Hölle

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2008
  • 10
Hölle
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Verena Wolf
84°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2008

Willkommen im Zirkus des Grauens

Hand aufs Herz, wer mag wirklich Clowns? Ihre groteske, surreale Art ist unheimlich und das Gegenteil von lustig. Will Elliott beweist genau das überzeugend in seinem Debüt ";Hölle". Den Namen des Romans, der im Original weit bescheidener ";The Pilo Family Circus" heißt, sollte man sich merken. Elliott hat in seiner Heimat Australien dafür den anerkannten ABC Fiction Award und noch einige Preise mehr eingeheimst und gleichzeitig einen aufrechten, waschechten Horror-Roman geschaffen.

Slapstick und Brutalität

Eines Nachts auf dem Rückweg von seinem Studentenjob überfährt Jamie beinahe einen Clown, der plötzlich mitten auf der Straße auftaucht. Am nächsten Abend sieht Jamie gleich drei der absurden Gestalten, einer von ihnen lässt einen kleinen Beutel mit Kristallen fallen, den Jamie mitnimmt. Damit beginnt das Unglück. Die Clowns verfolgen ihn, verwüsten seine WG und geben ihm zwei Tage ";um sie zum Lachen zu bringen". Sonst bringen sie ihn um! Das sitzt. Als Jamie die Prüfung der Clowns besteht, verschleppen sie ihn prompt in den Pilo Circus, der jenseits unserer Welt gastiert, in direkter Nachbarschaft zur Hölle. Dort soll Jamie zu einem der ihren werden, aber das ist alles andere als harmlos.

Dass Clowns schrecklich sein können weiß man spätestens seit dem ";Joker" des Batman-Universums und Stephen Kings Pennywise aus ";Es". Aber Jamie bekommt es gleich mit einer ganzen Truppe furchterregender Clowns zu tun. Gonko ist der Anführer der Clownbande, sadistisch und verschlagen. Goshy der Clown ist vollkommen wahnsinnig und verliebt in einen Farn. Seine einzige Gefühlsregung ist ein ohrenbetäubendes Pfeifen wie das eines Teekessels. Sein sehr um ihn besorgter, ewig quengelnder Bruder Dopy ist jung, unberechenbar, aber nicht weniger gefährlich und der alte Clown Winston verfolgt undurchschaubar seine ganz eigenen Pläne. Sie alle sind vor allem eins: mörderische Psychopathen. Und Jamie wird der schlimmste von ihnen.

Der Kampf gegen sich selbst

Im Zirkus, der nicht von dieser Welt ist, herrscht das Gesetz des Stärkeren. Mord und Totschlag, Gewalt und Verrat sind allgegenwärtig. Ziel ist es mit jeder skurrilen Show den Zuschauern, die durch geheime Tore hierher gelockt werden, ihre Seele zu nehmen. Die Vorführungen sind furchterregend, der Alltag erschreckend. Die Zirkusratten, Zigeuner, die ihr klägliches Dasein im Dienst der Künstler fristen, werden als Zeitvertreib bestialisch ermordet, die Akrobaten und die Clowns führen Vendetta-ähnliche Kriege, die beiden Zirkusdirektoren George und Kurt planen täglich Anschläge aufeinander, jeder ist sich selbst der Nächste.

Jamie wird schnell Teil des Ganzen. Denn sobald er die Schminke der Hölle aufträgt, verwandelt sich der freundliche, recht introvertierte Student in den Clown JJ, der mit seiner weinerlichen, tief greifend bösen Art seine Kollegen glatt in den Schatten stellt. Er möchte morden und er möchte, dass Jamie stirbt! Besonders die zweite Hälfte des Buches besteht aus dem Kampf von Jamie gegen sein böses Ich. Jamie muss nicht nur damit leben, was seine sadistische Seite JJ plant und tut, sobald er die Oberhand hat, er muss irgendwie einen Weg finden, JJ zu besiegen, wenn er jemals den Zirkus verlassen will.

Schwarzer Humor und Kurioses ist eingeflochten

Trotz der gewalttätigen und düsteren Grundstimmung, Elliotts Werk hat humoristische Züge. Der Zauberer darf nur den Kaninchen-Trick aufführen und explodiert deswegen wörtlich, die Wahrsagerin spioniert allen mit ihrer Kristallkugel nach, der Direktor Kurt hat einen Religions-Tick und freut sich daher über das Geburtstagsgeschenk ";verschleppter Priester", der Weg in die Realität führt durch Dixi-Klos und ein Clown will einen Farn ehelichen: Die groteske Welt des Zirkus ist voller irrsinniger Ideen. Es ist ein schmaler Grad des Makabren, auf dem Elliott wandelt und den er immer wieder absichtlich Richtung blanken Horror durchbricht. Das Lachen bleibt einem im Hals stecken.

Das Buch mag man nicht, es ist das Gegenteil von ";liebenswürdig", es stößt sogar ab, trotzdem hat es eine unterschwellig humoreske Note und man liest weiter, fasziniert und neugierig, was für kranke Ideen die Protagonisten als nächstes ausbrüten. Der Zirkus gehorcht seinen eigenen düsteren Gesetzen und so absurd es zuerst wirkt, darin ist das Buch stringent und die Handlung logisch.

Die Welt wird nur bruchstückhaft erklärt. Man wüsste gern mehr über die Vergangenheit des Zirkus, und wie er entstand, mehr über die Wesen hinter den Zirkusdirektoren. Aber kaum ein Horror-Autor macht sich die Mühe wie versierte SF-Autoren, die Welt und Situation logisch herzuleiten. Hauptsache der Effekt stimmt. Das ist bei ";Hölle" nicht anders. Der Leser muss sich mit dünnen Informationen zufrieden geben.

Gut gelöst ist das Ende, die Leere der Amnesie, mit der Jamie sich in seiner Wirklichkeit wiederfindet, in der die Traumata als unscharfe Alpträume wiederkommen, die er nicht fähig ist einzuordnen oder nur zu greifen, erscheint schlimmer als der gesamte Zirkus. Gut die Kurve gekriegt.

Hölle

Will Elliott, Piper

Hölle

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