Der schmale Grat zwischen Parodie und Exploitation
Ein durchschnittlicher Sommer in den frühen 60ern beschert den drei Jugendlichen Dwight, Rusty und Slim (die eigentlich Frances heißt, sich aber nach ihrer jeweiligen literarischen Lieblingsfigur benennt - der originellste und tiefgründigste Einfall des Romans.) ein spannendes Erlebnis: eine fahrende Vampirshow kommt in den kleinen Ort Grandville, genauer gesagt auf die Janks-Lichtung am Ortsrand, benannt nach einem lokalen Serienkiller. Valeria, die schönste Vampirin dies- und jenseits Transsylvaniens liefert sich beißwütige Kämpfe mit interessierten Zuschauern. Was als harmlose Wette beginnt: ";Ist sie wirklich ein Vampir und gutaussehend noch dazu?" entwickelt sich für die drei 16-jährigen zu einem Ausflug ins Grauen mit ungeahnten Folgen. Zusammen mit Dwights erwachsener Schwägerin Lee - immerhin ist die kleine Show nicht jugendfrei - landen sie zum Finale in einer Orgie der Gewalt. Aber ein guter amerikanischer W.A.S.P. kennt sich damit natürlich aus.
Bevor es jedoch zum Showdown kommt, begleiten wir die drei Jugendlichen durch einen durchschnittlichen Ferientag, der mit Rasenmähen beginnt, beim Wäschewaschen nicht endet und zwischendurch kleine Rückblenden in die jüngere Vergangenheit bietet. Ein Vergangenheit, die mit horriblen Geschehnissen gespickt ist. Amerikanische Kleinstädte scheinen ein gefährliches Pflaster zu sein - von den örtlichen Halbstarken abgesehen, wird an allen Ecken und Enden Inzest betrieben, taubstumme Serienkiller braten Kleinmädchenherzen (und dürfen sich von Pfadfindern ertappen lassen), schwarze Cadillacs mit mysteriösen Insassen durchkämmen die Gegend und zu guter Letzt gibt es noch Vampiralarm. Für Abwechslung ist also gesorgt im lieblichen Grandville. Das die meisten Erwachsenen gerade verhindert sind (durch Unfälle, Dates, Geschäftsreisen oder schlichtes Daheimbleiben), wenn die schlimmsten Alpträume wahr werden, macht es unseren erregten Teens leicht, einen Ferientag zwischen Lust und Grauen angemessen zu verleben.
Die Vorbilder werden krude verwurstet
Was Richard Laymon mit der reisenden Vampirshow abliefert, ist eine Trashgranate erster Güte. Zusammengeklaut an allen Ecken und Enden; von Stephen Kings ";Stand By Me" (Die Leiche) und ";Cujo", über Philip Ridleys Film ";Reflecting Skin" (Schrei in der Stille), Jack Ketchums ";Off Beat" (Beutezeit), bis hin zur exzessiven Dixieklo-Variante des Ray Bradbury-Klassikers ";Something Wicked This Way Comes" (Das Böse kommt auf leisen Sohlen), Laymon lässt kein (besseres) Vorbild aus, um es krude zu verwursten. Der Splatterfaktor ist bis zum pfeilfliegenden Finale recht dezent, anderweitig neigt Laymon zum Schwadronieren, besonders bezüglich seiner Vorliebe für kleine pubertäre Schweinigeleien kennt er kein Maß. Mag sein, dass das in den puritanischen Gebieten der USA und anderswo für marginales Aufsehen sorgt, doch besonders provokant ist die x-te pralle Brust in einer Bluse, deren oberste Knöpfe offen stehen, nicht. Das für den dauererregierten Erzähler Dwight die sexuelle Komponente dieser Sommerferien mehr zählt, als Dutzende von Toten am Wegesrand, ist nur mit viel gutem Willen nachvollziehbar, dass 13-jährige Mädchen 1963 ohne Unterwäsche in dünnen Sommerkleidchen durch die Gegend streifen, um ihren Angebeten scharf zu machen, ist hingegen genauso abwegig, wie die Vorstellung, dass sich unbescholtene Jugendliche und Erwachsene unvermittelt in gnadenlose und effektive Killer verwandeln. Stellt am Anfang ein aggressiver Hund noch eine üble Falle für unsere drei Helden dar, die sie seitenlang gefangen hält, geht das muntere multiple Abschlachten von Bösewichtern am Ende schon leichter von der Hand. Immerhin sei man als juveniler Durchschnittsamerikaner im Umgang mit Waffen ja geübt, begründet Laymon lapidar.
Glaubwürdigkeit und Logik sind eindeutig nicht Richard Laymons Stärken, Originalität gehört auch nicht dazu und rund 400 Seiten Vorspann zum hundertseitigen Kern der Erzählung zu schreiben, zeugt nicht gerade von erzählerischer Ökonomie. Das sämtliche Spannungsbögen, die dem Monströsen geschuldet wären, aufgrund ihrer lieblosen Kurzatmigkeit sinnlos verpuffen, Laymon zudem nicht in der Lage ist (oder es schlicht nicht will), tiefergehende Emotionen auch nur ansatzweise literarisch zu erfassen, macht ";Die Show" nicht gerade zu einem nachhaltigen Leseabenteuer. Warum also kein Totalverriss, zu dem man sich durchaus hinreißen lassen könnte? Weil Laymon derart unbedarft auf dem schmalen Grat zwischen Parodie und Exploitation wandelt, er die abstrusesten Inhalte als kleine Späßeken am Rande verkauft, und so das Lesen in der richtigen Stimmung, auf altertümliche "Heute schauen wir uns im Bahnhofskino Unter dem Dirndl wird gejodelt"-Weise an, ziemlich vergnüglich ist. Machen wir uns nichts vor: letztlich geht es Laymon nur darum, am Ende nackte, dralle Frauenkörper in Käfigen zur Schau zu stellen. Das gelingt ihm auch in der Show wieder. Aus dieser Obsession mehrere umfangreiche Wälzer zu basteln, kann eigentlich nur entsetztes Kopfschütteln erzeugen, oder einen unterleibsorientierten Respekt, der diese Chuzpe anerkennend zur Kenntnis nimmt. Da ";Die Show" (fast) ohne die faschistoiden und pädophilen Vergewaltigungsphantasien auskommt, die das Lesen der ";Insel" so unerquicklich machten, fällt die Entscheidung zu letzterem diesmal relativ leicht. Dass ";Die Show" allerdings mit dem ";Bram Stoker Award" einen (wie auch immer gewichteten) literarischen Preis gewonnen hat, erstaunt doch etwas. Dass die Hersteller spermaentfernender Fleckenmittel lobende Worte äußerten, wenn es sie denn gäbe, schon weniger.
Richard Laymon, Heyne
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