Das Fest der Vampire
- Piper
- Erschienen: Januar 2008
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Die Mischung kann nicht vollständig überzeugen
";Von draußen dringen Geräusche herein. Weihnachtssänger! Wissen die denn nichts von der schrecklichen, furchtbaren Gefahr? Doch wenn ich das Fenster aufstieße, sie warnen und auffordern würde, die Straße zu verlassen - wie könnte ich ihre offensichtliche Frage beantworten? Denn wenn ich mich solcherart benähme, hielte man mich für verrückt ..."
(Terry Pratchett: Zwanzig Pence mit Umschlag und Weihnachtsgruß)
Es ist der Tag der alljährlichen Weihnachtsfeier in der Firma Coldicutt&White. Während die restliche Belegschaft in erwartungsvoller Hochstimmung ist, lässt die Assistentin der Geschäftsführung den Tag über sich ergehen, gelangweilt von der alljährlichen Routine. Doch etwas ist anders in diesem Jahr. Liegt es etwa an dem älteren Herren, der ihr heute schon mehrmals begegnet ist und der dem vor einem Jahr verstorbenen Fimrengründer Mr. Coldicutt verblüffend ähnlich sieht?
Souverän und nachvollziehbar lässt Jonathan Barnes den Leser augenzwinkernd mit seiner namenlosen Heldin leiden und aushalten. Die Story nimmt sofort gefangen und das überraschende Finale von ";Mr. Coldicutts Party" kommt um so unerwarteter.
Die Königin ist tot, doch der König beauftragt einen Nekromanten, sie mit Hilfe der schwarzen Künste wieder zurück ins Leben zu holen. Die Erweckung gelingt, doch zu spät durschaut der König die wahren Absichten des Zauberers.
Susanne Gerdom verrät zu wenig über ihre Figuren, so dass der Leser keine Gelegenheit bekommt, mit ihnen zu fiebern. So wirkt ";Lang lebe die Königin" uninspiriert. Zu flach sind die Figuren, zu beliebig die Geschichte selber, um wirklich mitzureißen.
Ausgerechnet am heiligen Abend wird Oberinspektor Zundt aus dem Krankenbett geholt und zu einem bestialischen Familiendrama gerufen. Niemand kann sich einen Reim auf die Indizien machen, die die Beamten vorfinden und die Nacht endet in einem weiteren Blutbad.
Tobias Meißners ";Von draußen" ist eine skurrile, pointierte Weihnachtsversion von Edgar Allan Poes ";Doppelmord in der Rue Morgue". Die Figuren sind der Story angemessen überzeichnet und das Finale ist dermaßen bizarr, dass man sich ein Schmunzeln nicht verkneifen kann. Gerne noch mehr Fälle von Inspektor Zundt.
Das Hochberg Hotel steht an der Schwelle, zu einer der ersten Adressen für die High Society zu werden. Der Ausschlag dafür soll die diesjährige Weihnachtsfeier eines prominenten Modekritikers werden. Doch seit kurzen gehen unerklärliche Dinge im Hotel vor. Edelste Designerschuhe werden von einem Pinscher zerkaut. Alle Versuche, das Tier zufassen, scheitern, bis ein Spezialist mit einer merkwürdiegen Theorie im Hotel ankommt.
Der Grat zwischen gelungenem Humor und zur Ermüdung führender Albernheit ist ein schmaler. John Moores ";Schneeschuhe" fällt in die zweite Kategorie. Die Story wäre gern leichtfüßig, ist aber zu bemüht, die Pointen sind zu aufgesetzt.
Der Dialog einer hochnäsigen Krähe und eines Weihnachtsbaums, der auf einem Balkon auf sein weihnachtliches Kleid wartet. Doch während die Krähe noch behutsam versucht, dem Baum seine ausweglose Zukunft als vertrocknender Christbaumschmuckhalter zu verdeutlichen, geschieht etwas ganz und gar wunderbares.
Eine kleine, magische Fabel, die den Menschen einen Spiegel bezüglich ihrer Weihnachtsbräuche vorhält. Folgerichtig ergibt sich Julia Conrads ";Blüten" auch in das unvermeidliche Ende.
Die Vampirjägerin Laura Caxton soll Zeugin werden bei einigen medizinischen Versuchen, die Dr. Fremont an einem gefangenen Vampir vornehmen will. Beharrlich warnt sie die Wissenschaftlerin vor dem Wesen, doch diese fährt unbeirrt fort.
