Der 13. Engel
- Thienemann
- Erschienen: Januar 2008
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Das Mädchen ohne Magie
Stellen sie sich eine Welt vor, die der unsrigen zu Beginn des 19. Jahrhunderts gleicht. Die Gesellschaft ist in zwei Klassen unterteilt - die reichen Adeligen, die sich erster motorisierter Untersätze bedienen, und die armen Leute, die versuchen ihr karges Leben zu führen. Das Bild kommt uns bekannt vor, nur einen Unterschied gibt es. Jeder verfügt über die Gabe, Magie zu wirken. Ob es gilt, einen Teelöffel zu holen, oder den Tisch abzudecken, ein Wink mit dem Finger, und schon ist die anstehende Aufgabe erledigt.
Amy, die 11-jährige Heldin des Buches, ist die Einzige, die keinen Zauber wirken kann. Als Tochter eines Reporters, der schon oftmals ungeklärte Fälle auflösen und Verbrechen klären konnte, ist sie die Schande ihrer bösen Tante Hester. Als Dame von Welt verkehrt diese in den besten Kreisen und muss sich doch wirklich schämen, eine Nichte zu haben, an der Magie einfach abperlt. Im Verlauf der Nachforschungen, die Amys Vater wegen der verschwundenen dreizehn Engelsstatuen anstellt, wird dieser unerwartet wegen Hochverrats verhaftet. Amy kommt zu ihrer Tante Hester und findet in dem Gärtnerlehrling Finn einen Freund und Verbündeten.
Doch warum wurde ihr Vater wirklich verhaftet, wieso versucht ihre Tante sie offensichtlich im Haus festzuhalten? Bei ihren von Finn unterstützten Nachforschungen stößt Amy bald auf ein finsteres Komplott. Eine Gruppe Adliger, die von mächtigen Zauberern unterstützt wird, plant die Krönung des Prinzen Harry zum Staatsstreich zu nutzen. Amy, Finn und ein mysteriöser Gaukler versuchen den Geheimnissen auf den Grund zu gehen, und sich dem Staatsstreich entgegenzustellen. Bald schon merken sie, dass alles mit den verschwundenen Engelsstatuen zu tun hat, ein uralter Fluch wurde aufgehoben, Rache scheint das Gebot der Stunde ...
Bekannte Versatzstücke fügen sich zu einem aussagekräftigen Ganzen
Michael Borlik hat einen engagierten Text um solch hehre Werte wie Freundschaft, Verantwortungsgefühl und Liebe verfasst. In einer textlich der Zielgruppe - Kinder zwischen 10 und 12 Jahren - angepassten Sprache orientiert er sich bei seiner Weltenschöpfung sehr an Bekanntem. Das muss kein Nachteil sein, dennoch bleibt seine Welt seltsam unwirklich und nimmt kaum Gestalt an. Wir erfahren von einer mondänen Einkaufsstrasse, einer verwinkelten Bibliothek und den Slums des Hafenviertels, der Rest der Metropole bleibt uns unbekannt.
Stattdessen konzentriert sich der Autor auf seine wenigen Gestalten. Mit Amy und ihrem Freund Finn stellt er zwei jugendliche Helden so ganz nach dem Geschmack seines Publikums ins Zentrum des Geschehens. Jeder der Beiden hat seine Stärken und Schwächen, nur in ihrem Zusammenwirken können sie letztlich etwas bewegen. Dabei verbinden persönliche Verluste die Beiden. Finn, als Waisenjunge ohne Eltern aufgewachsen, hat es gelernt, sich in einer Welt, die ihm nichts schenkt, durchzubeißen. Nur selten hat er Freundlichkeit erfahren und war meist auf sich selbst gestellt. Ganz anders dagegen Amy. Zwar hat auch sie den frühen Tod ihrer Mutter zu beklagen, doch wächst sie, die Außenseiterin ohne magische Gaben, zumindest behütet bei ihrem sie liebenden Vater auf. Zeichnet Finn Bauernschläue und Gewieftheit aus, so schöpft Amy aus ihrer in ihr ruhenden Kraft und ist auch im Umgang mit ihren Feinden selbstbewusst, ohne ignorant zu wirken. Diese ambivalente Darstellung der beiden Figuren bietet jedem Leser die Möglichkeit, sich seinem Liebling anzuschließen und die Handlung aus dessen Sichtweise zu verfolgen.
Letztere hält für den erfahrenen Fantasy-Leser wenig wirklich Überraschendes bereit. Die verwandten Motive sind bekannt, fügen sich aber durch Borliks die Handlung unterfütternden Aussagen zu einem überzeugendem Ganzen.
Michael Borlik, Thienemann
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