, ohne interessante und/oder unerwartete Wendungen, nur eben zufällig mit Drachen und daraus resultierenden Luftkämpfen. Das ist nett, aber nachdem man sich an die Drachen gewöhnt hat, eigentlich auch nicht so gut, dass es groß erwähnenswert wäre.
Nur der Mittelmäßige ist ständig in Hochform
Sicher, Frau Novik hat eine solide Arbeit abgeliefert, die nach wie vor die steife britische Aristokratie ebenso wie die tiefe Freundschaft zwischen Drache und Mensch überzeugend erlebbar macht. Aber im Ganzen wirkt dieser Band wie... ja, wie ein Zwischenstück von einem interessanten Handlungsort zum nächsten.
Es ist ein Roman ohne Überraschungen, der eine Reihe von offenen Handlungsfäden weiter spinnt und der mit einer ordentlich dichten Handlung flüssig zu lesen ist. Damit eignet er sich hervorragend als Überbrückung, wenn die Bahn zum Beispiel mal wieder zwei Stunden Verspätung hat und ähnliche Gelegenheiten dieser Art. Aber er ist weder anspruchsvoll noch überraschend, weder zum miträtseln oder -bangen und auch nicht zum mitfiebern geeignet. Zu vorhersehbar das Ganze und im Grunde nichts, was man nicht anderswo schon besser gelesen hat. Zugegeben, mit Drachen.
Aber das allein macht einfach noch keine gute Geschichte. Es sorgt nur dafür, dass eine Rezension tatsächlich schwer wird, da dieser Band der Serie objektiv einfach weder als gut, noch als schlecht angesehen werden kann. Vermutlich - und das leider - einfach als zu unwichtig, um lange im Gedächtnis zu bleiben.
Wie Eingangs erwähnt sieht es nicht so aus, als sei die Geschichte um Temeraire und Laurence mit diesem Band an ihrem Ende angelangt - und so bleibt die Hoffnung, dass Frau Novik im Folgeband wieder zu alter Form aufläuft. Dieser Band jedenfalls war deutlich der Schwächste der Reihe.
Naomi Novik, -
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