Ambitionierter Autor auf ausgetretenen Pfaden
Neben den bekannten Genregrößen konnten in letzter Zeit nur wenige Autoren mit traditionellen Weltraumgeschichten neue Akzente setzen. Vor allem die endlosen Arten, eine Geschichte zu erzählen, werden nur selten voll ausgenutzt. Gary Gibson wandelt mit "Lichtkrieg" also auf breit ausgetretenen Pfaden.
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Seit die Menschen wissen, dass die Sternenlichter am nächtlichen Himmel keine weit entfernten Feuer sind, die man durch Löcher in einer riesigen Kuppel beobachten kann, träumen sie davon, zu diesen Sternen zu reisen, das All vielleicht sogar zu besiedeln. 500 Jahre in der Zukunft ist dieser Traum Wirklichkeit geworden. Die außerirdischen Shaol ermöglichen den Menschen den Schritt ins All, indem sie diese mit ihren überlichtschnellen Kernschiffen transportieren. Viele Kolonien sind auf diese Weise auf fernen Welten entstanden. Mit den Auflagen für diese "Dienstleistungen" hat sich die Menschheit zähneknirschend einverstanden erklärt; sie dürfen die Transluminal-Technik nicht übernehmen, sie weder kopieren noch selber entwickeln. Doch warum bestehen die Außerirdischen so vehement auf diesen Bedingungen? Und warum verweigern sie den Menschen den Zutritt zu bestimmten Bereichen des Raums, schränken sogar die Kontakte zu weiteren intelligenten Spezies ein?
Dakota Merrick ist ein Maschinenkopf. Ihre sogenannten 'Ghost Implantate' stellen eine Art künstliches Unterbewusstsein dar, das Daten verarbeitet und nur wirklich wichtige Informationen durchlässt. Ihre übermenschlichen Fähigkeiten wirken auf andere Menschen abstoßend; lange hat Dakota versucht, dieses Geheimnis - wenn möglich - vor anderen zu verbergen. Dabei hat sie eine besondere Beziehung zu ihrem Raumschiff, der 'Piri Reis', entwickelt, die weit über eine oberflächliche Freundschaft hinaus geht. Für ihre neuesten, skrupellosen Arbeitgeber kommen Dakotas Talente jedoch gerade recht.
Von "den Großen" gelernt
Auf klassische Weise führt Gibson den Leser mit zwei Haupthandlungssträngen durch seine fiktive Zukunft. Ein wichtiger Protagonist ist - neben Dakota Merrick - auch Lucas Corso, der ebenfalls von dem zwielichtigen Senator Arbenz für eine geheimnisvolle Mission angeheuert wird. Die beiden erleben eine abenteuerliche Reise, die ihnen alles abverlangt und an deren Ende sie hinter das Geheimnis der Shaol kommen sollen. Durch die unterschiedlichen Motive der beiden Menschen entwickelt sich eine nicht ganz unkomplizierte Beziehung.
Mehrfach finden sich im Buch Hinweise auf andere Klassiker des Genres. Nicht nur Dan Simmons' Hyperion, auch Iain Banks wird zitiert. Gibson hat klare Vorbilder. Sein Roman bietet dabei Action, wie man sie von Peter Hamilton kennt, ist aber weder so ausufernd fantasiereich wie Banks, so episch wie Simmons oder so ernst wie ein Reynolds. Bei seinem Weltentwurf bedient Gibson sich altbekannter Elemente. Das Geheimnis der Shaol, das sich Stück für Stück offenbart, ist jedoch eine gelungene Variation der bekannten Themen. Lichtkrieg ist einerseits traditionell, bleibt andererseits aber auch ausreichend eigenständig.
Die Figuren hätten etwas mehr Feinschliff vertragen. Einige Konflikte wirken nicht vollkommen ausgereizt. Besonders Dakotas Vergangenheit, das dunkle Geheimnis, das sie bewahrt, hätte man noch etwas mehr ausführen können. Auch die Schurken ergeben sich etwas zu bereitwillig ihren bösartigen Intentionen. Die Motive der Bösewichte sind zwar nachvollziehbar, etwas mehr individuelle Tiefe hätte sie aber noch glaubwürdiger gemacht.
Lichtblick
In der gradlinigen Entwicklung der Story ist der rote Faden stets präsent, trotzdem gelingen dem Autor noch einige Überraschungsmomente, die die Story deutlich aus dem Durchschnitt herausheben. Die Spannung bleibt bis zum Schluss erhalten. Der Roman entwickelt sich zielstrebig auf einen fulminanten Showdown hin, der dem durchweg lesenswerten Buch absolut gerecht wird. Obwohl der Roman in sich abgeschlossen wirkt, erwähnt Gibson in seinem Blog, dass der Leser es hier mit dem ersten Teil einer Trilogie zu tun hat.
"Lichtkrieg" ist ein nicht zu unterschätzender Leckerbissen, der sich bestens zwischen einem "Hamilton" und dem nächsten "Reynolds" lesen lässt. Neben der teilweise derben Sprache fallen nur einige Fehler im Text und mehrfache Wiederholungen bestimmter Formulierungen negativ auf. Dem rasanten, durchweg interessanten Roman schaden diese Kleinigkeiten jedoch in keinster Weise.
Gary Gibson, Heyne
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