Das Königshaus der Monster

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2009
  • 3
Das Königshaus der Monster
Das Königshaus der Monster
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Carsten Kuhr
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2009

„Dr. Faust trifft auf Lovecraft

Vor gut einem Jahr veröffentliche Carsten Polzin im Piper Verlag das Debütwerk des englischen Autors Jonathan Barnes. „Das Alptraumreich des Edward Moon" überraschte und verzückte den Leser mit seiner bis dato unbekannten Mischung aus Versatzstücken gängiger Genres, einem bewusst und pointiert eingesetzten Stil und faszinierend anderen Figuren.

Nun, ein Jahr später erscheint die Fortsetzung - wenn man denn von einer Fortsetzung sprechen mag. Statt im viktorianischen London hat der Autor seine Handlung dieses Mal in der modernen zeitgenössischen britischen Metropole angesiedelt, nur einige mehr oder minder unsterbliche Figuren sind aus dem ersten Band übrig geblieben.

Gut eineinhalb Jahrhunderte ist es her, dass Queen Viktoria einen mehr als unheiligen Pakt eingegangen ist. Um die Herrschaft ihrer Familie, der Windsors, zu sichern und die Grenzen des Empires für Eroberer undurchdringlich zu machen, unterschrieb sie einen von drei Anwälten aufgesetzten Vertrag, der ihr die Unterstützung eines mächtigen Wesens, des Leviathans sicherte. Doch - wie alles - hat auch dieser Pakt mit dem Teufel seinen Preis. Nicht weniger als London selbst wurde als Bezahlung vereinbart. Mitte der sechziger Jahre wurde die Rechnung präsentiert, doch dem Direktorium, dem geheimsten der Geheimdienste Britanniens gelang es, den Leviathan in einer Falle gefangen zu setzen. Als einer der damaligen Top-Agenten des Direktoriums von einem Schlaganfall ereilt wird, setzen sich die Räder wieder in Bewegung.

Harold Lamb ist das, was man sich gemeinhin unter einem Loser vorstellt. Mitte Dreißig hatte er noch nie eine Freundin, sein vergangener Ruhm als Kinder-Fernsehstar nervt nur noch, und seine Tätigkeit in der staatlichen Archivverwaltung ödet ihn an. Als er seinen Großvater im Krankenhaus besucht, beginnt sich sein Leben rapide zu ändern - und das nicht nur zum Besseren.

Ein Fensterputzer stürzt vor seinen Augen fünf Stockwerke nach unten, nur um ihm eine mysteriöse Botschaft zu überbringen, er wird gegen seinen Willen zum Direktorium, dem allmächtigen Geheimdienst, versetzt, seine Vermieterin macht ihm erotische Avancen, und er lernt auf dem Londoner Riesenrad seinen neuen Vorgesetzten kennen, der in einem Tank aus Fruchtwasser lebt. Doch warum nur, wird er rekrutiert, was wollen alle von ihm?

Tief unter der Downing Street 10 begegnet er seiner Nemesis. Hier, im best bewachtesten Gefängnis der Insel sind Hawker und Boon, zwei unsterbliche Serienkiller, auch unter der Bezeichnung "Die Präfekten" bekannt, untergebracht, und hier erhält Harold erste Hinweise auf den Krieg, der verborgen in Londons Straßen tobt, ein Krieg des Direktoriats gegen die Windsors, ein Krieg um die Zukunft Londons, ja der Welt ...

Herrlich anders, erfreulich frisch und stilistische meisterhaft

Was ist das wieder für ein Roman, den Jonathan Barnes scheinbar mühelos aus dem Ärmel schüttelt. Agententhriller, Verschwörungsroman, Kriminalroman, Ode an Lovecraft und Goethe, eine Mischung, die so abstrus und eigen sie auch ist, den Leser in ihren Bann zieht, und nicht mehr loslässt. Die Handlung schäumt förmlich über vor Ideen, die der Autor über seinen Rezipienten ausschüttet.

Neben dem überwältigenden Ideenreichtum sind es insbesondere die markanten Figuren des Jonathan Barnes, die dem Buch sein Gesicht und Gepräge verleihen. Außer dem bodenständigen, introvertierten Protagonisten sind es die "Domino Men" - wie die beiden Killer und das Buch selbst im Original heißen -, das Zwitterwesen einer mittels magischer Pille wiedererweckten Geheimagentin, die 007 blass aussehen lässt, und nicht zuletzt der Direktor des Direktoriums selbst, aber auch der dekadente, zunächst antriebslose Kronprinz Arthur, die den Leser in ihren Bann ziehen. Dazu gesellt sich das drohende, uralte, überwältigende Übel, Ingredienzen, aus denen Barnes seine ganz eigene Kreation zusammensetzt.

Verbunden werden diese Ideen durch einen präzise auf den Punkt verfassten Stil, seiner Fähigkeit, Handlungsplätze plastisch zu beschreiben, so dass der Leser sich unwillkürlich an den Ort des Geschehens versetzt sieht, jeder Menge rabenschwarzen Humor - man darf sich nur einmal die Hörner ansehen, die dem Kronprinzen scheinbar von seiner Gattin aufgesetzt werden ... - und einer immer rasanter ablaufenden Handlung, die in einem furiosen, so nie vorhersehbaren Finale enden.

Es ist eine wahre Tour de Force, die den Leser erwartet, ein bizarrer Plot, den ich so oder auch nur so ähnlich noch nie gelesen habe, und damit hebt sich der Roman erneut weit über die gängigen Publikationen hervor, mit denen uns die Verlage allmonatlich beglücken.

Das Königshaus der Monster

Jonathan Barnes, Piper

Das Königshaus der Monster

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