Mehr als einer der austauschbaren Völkerromane
Vor Jahrhunderten hat der letzte der großen Magier die Dämonen in den Schlund gebannt. Seitdem leben die Menschen in Frieden miteinander. Neun Provinzen umfasst das Reich Orison, mit einem König an der Spitze. Als der alte Monarch auf einer fettigen Soße ausrutscht, und über den Balkon zu Tode stürzt übernimmt sein unreifer, unsicherer Sohn die Herrschaftsbürde, die eigentlich keine ist. Ein funktionierender Beamtenapparat, Wohlstand in allen Provinzen und fähige Verwalter, das Königreich ist ein Selbstläufer.
Eines Tages setzt sich der junge König in den Kopf, den Schlund zu besichtigen. Am Strudel, in dem die Dämonen gefangen sind, angekommen, opfert er diesen aus einer Laune heraus seine beiden Ohrringe - ein Fehler, wie sich herausstellen wird. Die königlichen Preziosen dienen zwei der Dämonen als Mittel zur Flucht. Kaum an der Erdoberfläche angekommen, vereinbaren die beiden einen Friedenspakt. Jeder sucht sich einen Wirt und genießt die schönen Seiten des Lebens.
Während Gäus in den König fährt, besetzt Irathindur eine lebenslustige Baronin. Als Irathindur dann aber bemerkt, dass die Lebenskraft, die er zum Existieren benötigt, endlich ist, ja diese für zwei Dämonen nicht ausreicht, ist guter Rat teuer. Der Nichtangriffspakt lässt ein direktes Eingreifen nicht zu - kurzum krönt er sich selbst zur Königin. Der Jahrhunderte währende Status Quo ist passee, Geltungssucht, Machtdenken, Egoismus greifen um sich, Kriege brechen aus, die dünne zivilisatorische Tünche bröckelt all überall.
Aus Sicht eines der in den Dienst gepressten Soldaten, einem jungen Mann, der eigentlich nur studieren wollte, dann zum Boxchampion avancierte und später auf den unterschiedlichsten Seiten im Krieg dabei ist, wird das Geschehen in all seiner Idiotie und Widersinnigkeit dargestellt.
Tobias O. Meissner - ein Autor, der etwas auszusagen hat
"'Die Dämonen' sind ein Actionspektakel, das kein Fantasy-Leser je vergessen wird", so zumindest die reißerische Aussage der Marketing-Strategen im Klappentext.
Selten war eine Aussage so falsch, wie diese! Tobias O. Meissner hat mitnichten einen der üblichen bemüht lustigen Hau-Drauf Fantasy-Romane vorgelegt, die im Dutzend billiger jedes Jahr über uns hereinbrechen. Oh nein, Tobias Meissner ist sich dafür viel zu schade. Statt dessen hat er eine Parabel vorgelegt, die die Unsinnigkeit und den Wahnsinn des Krieges überdeutlich beißend portraitiert.
Natürlich gibt es Beschreibungen von Kämpfen und Schlachten, doch sind diese niemals Selbstzweck, sondern dienen immer dazu, den Krieg als letztlich perversen Selbstläufer zu entlarven.
Ist die zivilisatorische Tünche einmal ab, kommen unweigerlich die wahren Charaktere zum Vorschein. Psychopathen spielen sich zu despotischen Herrschern über Leben und Tod auf, verkorkste Verlierer erhalten plötzlich Macht über andere und nutzen diese weidlich, um sich selbst zu profilieren, um ihre Herrschafts- und Gewaltgelüste zu befriedigen.
Mit spitzer Feder, mit Gespür für Personen, die zunächst dem Gewohnten entsprechen, dann aber im Verlauf der Ereignisse immer mehr ins Surreale abgleiten, hat Meissner einen Roman vorgelegt, der nichts aber auch gar nichts mit den Völkerromanen in der Nachfolge Tolkiens gemein hat - und das ist gut so!
Statt dessen unterhält er, ähnlich wie in seinem Meisterwerk »Das Paradies der Schwerter« anspruchsvoll, tiefsinnig und packend. Das wird so manchem Gelegenheitsleser, der einen weiteres Zwergen- oder Ork-Abenteuer erwartet, nicht schmecken, dafür die Freunde anspruchvsollerer Fantasy abseits der ausgetretenen Pfade entzücken.
Tobias O. Meißner, Piper
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