Schatten über der Ostsee
"In der Ferne sah ich eine schwarze Gestalt. Sie bewegte sich in der Nähe der Wasserlinie und wirkte leicht orientierungslos in ihrem wankenden und dennoch wie in Zeitlupe tastenden Gang. Ein wenig erinnerte sie mich an ein riesiges, blindes Insekt, das sich behutsam vorwärts bewegte." (Frische Brise)
Hier ist er also endlich, der langerwartete Band 1 der Edition Arkham aus dem Hause Basilisk. Uwe Voehl gelingt mit ";Totenmeer" eine dichte Novelle, die mit lovecraftschen Archetypen aufwartet, diese allerdings glaubhaft in einen eigenen Kontext setzt. Der einzelgängerische Held in einer fremden Umgebung, die nach und nach ihre mythendurchtränkte Historie preisgibt. Der rationalen Neugier, das Leben seines Vaters betreffend, steht die zunehmende Inanspruchnahme Dennis Sturms durch unerklärliche Ereignisse in seiner neuen Nachbarschaft gegenüber.
Unschwer läßt sich ";Totenmeer" als Voehlsche Version von Lovecrafts ";Schatten über Innsmouth" erkennen, versetzt mit Motiven aus ";Träume im Hexenhaus". Dass dabei keine bloße Nacherzählung entstanden ist, ist dem unbestreitbaren Können des Autors zu verdanken. Dieser hat seiner Hauptfigur (und dessen Vater) einen originellen und - im Kontext der Geschichte - schlüssigen Hintergrund verpasst. Außerdem bringt Uwe Voehl genügend eigene Ideen ein, um den Vorwurf, ein plumpes Plagiat verfasst zu haben, nicht aufkommen zu lassen.
Gegen Ende beschleunigt Uwe Voehl das Tempo seiner Novelle und es wirkt leider, als wolle er endlich zum Schluss kommen. Das Finale kommt demenstprechend überhastet und nicht alle Aspekte der gewissenhaft aufgebauten Story werden zu einem befriedigenden Ende gebracht. Trotzdem bleibt Totenmeer unbedingt lesenswert und für Lovecraft-Fans sowieso ein Muss.
Unterteilt ist Totenmeer in 13 Kapitel, die - korrespondierend zur Handlung - nach den sich steigernden Windstärken benannt sind (inkl. Windstärke 0 = Windstille)
Das Äußere des Buches besticht durch die meisterhafte Arbeit von Mark Freier, der in seinem Bild ein riesiges, krakenhaftes Wesen inmitten einer sturmgepeitschten, nächtlichen Wasserlandschaft andeutet. Zusätzlich wird die Erzählung durch Innenillustrationen von Thomas Franke unterstützt. Diese wären auf den ersten, beiläufigen Blick für gemeine Kupfer- oder Holzstiche zu halten. Bei genauerem Hinsehen erkennt man aber darin unvereinbare Teile organischer und technischer Art, oft noch größenverfremdet, die in einen - nur zu erahnenden - Zusammenhang gestellt werden. Etwa wie eine altertümliche Version von H.R. Gigers Schöpfungen. Uwe Voehl schafft es sogar, die Person Thomas Franke (als Thomas Franck) samt seiner Bilder in die Geschichte zu übernehmen.
";Totenmeer" ist in einer Auflage von 99 Stück erschienen, die lange vor der tatsächlichen Verfügbarkeit per Vorbestellungen ausverkauft waren. Der Basilisk-Verlag hat sich hier nicht nur auf seine eigene Website verlassen, sondern den Roman über ein Jahr vor Erscheinen bei ebay angeboten. Für den Verleger ein nachvollziehbarer Schritt, hat er doch auf diese Weise schon genügend ";Abnahmeverpflichtungen" für das unveröffentlichte Werk in der Tasche. Die Kombination Uwe Voehl / Cthulhu / Lovecraft hat auch offensichtlich genügend Interessenten hier ";blind" zugreifen lassen. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Bezahlt werden musste natürlich erst nach Erhalt des Buches. Als Dankeschön an die Vorbesteller ist dem Buch eine Autogrammkarte mit den Unterschriften von Uwe Voehl und Mark Freier (Titelbild) beigelegt. Diese Rarität wird in Sammlerkreisen wohl nur noch zu horrenden Preisen zu erstehen sein.
Uwe Voehl, Basilisk
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