David Wellington liefert mit ";Das Experiment" eine Kurzgeschichte seiner Heldin Caxton (bekannt aus "Der letzte Vampir" und ";Krieg der Vampire") ab. Die Story ist nicht uninteressant, aber auch nicht neu. Hat sich der Leser erstmal zurechtgefunden verläuft ";Das Experiment" souverän aber überraschungsarm. Auch hätte die Story nicht unbedingt an Weihnachten spielen müssen.
Die Amerikanerin Liz ist auf ihrer Europareise zur Weihnachtszeit in Prag angekommen. Dort trifft sie Marek, von dem sie sich - trotz seiner leicht hochnäsigen Art - die nächtliche Stadt zeigen lässt.
William King spielt in ";Karpfen im Netz" mit den Erwartungen des Lesers. Er legt falsche Fährten und führt den Leser geschickt in die Irre. Lange Zeit ist unklar, aus welcher Richtung eigentlich Gefahr droht. Die Auflösung ist überraschend, wurde aber im Rückblick auf die Handlung äußerst geschickt aufgebaut. Außerdem eine gelungene Verbeugung vor H. P. Lovecraft, einmal ohne dessen altbekannte Wesenheiten zu bemühen.
Von den Personen, die mit der verschwunden Postkutsche unterwegs waren, wurde lediglich der Kutscher - alleine durch den Schnee irrend - wieder aufgefunden. Er erzählt eine unglaubliche Geschichte von Fenstern, die in eine andere Realität führen. Diese beinhalten angeblich teilweise bekannte Örtlichkeiten, doch zurechtfinden kann man dort nur schwer.
";Zwanzig Pence mit Umschlag und Weihnachtsgruß" besticht durch seinen ungewöhnlichen Aufbau und die zunächst mehr als rätselhaften Erignisse. Wie oft bei Pratchett muss der Leser erst nach und nach die abstrakt geschilderten Ereignisse und Erscheinungen bekannten Dingen zuordnen. Daraus entwickelt sich der skurrile, schalkhafte Humor, der durch den ernsten Ton der Geschichte noch verstärkt wird.
Im Schutz der Nacht schleichen sich Arion und Sava aus dem Schloss. Ihr Ziel ist der Schlossgarten, in dem ein Elbenstern wachsen soll. Diese unscheinbaren Gewächse können zu Blühen gebracht werden, ";wo immer ein Mensch ihnen ein Licht entzündet und des toten Königs gedenkt".
Mit einem Blick auf stimmungsvolle Kleinigkeiten und mit Gespür für gute Dialoge beschreibt Daniela Knor in ";Mittwinternacht" eine schöne Episode aus der Kindheit ihrer bekannten Helden Arion und Sava (aus ";Nachtreiter"). Einziges Manko ist die - aus meiner Sicht - relative Belanglosigkeit der Geschichte.
Mehr schlecht als recht verdingt sich der Große Raganrick als Illusionist vor seinem fast nicht vorhandenen Publikum. Doch er zieht ungeahnte Aufmerksamkeit aus einer Richtung auf sich, die er nicht erwartet hätte.
Michael Peinkofers ";Das Geschenk" zerfällt in zwei Teile. Der erste Teil, der die enttäuschende Zaubershow beschreibt, kommt pointiert und mit leisem, unaufdringlichem Humor daher. Im zweiten Teil möchte sich die Geschichte aufschwingen zu etwas Großem, was sie dann nicht mehr einhalten kann. Schade, denn das hätte der Autor nach dem gelungenen ersten Teil gar nicht nötig gehabt.
Die kleine Leonie versteckt sich in dem ansonsten menschenleeren Haus vor einem Einbrecher. Doch irgendwann muss sie sich zu erkennen geben.
In dem kleinen Kammerspiel ";Horch, was kommt von draußen rein" verschiebt Michael Plischke geschickt den Status Quo der Figuren. Leider ist das Finale für den erfahrenen Horror-Fan nicht wirklich überraschend.
Wie jedes Jahr muss der Großvater seinen Enkeln erzählen, warum das Lichterfest gefeiert wird und wie jedes Jahr berichtet er bereitwillig von den Erlebnissen des jungen Diebs Ivo, der bei dem reichen Hr. Calamitas einbricht, um Geld für die Arztbehandlung seiner Schwester zu stehlen. Doch was er in Calamitas Laden entdeckt, hätte er nie für möglich gehalten.
";Meister Calamitas' erstaunliche Kuriositäten" entwickelt sich vom warmherzigen Beginn an zu einer kleinen, abenteuerlich-atmosphärischen Weihnachtsgeschichte, die keine Wünsche offenlässt. Geschickt und bescheiden verpackt in eine unaufdringliche Rahmenhandlung.
