Die Flusswelt der Zeit

  • Piper
  • Erschienen: Januar 1979
  • 8
Die Flusswelt der Zeit
Die Flusswelt der Zeit
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Holger Schmidt
73°1001

Phantastik-Couch Rezension vonFeb 2008

Leicht angestaubter Klassiker

"Was würden sie auf eine einsame Insel mitnehmen?" Jeder kennt wohl diese Frage, hat sie bereits einmal einem Freund gestellt oder musste sich selbst Hände ringend eine angemessene Erwiderung einfallen lassen. Dabei sind die möglichen Antworten so vielfältig wie die Menschen selbst. Auch die Story des Flusswelt-Zyklus ist ein solches Thema, das, schon von vielen Autoren bearbeitet, immer neue Variationen bereit hält. Schnüren Sie also die Wanderstiefel und schlüpfen Sie in ihre Kakihose für eine fantastische Reise auf dem Fluss der Zeit.

Odysseus auf Zeitreise

Für Sir Richard Burton, einen Globetrotter des 19. Jahrhunderts, hält der Tod nicht die erhoffte Antwort auf alle Fragen bereit. Nein, vielmehr findet sich der Arme - nach einigen traumatischen Erlebnissen - in einer fremden Welt wieder, die voller Geheimnisse steckt. Zusammen mit unzähligen anderen Verstorbenen aus allen Epochen der Menschheitsgeschichte erwacht Burton in einer Welt, die geprägt ist von einem großen Fluss. Wie der Nil, zu dessen Quelle sich einst Burton aufmachte, durchquert der unbekannte Fluss diese Welt.

Dass eine fremde Macht hier am Werke war, ist außer Frage. Doch das Paradies haben sich die Menschen anders vorgestellt. Zwar ist für die grundlegenden Bedürfnisse all der Millionen Menschen in Form merkwürdiger Vorrichtungen, die in einem kleinen Zylinder Nahrung erzeugen können, gesorgt, doch eine Erklärung für all dies erhält niemand. Und so begibt sich Burton mit einer illustren Gruppe ebenso verwirrter Menschen auf die Suche nach dem Ursprung des großen Flusses, um eine Antwort zu erhalten. Auf seiner Reise trifft er auf viele menschliche Kulturen, ihre Genies und auch ihre Tyrannen, wie den Nazioffizier Hermann Göring.

Ein langer Weg

Wenn der Leser diesen Roman in Händen hält, hat die Geschichte schon einen langen Weg hinter sich. Ursprünglich 1952 für einen Kurzgeschichtenwettbewerb geschrieben, kramte Farmer die erste Flussweltgeschichte erst Jahre später wieder aus der Schublade. Sein Roman hatte den Wettbewerb damals zwar gewonnen, wurde daraufhin aber nicht veröffentlicht. In den 60er Jahren wurden dann Flussweltnovellen in verschiedenen Anthologien gedruckt, aus denen letztlich dieser erste Roman des Zyklus entstand.

Gerade erst vom Verlag neu aufgelegt ist "Die Flusswelt der Zeit", ein immer noch gefragter Klassiker des vor kurzem verstorbenen Philip Jose Farmer. Auch Meldungen, der amerikanische Science-Fiction-Kanal habe eine Miniserie geordert, die auf dem Flusswelt-Zyklus basiert, kamen kürzlich auf.

Der grundlegende Plot der Geschichte, eine Person, die sich plötzlich in einer fremde Welt vorfindet, ist beileibe nichts Neues. Dieses Thema kommt in jedem zweiten Roman von Science-Fiction-Visionär Philip K. Dick vor. Ein zeitgenössischer Literat, der ebenfalls solche Plots bevorzugt, ist Sergej Lukianenko. Reichlich Variationen sind also vorhanden, hier ist nun der Autor gefragt, daraus einen interessanten Roman zu stricken.

Hippies, Viktorianer und der Fluss

Farmer wählt in seinem Buch die Sicht eines viktorianischen Abenteurers und Reisenden. Andere Figuren, die eine wichtige Rolle im Buch spielen, entstammen zeitnahen Epochen. Da alle Personen nackt in der fremden Welt auftauchen und die Zivilisation erst neu aufgebaut werden muss, ergeben sich einige Konflikte darüber, was anständig und "sittsam" ist. Auch fließen viele politische Themen der frühen Sechziger in die Geschichte ein: Freie Liebe, Drogenkonsum, usw.

Der Roman ist beinahe durchweg actiongeladen. Gerade am Anfang vermisst man eine Reflektion der wichtigsten Frage: Wie und warum sind all diese Menschen überhaupt hierher versetzt worden? Stattdessen strapaziert Farmer den Leser mit Fragen der Moral und den erwähnten Themen der Entstehungszeit, der zweiten Flussweltnovelle. Nicht alle diese spezielleren Themen der 60er Jahre sind heute interessant - kurzum, irgendwann ist der Leser der Sexorgien, Gewaltszenen und viktorianischen Prüderie überdrüssig - Nackichsein ist eben doch kein so großes Ding, dass man damit ein Drittel eines Romans füllen könnte.

Zwar werden einige Rätsel der Flusswelt mit der Zeit gelöst, das Ende des Buches ist jedoch offen und lässt den Leser etwas unbefriedigt zurück. Weniger Action, etwas mehr Tiefgang, zeitlosere Themen und eine spannendere Auflösung wären gut gewesen. So ist "Die Flusswelt der Zeit" zwar eine abenteuerliche Reise in eine fremde Welt, von der aber nur wenige Erinnerungen im mentalen Fotoalbum des Reisenden zurück bleiben.

Die Flusswelt der Zeit

Philip José Farmer, Piper

Die Flusswelt der Zeit

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