Von Robotern beherrscht
- Ullstein
- Erschienen: Juli 1977
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Menschheit unter ‚genialem‘ Fremdeinfluss
Clifton Rudge, einst ein verheißungsvoller Physikstudent, ist in seinen Brotjob als Journalist unterfordert. Das Wissenschaftsressort gilt außerdem nicht als Flaggschiff ‚seiner‘ Zeitschrift. Aktuell soll Rudge den berühmten Professor Brownlow interviewen, der einen Bild- und Ton-Sender erfunden haben will, der ohne Gegenstation funktioniert.
Als der Reporter im Heim des Forschers erscheint, findet er den Professor erschossen vor. Der Täter ist noch anwesend, verfehlt Rudge und kann flüchten. Während die Polizei ermittelt, untersucht Rudge Brownlows Erfindung - und bekommt einen Schock: Man kann mit dem Gerät Ereignisse aus der Vergangenheit sichten! Das ist schon sensationell genug, doch außerdem enthüllt der Empfänger, dass die Führungseliten der Menschheit seit Jahrhunderten von Robotern gelenkt werden, die wie Menschen aussehen!
Diese ‚Wächter‘ sorgen dafür, dass die Erde einen bestimmten Entwicklungsstand nicht überschreitet. Vor allem dem Weltall sollen die Erdlinge fernbleiben! Deshalb haben die Roboter das britische Fernraumschiff ins Visier genommen, das in Australien startklar gemacht wird. Konstruiert wurde es vom ebenso genialen wie exzentrischen Sir Frederick Richmond, der einst Rudges Lehrer war.
Im Bund mit denjenigen Regierungseinrichtungen, die nicht außerirdisch unterwandert sind, versucht man die „Wächter“ auszuschalten. Doch diese spielen ihre technische Überlegenheit aus und können die Pläne ihrer Gegner immer wieder durchkreuzen. Rudge und Richmond geben nicht nach. Da Liz, die junge, schöne Nichte des Baronets, sich an dem Kampf beteiligt, ist der Reporter zusätzlich motiviert ...
Britannias Auge wacht!
Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg hielt sich Großbritannien noch für eine Weltmacht. Man konnte oder wollte nicht akzeptieren, das ab 1945 Staaten wie die USA, die Sowjetunion oder China das Inselreich, dessen Kolonien vor nicht langer Zeit einen Großteil des Globus’ bedeckt hatten, politisch und ökonomisch in die zweite Reihe abgerutscht war. Dies spiegelt sich im hier vorgestellten Roman wider, in dem Großbritannien völlig selbstverständlich an vorderster Front gegen die Roboter-Invasoren kämpft sowie im Alleingang ein fernflugtaugliches Raumschiff auf Kiel gelegt hat. Adlige und tatkräftige Politiker und Wissenschaftler - gern in Personalunion auftretend - sowie pflicht- und standesbewusste Polizisten u. a. Ordnungshüter reichen aus, um den Blechstrolchen in die Parade zu fahren!
„Von Robotern beherrscht“ ist das Paradebeispiel einer Science Fiction, die fern eines Qualitätsanspruchs entstand, der auf ‚literarischen Wert‘ abzielt. Möglichst kostengünstig sollten unterschwellig entlohnte Fließband-Autoren spannende Geschichten fabrizieren, die von hoffentlich vielen Lesern gekauft wurden! Heute sind diese Verfasser mehrheitlich vergessen, wofür viele zu Recht dankbar sein dürften. Manchmal versteckt sich hinter dem typischen Wust absurder Handlungen und krachender Stereotypen jedoch eine Geschichte, die noch heute die Lektüre lohnt. Hinzu kommt ein Nostalgie-Faktor, der buchstäblich vergolden kann, was einst nach Blech geklungen haben mag.
Hier liegt ein solcher Rohdiamant vor. Er ist klein, sein Glanz matt, aber er weigert sich hartnäckig, dem Zahn der Zeit zum Opfer zu fallen! Henry Kenneth Bulmer (1921-2005) war ein Vielschreiber, der jedoch erzählen konnte, auch wenn ihm selten die Zeit blieb, seine Werke zu schleifen. Auch „Von Robotern beherrscht“ ging von der Schreibmaschine direkt in die Druckerei.
Die Ruhe bewahren!
