Die Luftschiffe des Zaren
- Blanvalet
- Erschienen: Januar 2008
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Wundervoller Mix aus Magie, Alchemie, Wissenschaft und Engeln
Anno 1722. Seit dem Untergang von London sind ein paar Jahre verstrichen. Der künstlich auf die englische Metropole gerichtete Komet hat ganz Südengland und große Teile des Französisch-Holländischen Gebietes dem Boden gleich gemacht. Städte, Strassen und nicht zuletzt die Menschen wurden vom Feuersturm überrascht und leben jetzt verelendet und verroht in wilden Stammeskulturen.
In drei alternierend erzählten Handlungssträngen berichtet uns der Autor weiter von seiner Welt nach dem Kometeneinschlag.
Die von ihren Mutterländern abgeschnittenen amerikanischen Kolonien entsenden eine Expedition, die den Grund für den gänzlichen Abbruch des Kontakts untersuchen soll. Diese treffen auf ein Europa, das mit dem früheren Mutterland kaum mehr etwas gemein hat. England gibt es de facto nicht mehr. Spanische Truppen dringen von Westen ins ehemalige Frankreich ein und liefern sich verlustreiche Gefechte und Schlachten mit den Truppen des Zaren, der schon bis Holland vorgedrungen ist. Im Norden sucht der Schwedische König sein Reich vor dem übermächtigen Bären zu sichern. Die Türken haben Wien genommen, einzig Prag kann sich, aufgrund der magischen Hilfe von Isaac Newton und seines Lehrlings Ben Franklin noch halten. Doch dann raubt Ben im Auftrag seines Meisters einem alten Rabbi ein hebräisches Buch - und der Geist des Golem macht sich auf die Jagd nach dem Dieb.
Währenddessen fliehen Adrienne und ihre Freundin Crecy durch ein Land, das der Bürgerkrieg fest in seiner Gewalt hat. Dabei offenbart sich Crecy als Malakim und auch Adrienne entdeckt und entwickelt Kräfte, die es ihr ermöglichen, den Dschinn zu befehlen. Immer deutlicher wird, dass Mächte weit jenseits des menschlichen Wissens die Erde als Schauplatz ihrer Auseinandersetzung nutzen. Engel und Teufel, Dschinn und Geister, was treibt sie an, in welchem Namen überziehen sie die Erde mit Krieg, Leid und Tod?
Europa im Griff des Krieges, oder die Engel sind unter uns
Konzentrierte sich das erste von insgesamt vier Büchern fast gänzlich auf Ben und Adrienne, so breitet der Autor dieses Mal ein viel größeres Bild vor den Augen seiner Leser aus.
Mit der von Amerika ausgesandten Erkundungsflotte, die auch einen Choctaw an Bord hat, fügt Keyes indianische Mythen und Überlieferungen ein. Gerade Red Shoes ist immer für eine Überraschung gut. Nicht nur, dass er ungewöhnliche Einsichten in die plötzlich sich manifestierenden Kräfte und Geisterwesen eröffnet, er setzt sich auch intellektuell mit seinen ach so gebildeten Gefährten auseinander. So bringt er Mather, den die Flotte begleitenden Priester, mit seiner Intelligenz oftmals an den Rande der Verzweiflung, wenn dieser versucht, den jungen Mann zu missionieren. Der französische Gouverneur von Louisiana und der Pirat Teach bilden weitere Gegenstücke, an denen sich der edle Wilde reiben kann. Das sind allesamt beeindruckende Gestalten, jede auf ihre Weise ausgebildet, mit Ecken und Kanten und immer von so nicht erwarteten Verhaltensweisen ausgestattet.
Das Bild eines vom Krieg zerstörten Europas, in denen die westlichen und östlichen Machtblöcke in das durch die Zerstörung ausgelöste Vakuum vorzudringen suchen, sorgt für ökonomisch und politisch bedingte Spannung. Wer macht was und aus welchem Grund? Das sind die Fragen, die sich Keyes mit seinen Lesern diesmal stellt. Wirtschaftspolitische Belange spielen dieses Mal fast eine ebenso bedeutende Rolle wie die Invasion unserer Welt durch die Malakim.
Daneben stiehlt sich Benjamin Franklin erneut in unsere Herzen. Nicht etwa, weil er ein so lieber und netter Junge ist, sondern gerade weil er fehlt, weil er voller Stolz immer wieder neue, dumme Fehler macht, weil er von Newton ausgeschlossen sein Schicksal in die eigene Hand nimmt und zumindest versucht, Prag zu retten. Gerade in der intellektuellen Auseinandersetzung mit seinem Mentor und Lehrer schärft sich das Bild des jungen Ben, auch und gerade in der Szene, in der Isaac Newton erkennen muss, wie ungerecht er seinen Lehrling behandelt hat, und wie tief er diesen dadurch verletzt hat.
Immer noch unscharf aber bleibt die Bedrohung der Welt durch die Malakim. Die Engel, gleich ob sie gefallen oder im Auftrag des Schöpfers tätig sind, bleiben ein Mysterium, und das ist gut so. Gerade weil wir ihr Handeln nur durch die Augen der Menschen sehen, für die sie ebenso geheimnisvoll bleiben, bewahren sie ihren Nimbus des Geheimnisvollen.
Insgesamt gesehen nutzt der Autor seine Chance, die Handlung auf ein größeres Gerüst zu stellen, und seine Gestalten weiter auszubauen. Temporeich mit unerwarteten Wendungen erwartet ein spannendes Abenteuergarn die Leser, werden neue Handlungsansätze eingefügt.
Greg Keyes, Blanvalet
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