Der Spaziergänger irrt scheinbar ziellos in der mallorcanischen Hafenstadt umher. Getrieben von Halluzinationen (oder Erinnerungen) findet er schließlich den Weg nach Hause.
";Vierundzwanzig Hahnenschreie" überzeugt mehr durch seine Atmosphäre denn durch die Handlung. Charlotte Kerner lässt den Spaziergänger halluzinierend durch die Handlung treiben. Dabei nimmt er unterschiedlichste Eindrücke auf, die sich in scheinbar sinnlosen Begebenheiten neu ordnen. Mir persönlich gefällt dieser Beitrag sehr gut, obwohl sich dessen Sinn (sofern vorhanden) auch mir nicht erschlossen hat.
Weihnachtsabend bei Dämons. Doch bevor die Geschenke geöffnet werden dürfen, muss zunächst ";Das Ritual" vollzogen werden. Aus der gedrückten Stimmung ihre Eltern ahnt die kleine Vara, dass es dieses Jahr sie treffen wird.
Florian Straubs Beitrag kommt nur leidlich unterhaltend daher. Die Idee, alljährliche menschliche Weihnachtsdialoge einfach von Dämonen sprechen zu lassen, reicht leider nicht. Der Leser wird hier in ein absolut fremdes Umfeld geschubst und hat keine Möglichkeit, sich zurechtzufinden, bevor die Geschichte schon wieder beendet ist.
Zu seiner Geburt bekommt Santa Claus einen Zaubersack überreicht, aus dem man sich herausholen konnte, was man sich wünscht. Doch als er damit durch die Lande zieht, um den Menschen ihre Wünsch zu erfüllen, nehmen ihn die Römer gefangen und kreuzigen ihn. Jesus stahl den Sack aus Santas Grab, brachte ihn nach Rom und legte so den Grundstein für das Geschenkeholen an Weihnachten.
Mit typisch britischem Humor schafft Ian Watson mit ";Wenn Jesus durch den Kamin kommt" die Verbindung zwischen Santa Claus und Jesus. Phantasievoll, schräg und ketzerisch bürstet der Autor die Weihnachtsgeschichte(n) gegen den Strich.
Best-of-Piper mit irreführendem Titel
Zusätzlich zu den alljährlichen Best-of-Alben leidlich bekannter Künstler beschert uns die Serie Piper zu Weihnachten 2008 die Kurzgeschichtensammlungen ";Das Fest der Vampire" und ";Das Fest der Zwerge". Dabei handelt es sich tatsächlich um eine Art ";Best-of-Piper", haben viele der Autoren doch Veröffentlichungen bei Piper vorzuweisen. Der Titel und das Coverbild (zumindest von ";Vampire") ist mehr als irreführend, tauchen doch in lediglich zwei der 15 Beiträge tatsächlich Vampire auf.
Durchaus gelungene und überraschende Geschichten, wie ";Mr. Coldicutts Party", ";Von draußen", ";Blüten", ";Karpfen im Netz" und ";Meister Calamitas' erstaunliche Kuriositäten" wechseln sich ab mit verzichtbaren Beiträgen (";Lang lebe die Königin", ";Schneeschuhe", ";Das Ritual") und solchen, die ich in die Kategorie Pflicht oder Auftragsarbeit zählen möchte (";Das Experiment", ";Das Geschenk", ";Mittwinternacht").
Diese qualitativ uneinheitliche Mischung tut der Sammlung nicht gut. Die innerhalb der Phantastik bestehenden Genregrenzen wurden gänzlich ignoriert. Fantasystories, ernsthaft und lustig, wechseln sich ab mit blutigen und teils skurrilen Horrorgeschichten. Das mag für machen Entdecker reizvoll sein, überwiegend dürfte aber keine Klientel vollständig vom ";Fest der Vampire" überzeugt sein.
Manch Kaufanreiz wird sicherlich durch die prominente Platzierung der ebenfalls prominenten Autorennamen auf dem Cover gegeben (leider direkt über die Beine der sexy Vampirin ";gestempelt") und auch dadurch, dass es sich bei einigen Beiträgen um bisher unerzählte Geschichten mit bekannten Figuren handelt (";Das Experiment", ";Mittwinternacht"). Positiv zu vermerken ist, neben dem überraschend günstigen Preis von 7,- Euro, dass immerhin 13 der 15 Beiträge Erstveröffentlichungen sind.
Diverse Horror, Piper
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