Winds of Change
- Basilisk
- Erschienen: Januar 2008
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Leider keine neuen Impulse
„Ich konnte nicht recht sagen weshalb, aber der Anblick des Mondes, der aussah, als hätte man ihn in ein Fass voll Blut getaucht, machte mich äußerst nervös."
(Winds of Change)
Winds of Change
Zwölf Menschen befinden sich in dem Eisenwarengeschäft, als plötzlich der Strom ausfällt. Doch sie können das Geschäft nicht einfach wieder verlassen, denn jeder, der sich draußen in dem trockenen Wind aufhält, verwandelt sich in eine Salzsäule. Schwankend zwischen Bibelgläubigkeit und Post-9/11-Hysterie versuchen die Eingeschlossenen, die Situation zu analysieren.
Quartett
Nur noch die vier Mitglieder eines Streichquartetts sind in dem Konservatorium am Meer am Leben. Ein Erdbeben hat Gebäudeteile einstürzen lassen und die restlichen Menschen begraben oder in die nahe See gespuckt. Mythische Geschöpfe aus der Tiefe des Meeres, denen die Musik stets unbeschreibliche Qualen bereitet hat, ergreifen die Möglichkeit, sich für immer der musizierenden Menschen zu entledigen. Die Musiker müssen auf ewig weiterspielen oder sterben.
Graffiti
Der Stadtstreicher Donald freundet sich mit dem jungen, obdachlosen Graffitikünstler Charlie an. Doch dessen Kunstwerke sind nicht nur Bilder, sondern Beschwörungen an alte Götter, denen er jedes Opfer bringen kann, das er will. Durch ein Tor, das Charlie schafft, gelangt eine der Gottheiten in die reale Welt.
Nach Brannons gelungener Kooperation mit James Newman - „Die Kirche der toten Zungen" - durfte man gespannt sein auf weitere deutsche Veröffentlichungen Brannons. Um so spannender die Ankündigung des Basilisk-Verlags, das nicht nur Brannons Kurzgeschichtensammlung „Winds of Change" dort auf deutsch erscheint, sondern dass darüber hinaus die Übersetzung vom renommierten Autor Tobias Bachmann erstellt wird. Die Latte der Erwartung lag also hoch für die Winde der Veränderung.
Begegnungen von Menschen und Wesen aus den Randbereichen der Wahrnehmung
Das verbindende Element in „Winds of Change" ist die Idee, dass am Rande des begrenzten menschlichen Erfahrungsbereichs Wesen und Kreaturen existieren, die ebenfalls ihren Platz in der realen Welt haben und mit denen gut auszukommen ist, die wir Menschen unter normalen Umständen noch nicht einmal bemerken. Solange jedenfalls, solange diese Wesen nicht durch den Menschen gestört, gerufen oder provoziert werden. Jason Brannon erzählt in drei Geschichten von Begegnungen zwischen Menschen und diesen mythologischen Wesen aus den Randbereichen der menschlichen Wahrnehmung.
Doch so überzeugend die einzelnen Ideen sind, die Brannon präsentiert, lässt die Umsetzung doch leider sehr zu wünschen übrig.
Im Beitrag „Winds of Change" passiert nach anfänglichem verbalen Kräftemessen lange Zeit nichts von Bedeutung. Selbst kleine Hinweise, die die Eingeschlossenen weiter bringen könnten, werden nicht konsequent verfolgt. Der Mikrokosmos des Baumarkts kocht auf Sparflamme, bis etwa zehn Seiten vor Ende dann plötzlich eine (unbefriedigende) Erklärung der Ereignisse aufgetischt wird. Dann noch ein obligatorischer Endkampf und Schluss.
„Quartett" funktioniert hier aufgrund der Kürze etwas besser. Die Vorstellung der musikhassenden maritimen Fabelwesen, die ihre Chance nutzen, sich von dem schmerzvollen Getöse zu befreien, taugt doch perfekt für eine Groteske. Doch der Ton der Geschichte bleibt dafür zu ernst. Auch die Personen bleiben wieder blass und deren Schicksal berührt nicht wirklich.
In „Graffity" scheint zunächst eine gelungenere Personenzeichnung vorhanden zu sein. Im zweiten Teil wird das Tempo allerdings zu Ungunsten der Entwicklung beschleunigt. Donald wandelt sich befremdlich schnell vom anfänglichen Paulus zum Saulus. Der Gesinnungswandel geschieht zwar nicht grundlos, ist aber unnötig und wirkt aufgesetzt. Am Ende löst sich alles in Wohlgefallen auf.
Oberflächlich und ohne klares Ziel
Jason Brannons Charakterzeichnungen sind durchweg nur oberflächlich und es fällt schwer, sich wirklich mit den Personen zu identifizieren. Entsprechend unberührt lässt einen das Schicksal der Figuren. Die gesamte Handlung bleibt in sicherer Distanz. Unpassend dazu geht Jason Brannon bei Kleinigkeiten, Gesten oder Beobachtungen oft unnötig ins Detail. Die Geschichten wirken - zumindest formal - unfokussiert und zusammengeflickt. Aufbau und Verlauf lassen einen durchgängigen Spannungsbogen vermissen. Zu schnell wird das Abnorme von den Beteiligten akzeptiert. Auch ein Ziel ist nicht erkennbar, auf das die Geschichten hinsteuern.
Die Vermengung der „Moderne mit altertümlichen Elementen" (Werbetext) sei dem Autor zugestanden, doch als besonders gelungen kann das Resultat nicht bezeichnet werden. Auch die gepriesenen neuen Impulse konnte ich nicht erkennen. Eher im Gegenteil. „Winds of Change" erinnert frappierend an Kings „Nebel" und „Graffity" lässt deutliche Parallelen zur Clive Barker-Verfilmung „Candyman's Fluch" (diese ist übrigens eine überaus gelungene Verschmelzung von historischem Mythos und urbaner Realität) erkennen.
Vor allem im Vergleich mit verwandten Veröffentlichungen aus dem Basilisk-Verlag enttäuscht „Winds of Change" auf inhaltlicher Ebene. Das Äußere des Bändchens ist dafür einmal mehr sehr gut gelungen und das Covermotiv gibt das Thema bildlich treffend wieder.
Jason Brannon, Basilisk
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