Für die Science Fiction britischer Prägung wurde der schöne Begriff „gemütliche Apokalypse“ geprägt. Er beschreibt eine Haltung, die auch den normalen Zeitgenossen dank der berühmten „steifen Oberlippe“ katastrophentauglich macht. Unabhängig davon, ob England im Meer versinkt, von Nazis, Untoten oder Außerirdischen überrannt wird: Die Insulaner behalten Haltung und Beherrschung! Sie stehen auf, klauben aus dem Schutt, was England ausmacht, und stellen sich bedächtig, aber unaufhaltsam der Herausforderung.
Nur unter dieser Prämisse ist es möglich, dass ein Do-It-Yourself-Genie - das selbstverständlich der Oberklasse angehört, sich aber volkstümlich gibt und den Premierminister als alten Eliteschulfreund „Stinky“ nennt - und ein Journalist nicht nur eine Verschwörung aufdecken, die diese Welt seit Äonen unter außerirdische Knute zwingt, sondern auch stets an entscheidender Stelle streiten. Wackere Briten wie ein bärbeißiger Polizist sowie natürlich eine schöne, junge Frau - diese Doppelung ist wichtig! - tragen ihren Teil dazu bei.
Auch sonst sorgt Bulmer für bizarr-allerliebste Einfälle; so lassen sich die perfekt maskierten Roboter dadurch entlarven, dass sie nicht rauchen (!) können. Also müssen nunmehr sämtliche Verteidiger im Dienst für das Vaterland Zigaretten, Zigarren und Pfeifen qualmen! Ebenfalls bemerkenswert (und womöglich ein absichtlicher Gag): Die Tatsache, dass Thriller-Superschurken sich stets die Zeit nehmen, ihre Kontrahenten ausgiebig über anstehende Lumpereien in Kenntnis zu setzen, liegt hier nach Auskunft des Chef-Roboters in einem ihm aufgeprägten „Gesetz“ begründet; es zwingt ihn, sich erst zu erklären, bevor er neugierige Mitwisser wie Rudge aus dem Weg räumen darf.
Immer für eine Überraschung gut
Wenn sich der Autor im Eifer des Gefechts in einer Ereignislücke verheddert, lässt er sich etwas einfallen, das keineswegs der Logik unterworfen sein muss. Wie verbirgt man seine Pläne vor Horchern, die jedes Kommunikationsgerät ‚anzapfen‘ können? Praktischerweise beschäftigt sich Clifton Rudge nach Feierabend mit dem Hobby der Gedankenleserei. In der Krise leuchtet die bisher nur kümmerlich ausgeprägte Fähigkeit in seinem Schädel auf. Siehe da, wunderbar ‚hören‘ kann ihn ‚zufällig‘ die junge/hübsche Liz, die nunmehr - obwohl Frau! - in den Kampf um die Selbstbestimmung der Menschheit eingreifen darf.
Dass der Zweite Weltkrieg noch den Zeitgeist prägt, belegt eine mehrfach aufgegriffene Episode: Der Blick in Professor Brownlows Wundermaschine enthüllt, wie einer der Robot-Wächter Adolf Hitler Anweisungen gibt! Der hat bekanntlich keine Außerirdischen benötigt, um ‚seinen‘ Teil der Erde in eine Hölle zu verwandeln, doch für Bulmer ist das Bild zu verlockend: Die reale Historie unterstreicht die menschenverachtenden Manipulationen der Roboter.
Die wirken bei nüchterner Betrachtung nicht so beeindruckend wie vom Verfasser beschworen. Da ist beispielsweise der unglaubliche Aufwand, der seit Jahrtausenden getrieben wird, um die Erdlinge zu manipulieren! Nie schlüssig geklärt wird auch die Frage, warum die Robot-Wächter bzw. ihre Herren eigentlich so nachdrücklich im Verborgenen wirken, wenn sie der Menschheit überlegen sind und sie dicht an der Kandare halten wollen. Wieso sie sich als menschliche Hilfskräfte ausgerechnet tumbe Gangster aus Londons eher kinotauglichen Unterwelt rekrutieren. Oder warum ... Aber lassen wir es gut sein und erkennen „“ Von Robotern beherrscht“ als wüstes, inhaltlich hin- und herpreschendes, gerade deshalb immer noch unterhaltsames Garn an.
Fazit:
Trivial-Science Fiction aus der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg und noch von diesem geprägt; die Standard-Handlung einer außerirdischen Invasion wird sehr eigenwillig bzw. britisch-„gemütlich“ dargestellt und lebt von absurden Einfällen: Trash der gelungenen Art.
Henry Kenneth Bulmer, Ullstein
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