Strigoi - die Schlächter unter den Vampiren
";Vampire wurden in den Gebieten Moldawien, der Walachei und Transsilvanien üblicherweise strigoi genannt und sind [...] ausschließlich menschliche und nicht dämonische Seelen, die von den Toten zurückgekehrt sind. [...] Zusätzlich zu den strigoi mort, den Untoten, gibt es auch die lebenden Vampire, strigoi viu [strigoi vii], zu fürchten. Strigoi viu sind zu Lebzeiten verfluchte Menschen, die nach ihrem Tod zu strigoi werden müssen. [...] Manche Quellen sprechen davon, dass strigoi das Blut ihrer Opfer direkt aus dem Herzen saugen." Aus: Wikipedia, die freie Enzyklopädie.
Eine Facharbeit über die Strigoi beschert James Falcon den Alptraum seines Lebens. Angeregt durch die Erzählungen seiner Mutter, bringt er sein Wissen und seine Ansichten zu dieser eher unbekannten Vampirgattung zu Papier und weckt so, ohne es zu ahnen, das Interesse seiner Regierung. Denn genau jene Strigoi treiben 1944 zum Ende des zweiten Weltkriegs in Belgien und Holland ihr Unwesen. Heraufbeschworen von nationalsozialistischen Hohlköpfen sollen die Strigoi helfen, die Widerstandsbewegungen der jeweiligen Länder zu unterminieren, dezimieren und dadurch zu schwächen. So ziehen sie im Gefolge des Krieges ihre blutige Spur durch Europa, bevor ihnen von James Falcon und seinen Kollegen Einhalt geboten wird. Vorerst. Denn der Anführer der Gruppe, der ";Strigoi Mort" Duca verschwindet spurlos und taucht 13 Jahre später in London unverrichteter Dinge wieder auf. James Falcon macht sich mit Unterstützung des britischen MI6 erneut auf die Jagd. Dabei lernt er inmitten heftiger Massaker die Liebe seines Lebens und ein paar dunkle Geheimnisse kennen.
Strigoi sind die Schlächter unter den Vampiren. Keine punktgenauen Bisse in bevorzugt weibliche Hälse, sondern ein schlichtes aber brutales Aufschlitzen ihrer Opfer vom Hals bis zur Taille versorgt die Strigoi mit dem Blut, das sie für die Verlängerung ihrer Existenz benötigen. Auf der anderen Seite genügt einfaches Pfählen nicht. Strigoi müssen mittels eines komplizierten Rituals getötet und schließlich zerstückelt in geweihter Erde begraben werden. James Falcon ist mitunter selbst erstaunt, wie leicht ihm dieser brutale Tötungsakt, der von Folterungen mit geweihtem Öl bis zu in Augenhöhlen gehämmerte Nägel reicht (natürlich nur stabile Zimmermannsnägel aus Jesus' Kreuz), von der Hand geht.
Obwohl Graham Masterton vor Brutalismen nicht zurückschreckt, verkommt ";Bluterbe" nicht zur reinen Blut- und Gedärme-Show. Die Geschichte der Jagd, auf die von Falcon und Kollegen so genannten ";Schreier", und vor allem die Beziehungen der Personen und Unpersonen zueinander, spielen eine wesentlich größere Rolle in dem ungekünstelt, aber durchaus effektiv geschriebenen Roman. Ein großartiger Stilist war Masterton nie, aber seit seinen ersten Erfolgen (";Manitou", ";Die Rückkehr des Manitou" und vor allem der langatmige und klägliche ";Die Tochter der Sphinx") hat er einiges dazu gelernt, und die Passagen unfreiwilliger Komik, die seine ansonsten durchaus spannenden Romansnacks verzierten, sind fast völlig verschwunden.
";Bluterbe" ist als autobiographische Erzählung angelegt und entbehrt jeglicher Geschwätzigkeit. Selbst eine tiefgreifende Gattungsgeschichte der Spezies Strigoi versagt Masterton seinem Erzähler, obwohl es bei dessen Hintergrund durchaus verzeihlich und vor allem naheliegend gewesen wäre. Zumal die Strigoi nicht vor Bekanntheit strotzen und eine interessante Alternative zum althergebrachten vampirischen Monstertreiben darstellen.
Die politischen Implikationen sind zwar ein leicht aufgesetzt wirkender Effekt (als ob die Nazis die Hilfe von Vampiren nötig gehabt hätten für ihre Vernichtungsfeldzüge), mindern aber die Spannung keineswegs und machen zumindest den Einsatz schwerer Waffen gegen die Strigoi plausibel.
Zur großen dramatischen Geschichte fehlt es Bluterbe etwas an langem Atem, dafür lässt Masterton seinen Erzähler Falcon am Schluss zu salopp und bruchstückhaft durch die Aufzeichnung hetzen; es wirkt gerade so, als hätte sich der Vielschreiber bereits einem anderen Sujet zugewandt und wollte gerne schnell zu einem Finale kommen. Andererseits passt dieses Ende zum unaufgeregten Erzählstil des Buches, der auch das größte Gemetzel nachvollziehbar und wenig spekulativ erscheinen lässt.
";Bluterbe" ist kein Buch, das einem schlaflose Nächte bereitet, aber als einigermaßen origineller, horribler und unterhaltsamer Schmöker ist der Roman ein idealer Begleiter vom Zwielicht ins Dunkel.
Graham Masterton, Festa
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