Eine Hexe mit Geschmack

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2008
  • 3
Eine Hexe mit Geschmack
Eine Hexe mit Geschmack
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Carsten Kuhr
60°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2008

Die Mähr von der Hexe und dem keuschen Ritter

Mit dem letzten Atemzug seines vom Torso getrennten Kopfes sprach ein Zauberer den ultimativen Fluch über seinen Henker aus. Jedes sechste Kind seiner Familie solle, von jetzt bis in alle Ewigkeit das Licht meiden, solle hässlich sein, und sich auf immer nach frischem Menschenfleisch verzehren.

Als unsere namenlose Protagonistin als sechstes Kind einer angesehenen Familie geboren wird, erweist sich der Jahrhunderte alte Fluch als höchst aktuell. Um ihre Brust vor den scharfen Gebiss der Kleinen zu schützen, wird sie von ihrer Mutter mit rohem Fleisch gefüttert und in einem fensterlosen Keller vor den Augen der Öffentlichkeit versteckt. Nur gut, dass sich eine Hexe ihrer erbarmt. Die Grausige Edna kauft sie für ein paar Silberlinge ihrer Familie ab, und zieht sie als Lehrmädchen auf. Ein wenig zu hübsch ist sie für eine Hexe, ja auch Zauberer und ihre Todesflüche können fehlen, einen Namen hat sie auch nicht, aber ein wenig - nein, machen sie daraus viel - Dreck ins Gesicht geschmiert, alte zerrissene Lumpen und ein künstliches Humpeln und schon wird aus dem Liebreiz ewiger jugendlicher Sinnlichkeit eine gar schreckliche Hexe.

Als die Grausige Erna ermordet wird, erbt unsere Hexe von der schönen Gestalt nicht nur deren Intimus, die Dämonenente Molch, sondern auch Penelope, den lebendigen Hexenbesen. Zusammen machen sie sich auf, Rache für die Ermordung der Grausigen Edna zu üben.

Die Spur führt nach Fort Handfest. Hier hat der König die fünfhundert unfähigsten Soldaten des ganzen Reiches entsorgt, und ausgerechnet hier greift eine Goblinhorde an. Auch mit einer Hexe, einem dämonischen Wasservogel im Blutrausch, und einem weisen Troll allein besteht keine Aussicht, den Angriff abzuwehren.

Auftritt daher für den Helden. Wüst aus dem Westen, Verteidiger der Schwachen, Zerstörer des Schändlichen, eingeschworener Kämpfer des Anstands, anerkannter Feind des Bösen, vom Orden der weißen Ritter, der es sich auf seine Fahnen geschrieben hat, dem Wüten der Goblinhorde ein Ende zu bereiten, betritt die Bühne.

Dass sich unsere beiden so ungleichen Helden ineinander vergucken, das ist noch zu erwarten, schliesslich läuft unserer Hexe beim Anblick Wüsts förmlich das Wasser im Munde zusammen, dass aber eine Zauber-Inkarnation auf sie wartet, die die Realität selbst als Waffe gegen sie einsetzt, das bringt ihr Blut in Wallung....

Fantasy ist wenn man trotzdem lacht, oder die schwierige Aufgabe, einen lustigen Fantasy-Roman zu schreiben

A. Lee Martinez hat, seitdem er mit seinem Überraschungserfolg ";Diner des Grauens" debutierte, seine Fans auf der ganzen Welt mit etwas versorgt, was in der phantastischen Literatur selten ist - mit humorvollen Büchern. So erwartet den Leser auch diesmal ein Plot, der, zumindest in den ersten beiden Dritteln des Romans, lustig und kurzweilig unterhält.

Eine Hexe, die, um den Erwartungen zu entsprechen, ihre Schönheit hinter einer dreckigen Fassade verbirgt, ein Fluch, der missraten ist, und nicht zuletzt ein vorlauter Intimus, das sind die Bestandteile, aus denen der Autor seine zunächst recht spritzige Handlung zusammensetzt. Geschickt spielt er hierbei mit der Erwartungshaltung der Leser, überzeichnet gängige Versatzstücke modernen Fantasy-Epen und nimmt so manche menschliche Schwäche in Gestalt eines Trolls oder einer Kamikaze-Ente auf die Schippe. Das liest sich rund und flüssig und hat einiges an Unterhaltungswert zu bieten.

Im letzten Drittel des Romans aber stockt die Handlung plötzlich. Endlich haben unsere Helden ihren Widersacher ausgemacht, ist der grosse Show-Down in Reichweite, da driftet der Autor ins Philosophische ab. Nicht, dass ich etwas gegen Tiefgang einzuwenden hätte, doch Martinez verliert über seine philosophischen Ergüsse seine Handlung aus den Augen. Vorbei ist es mit Tempo und Spannung, absatzlange, trockene Überlegungen folgen, das langweilt und nervt.

Der Schluss ohne das erwartete Happy-End, aber auch ohne ein dickes Ende, lässt dann viele Fragen offen und fügt sich unauffällig in die letztlich nach dem überzeugendem Beginn enttäuschenden letzten Kapitel ein.

Eine Hexe mit Geschmack

A. Lee Martinez, Piper

Eine Hexe mit Geschmack

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