The Ring

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2003
  • 4
The Ring
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Michael Drewniok
85°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2006

Eine Rachegeist pfeift auf Erlösung

Tokio 1989: Der Journalist Asakawa Kazuyuki stolpert durch einen Zufall über die Story seines Lebens. Ein Taxifahrer erzählt ihm von einem jungen Mann, der vor seinen Augen wie vom Blitz getroffen starb. Dasselbe Schicksal hat jüngst eine Nichte Kazuyukis getroffen - sie fand ihr Ende sogar in genau dieser Nacht. Ebenso traf es zwei weitere Jugendliche. Sie alle fürchteten sich offenbar zu Tode, und sie alle kannten sich!

Klar, dass der Journalist anbeißt. Er ermittelt, dass sich das Quartett in der Woche vor seinem Abgang in einer Ferienhauskolonie an der Küste eingemietet hatte. Kazuyuki schaut sich um in der kleinen Hütte, kann aber nur ein unscheinbares Videoband entdecken, das er sich selbstverständlich sogleich anschaut. Der Inhalt: eine Folge wirrer, unzusammenhängender, aber beängstigender Sequenzen, gefolgt von der Warnung, der Zuschauer sei binnen einer Woche tot, wenn er nicht ... Genau an dieser entscheidenden Stelle bricht besagtes Video ab.

Kazuyuki ist beeindruckt, zumal er spürt, dass die gerade vernommene Drohung keineswegs leer ist. In seiner Not sucht er die Hilfe seines alten Freundes Ryuji Takahama, eines genialen Philosophen und Gelehrten, der in seiner Freizeit gern junge Frauen vergewaltigt. Auch dieser betrachtet das Video und sitzt nun mit im Boot. Eine Woche bleiben ihm und Kazuyuki zur Rettung. Letzterer gerät in Panik, als er entdecken muss, dass seine neugierige Gattin heimlich den Rekorder in Gang gesetzt hat und dabei die Baby-Tochter auf dem Schoß hielt ... Der Fluch wird auch sie treffen, wenn Kazuyuki nicht vor Ablauf der Frist des Rätsels Lösung findet.

Die unbarmherzig tickende Uhr vor Augen kommen Kazuyuki und Takahama der unglaublichen Geschichte der Sadako Yamamura auf die Spur. Das Drama um die hellseherisch begabte, aber vom Unglück verfolgte Frau liegt schon Jahrzehnte zurück, aber was ihr geschah, rechtfertigt durchaus einen Hass auf die Menschheit, den selbst der Tod nicht beenden kann ...

Nicht jedes Opfer ist unschuldig

Der (bereits wieder abgeflaute) Rummel um die ";Ring”-Romane und vor allem Filme ist vor allem ein Produkt der Werbung und der Medien. Wie immer stürzen sie sich wie die Geier darauf, was leichte Beute zu sein scheint und viel, viel Geld einbringen könnte. In diesem Fall war es die im Japan der 1990er Jahre zum Horror-Tipp mutierte Geschichte eines verwünschten Videobandes, das den Kern zum Untergang der Menschheit beinhalten könnte. Die ";Ring”-Saga ist inzwischen (welches Unwort!) ”Kult” geworden - ein echter, kein künstlich lancierter - und bewegt sich weiter auf die Endstation ";moderner Mythos” zu. Ist er erreicht (womöglich ist dies längst geschehen), läuft die "Ring”-Welt" (und das Geschäft) à la ";Star Trek” von allein.

