Die Kinder des Saturn
- Heyne
- Erschienen: Januar 2009
- 1
Arbeitlose Sexbots
Römische Mythologie, Shakespeares Komödien und der Archetypus englischer Kammerdiener: Für seinen aktuellen Roman spannt Charles Stross den Referenzbogen über 2000 Jahre westlicher Kulturgeschichte. Doch die Figuren, um die es geht, sind keine Menschen. Es sind Roboter, die zwar ihre Schöpfer überlebt haben, jedoch mit höchst menschlichen Eigenschaften ausgestattet sind. Unter anderem sexuelles Verlangen.
Wer von Stross´ erotischen Vexierspielchen, wie er sie auch in "Glashaus" genüsslich ausgearbeitet hat, nicht genug bekommen kann, wird mit "Die Kinder des Saturn" seinen Spaß haben. Denn im Mittelpunkt der furiosen Handlung steht Freya Nakamichi-47, ein weiblicher Sex-Roboter. Sie ist mit allem ausgestattet, was einen männlichen heterosexuellen Menschen befriedigen kann und verfügt außerdem über derart verlegte Schaltkreise, dass sie schon beim bloßen Anblick eines solchen in äußerste Erregung gerät. Freya ist allerdings genau wie ihre Schwestermodelle arbeitslos, denn die Menschheit ist vor zweihundert Jahren ausgestorben.
Doch vor ihrer ihrer eigenen Vernichtung und der allen biologischen Lebens auf der Erde hat sich die Menschheit ein Heer von intelligenten Dienstrobotern geschaffen. Diese wiederum führen eine posthumane Gesellschaft fort, die mindestens ebenso von Geld und Macht geprägt ist, wie die ihrer seligen Schöpfer. Und damit diese ihnen die selbstbestimmte Existenz nicht wieder streitig machen (es gelten Asimovs Robotergesetze), sorgt die so genannte "Pink Goo Police" dafür, dass tierisch-menschliches Leben nicht wieder ensteht.
Freya nun zieht ziel- und joblos durch das Sonnensystem, bis sie von der Jeeves Co., einem diskreten Dienstleistungsunternehmen einen interplanetaren Kurierauftrag annimmt. Dieser ist zwar gut bezahlt, doch Frey merkt schnell, dass es hier Risiko und Entlohnung in keinem gesunden Verhältnis stehen. Während ihrer Mission verliebt sie sich nicht nur in Petruchio, einen sehr menschlich-männlich wirkenden Roboter, sie trifft auch auf ihre "Schwester" Kate. Diese heißt eigentlich Juliette und spielt eine gewichtige Rolle in der Verschwörung rund um das Kuriergut.
Brillant und voller Anspielungen
Dieser Roman hätte einen kompletten Systemabsturz hinlegen können: Sexroboter, Shakespeare und eine komplexe Handlung unter einen Hut zu kriegen, erfordert schon einiges an Können. Charles Stross verfügt zweifellos darüber. Er schafft es, mit einer pikanten Ausgangssituation, exzellentem Weltenbau und einem straff gespannten Handlungsfaden bis auf kleine Infodump-Aussetzer brillant zu unterhalten.
"Die Kinder des Saturn" widmet der Schotte den "Giganten der Science Fiction" Robert Heinlein und Isaac Asimov, was den Ausgangspunkt der zahlreichen Andeutungen bildet. Muss man als SF-Fan nicht lange überlegen, dass Asimov und seine Robotergesetze ein Leitmotiv darstellen, so braucht es für den Heinlein-Bezug schon ein wenig Recherche und Wissen um nordische Mythologie. Es lohnt sich, beim Lesen zwei Fenster mit Google und Wikipedia Wikipedia offen zu haben, denn die Bedeutungen von Saturn, Jeeves, Petruchio und Nakamichi steigern den Lesegenuss nochmals.
Charles Stross, Heyne
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