Principia
- Manhattan
- Erschienen: Januar 2008
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Detailgetreue Reise in die Vergangenheit
Mit ";Principia" endet der Barock-Zyklus, das Mammutwerk von über 3200 Seiten des Kultautors Neal Stephenson, der mit visionären Werken wie ";Snowcrash" bekannt wurde. Wie die Vorgänger ";Quicksilver" und ";Confusion", mit denen es zusammen den Barockzyklus bildet, ist ";Principia" ein historischer Roman, allerdings kann man es auch im wörtlichen Sinn als ";Science Fiction" bezeichnen, denn genau darum geht es: es ist ein fiktionales Werk - wenn auch sehr an die historischen Begebenheiten und ";echte" Charaktere angelehnt -, das sich mit den historischen Wurzeln unserer heutigen Wissenschaft beschäftigt. Es bildet sich im Barock eine neue Weltsicht, eine neue ";Ordnung" heraus, die die Prinzipien für unsere heutige Sicht der Medizin, Mathematik, Wissenschaft, Religion und Wirtschaft legt. Darum - mit Schwerpunkt auf Bank- und Geldwesen - geht es in ";Principia".
Die Geschichte der Wissenschaft
Es ist das Jahr 1714. Als alter Knabe kehrt der Gelehrte Daniel Waterhouse - bekannt aus den anderen Büchern, wenn auch nicht aus der Weltgeschichte - nach England zurück. Zurück in der Heimat bekommt er gleich einiges zu tun. Die Zeiten sind unruhig, die Erbfolge der englischen Krone ist ungeklärt, die Whigs und die Tories sind sich spinnefeind und Waterhouse stolpert mitten hinein in einen Mordanschlag. Außerdem soll und will Waterhouse den ewigen Streit zwischen den genialen Gelehrten Leibniz und Newton schlichten. Newton leitet die staatliche Prägeanstalt, die ";Münze", durch die die moderne Geldwirtschaft des Reiches erst überhaupt möglich wird. Der König der Vagabunden, der schillernde ";Jack Shaftoe" will genau diese jedoch durch einen Anschlag vernichten. Allerdings tut er dies nicht aus eigenem Antrieb, sondern auf Geheiß des französischen Königs Ludwig den XIV., denn der setzt Eliza als Druckmittel ein.
Die Hauptcharaktere Waterhouse, Shaftoe und Eliza dienen dazu, die eigentliche Geschichte, nämlich die genaue Beschreibung der Zeit, des Umbruchs und der Ideen, die sich Anfang des 18. Jahrhunderts bildeten, aufzublättern. Eine ganze Epoche erwacht so in den Seiten zum Leben und man lernt unglaublich viel über die damalige Zeit, die die Basis für viele ";moderne" Entwicklungen waren, den Zwistreit zwischen Philosophie, Religion und Wissenschaft und deren Gemeinsamkeiten. Es gibt äußerst amüsante Episoden, zum Beispiel, wie wenn der Zar ";seinen" Vulkan ausbrechen lässt, wie der erkrankte Waterhouse aus der Not zum passionierten Zeitungsleser wird oder eine halbe Phosphorfabrik durch einen übereilten Schuss in die Luft fliegt. Alles ist äußerst sorgfältig recherchiert und bis ins kleinste Detail genau und liebevoll ausgeschmückt. Man fragt sich beim Lesen, wie Stephenson dieses Werk gestemmt hat, gerade weil er alles per Hand schrieb. Es kann nicht schaden, wenn man sich in der Zeit des Barock schon ein wenig auskennt und die vielen erwähnten Persönlichkeiten und Ereignisse bereits einordnen kann, ansonsten hilft ein vernünftiges Geschichtsbuch oder Wikipedia.
Ein wenig blutleer
Klar, das Buch ist keine leichte Urlaubslektüre für Groschenromanleser. Es ist ein Werk! Man sollte Konzentration und Liebe für historische Romane oder Geschichte an sich mitbringen. Die Handlungsstränge, auch die, die in den vorherigen Büchern aufgeworfen wurden, werden jetzt zusammengefügt und zu einem vernünftigen schönen Ende gebracht. Alles sehr gekonnt, keine Frage. Allerdings tut es ";Principia" nicht gut, dass Stephenson den sympathischen, aber nicht mitreißenden Charakter Waterhouse als zentrale Figur gewählt hat. Wie Waterhouse selbst wirkt dadurch der Erzählstil gebildet, aber auch gesetzt und langsam. Zu langsam. Die Handlung schleppt sich oft wortreich dahin, die Beschreibungen sind ausufernd, die Dialoge insgesamt - auch die zwischen Leipniz und Newton - zu langatmig und die Handlung als Gerüst dafür oft zu dünn. Vielleicht wollte Stephenson auch so die Stimmung der Zeit nachzeichnen, aber so wurde zu oft aus einer Geschichte eine Geschichtsstunde, die die früheren Abenteuer von Jack und Eliza schmerzlich missen lässt. Fazit: wer die anderen zwei Bände und das Thema liebt, reinlesen, aber eingefleischte SF- und Fantasyfans werden es zäh finden.
Neal Stephenson, Manhattan
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