Dabei fragt man sich, was den ";Ring” so besonders werden ließ. Objektiv betrachtet lesen wir 'nur' einen gut geschriebenen Gruselroman. Der Schauplatz mag uns europäischen Lesern etwas fremd sein, aber die Geschichte ist es sicher nicht. Rächender Spuk, verwunschene Grabstätten, tödliche Flüche - das ist wahrlich wenig originell. Aber es sind Elemente des Horrors, die immer funktionieren, wenn man sie nur zu mischen weiß. Das gelingt Verfasser Suzuki sicherlich. Er geht ganz einfach vor (was stets eine gute Idee ist) und legt ";Ring” über weite Strecken fast dokumentarisch an. Die Suche nach der Geschichte hinter dem Videoband füllt viele Seiten. Wir verfolgen eine simple Suche, die immer wieder in Sackgassen endet, hier und da ein Puzzlesteinchen zum anderen trägt, bis sich schließlich das Gesamtbild fügt. Solche Detektiv-Geschichten fesseln immer; sie sind sogar interessanter als das Ergebnis, das zwangsläufig enttäuschen muss: noch’n böser Geist, der einen Dreh gefunden hat, es seinen Peinigern heimzuzahlen. Wäre da nicht Suzukis Gag, dem eigentlichen Spuk einen apokalyptischen Beifahrer aufzusatteln, hätte der ";Ring”-Mythos wohl kaum eine Chance gehabt.

Wo der Osten wirklich fern ist

Offen muss bleiben, was denn Suzuki zum ";japanischen Stephen King” machen soll. Anscheinend reicht es heute bereits, einen handwerklich sauber gedrechselten Horrorroman vorzulegen, um mit diesem Ehrentitel versehen zu werden. Die 'Qualität' zu vieler Geschichten des Genres legen diesen Verdacht jedenfalls nahe. Hinzu kommt: Japaner sind anders ... Diese drei Worte bilden eventuell den Schlüssel zu einer Kritik, die man im Zusammenhang mit Rezensionen zum ";Ring”-Roman immer wieder finden kann: Alle Beteiligten des Spektakels seien im Grunde ziemlich unsympathisch. Das trifft nicht nur auf den Feierabend-Frauenschänder Takahama zu (Dieses Detail ließ Hollywood bei der US-";Ring”-Verfilmung von 2002 besonders schleunigst unter den Tisch fallen), sondern fast noch mehr auf Asakawa Kazuyuki. Nicht nur dass er seinen kriminellen Freund deckt - er ist auch sonst ein seltsamer Zeitgenosse. Seine Familie liebe er über alle Maßen, behauptet er mehr als einmal. Trotzdem ist er so gut wie niemals zu Hause bei Weib und Kind, selbst wenn er nicht von Dämonen gejagt wird. Niemand scheint dies für ungewöhnlich zu halten; besagtes Weib übrigens auch nicht. Die Arbeit geht halt vor im Land der aufgehenden Sonne!

Die liebe Gattin hinterlässt ohnehin - es sei an dieser Stelle politisch unkorrekt ausgesprochen  - einen ziemlich trantütigen Eindruck. Dass Kazuyuki so um ihr Schicksal besorgt ist, kann man ihm kaum nachfühlen. Seinen Kumpel Takahama scheint er jedenfalls öfter (und lieber) zu sehen als die eigene Ehefrau.

Sehr gut hat Suzuki begriffen, dass er mit seinem Gespenst geizen muss. Sadako Yamamura greift niemals direkt in die Handlung ein. Wir erfahren nur Bruchstücke über ihr Leben, die uns aus den Mündern Dritter erreichen - ein kluger Kunstgriff, denn nichts ernüchtert in einer Horrorgeschichte normalerweise stärker als der Auftritt des Monsters, das unter Umständen auch noch langatmig seine Beweggründe erörtert. Sadako bleibt mysteriös, tragisch - und bösartig.

Erstaunen erregt beim westlichen Leser weiterhin die noch heute offensichtlich ausgeprägte japanische Affinität zur Welt der Geister. Mr. King hätte viele hundert Seiten mit Text füllen müssen, bis seine aufgeklärten Landsleute begriffen und akzeptiert hätten, dass es irgendwo spukt. Kazuyuki und seine Gefährten, Kinder des aufgeklärten 20. Jahrhunderts, wissen sofort, dass es umgeht, und stellen sich darauf ein. Das irritiert bei der Lektüre, aber es drückt natürlich aufs Tempo - ";Ring” ist ein Roman ohne Langatmigkeit.

The Ring

Kôji Suzuki, Heyne

The Ring

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