Tempel des Grauens

  • Pabel
  • Erschienen: Januar 1981
  • 0
Tempel des Grauens
Tempel des Grauens
Wertung wird geladen
Michael Drewniok
90°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMai 2024

11 x meist (knochen-) krachende Fantasy

11 alte, aber keineswegs angestaubte Fantasy-Storys der Kategorie „Schwerter & Zauberei“:

- Lin Carter/Hugh Walker: Vorwort, S. 7-16

- Marion Zimmer Bradley: Arwens Stein (The Jewel of Arwen; 1961), S. 17-30: Schon bevor die Halbelbin Arwen den Weißen Sternenjuwel erhielt, reichte dessen Geschichte weit in die Zeit vor dem Ausbruch des Ringkriegs mit dem Erzbösen Sauron zurück.

- Lloyd Alexander: Das Schwert Dyrnwyn (The Sword; 1973), S. 31-41: Rhitta, König von Prydain, bricht sein Wort, das er einem Bettler gab, und wird deshalb von dessen Geist heimgesucht.

- Robert E. Howard/Richard L. Tierney: Tempel des Grauens (The Temple of Abomination; 1974), 42-58: Auf einem Feldzug gegen die Sachsen stehen Cormac Mac Art und eine Horde verbündeter Wikinger vor einem längst vergessenen Heiligtum, dessen bösartige Bewohner sehr lebendig auf neue Opfer lauern.

- Hannes Bok: Die Versteinerten (Jewel Quest; 1974), S. 59-74: Der hochmütige Kaiser sucht trotzig einen verwunschenen Ort auf, doch seine Macht reicht nicht so weit wie gedacht (oder eingebildet).

- Lin Carter/Clark Ashton Smith: Der Zweifachturm (The Double Tower; 1973), S. 75-82: Schwarzmagier Zloigm scheut kein Risiko, um den legendären Weisen aus einem  abgelegenen Winkel des Alls zur Preisgabe seines Wissen zu zwingen, übersieht dabei aber ein entscheidendes Detail.

- Lin Carter: Der schwarze Falke von Valkarth (Black Hawk of Valkarth; 1974), S. 83-96: Nachdem der junge Barbar Thongor seine Familie und seinen Stamm verloren hat, treibt ihn die Rache auf den Spuren der Mörder durch sein Heimatland.

- Fritz Leiber: Gefangen im Schattenland (Trapped in the Shadowland; 1973), S. 97-106: Der Tod von Nehwon hat noch eine Rechnung mit Fafhrd, dem Barbaren, und seinem Kampfkameraden, dem Grauen Mausling, offen, weshalb er sie hinterlistig - und quicklebendig - in sein Reich lockt.

- L. Sprague de Camp: Des Kaisers Fächer (The Emperor's Fan; 1973), S. 107-130: Der Alltag am Hofe des für seinen Jähzorn gefürchteten Herrschers nimmt eine bizarre Wendung, als er ein Instrument erwirbt, das es ihm ermöglicht, lästig gewordene Mitmenschen buchstäblich fortzuzaubern.

- Pat McIntosh: Das Falkenmatt (Falcon's Mate; 1974), S. 131-152: Schwertmaid Thula soll eine Jungfrau ‚unbeschädigt‘ zu ihrem Bräutigam bringen, doch diese hat sich anderweitig und nur zum Teil in einen Menschen verliebt, was diesen Auftrag erheblich kompliziert.

- Charles R. Saunders: Die Stadt des Wahnsinns (The City of Madness; 1974), S 153-186: Während Schwertkämpfer Imaru einen Verräter verfolgt, gerät er unter die verderbten Nachkommen eines uralten, verderbten und schwarzmagisch beschützten Volkes.

- Jack Vance: Die siebzehn Jungfrauen (The Seventeen Virgins, 1974), S. 187-224: Als Cugel der Schlaue in ein abgelegenes Dorf kommt, betrügt er wie üblich die eine Hälfte der Bürger, während er die andere gegen sich aufbringt, bevor er vor dem ausgelösten Chaos flüchtet.

Fantasy zwischen Haudrauf-Action, Humor und Anspruch

Zwischen 1975 und 1980 stellte Lin Carter (1930-1988), fleißiger Autor simpler, aber farbenfroher „Schwerter-&-Zauberei“-Erzählungen (und wie üblich selbst mit einem Beitrag in dem hier vorgestellten Band vertreten), sechs Bände für den auf Phantastik spezialisierten US-Verlag DAW Books zusammen. Sie sammelten (angeblich) die „besten Fantasy-Storys des Jahres“; eine Behauptung, die in erster Linie von der Werbung in die Welt gesetzt wurde. Stattdessen - aber eben nicht nur - konzentrierte sich Carter auf ‚leichte‘ Fantasy, die sich an den „Conan“-Abenteuern orientierte, die Robert E. Howard Anfang der 1930er Jahre berühmt gemacht hatten.

Der erste Band erschien hierzulande 1981 unter dem Titel „Tempel des Grauens“ als Erstauflage. Zu diesem Zeitpunkt begann der Pabel-Verlag endlich die seit vielen Jahrzehnten übliche Normierung seiner Taschenbücher aufzugeben. Sie ‚durften‘ jetzt mehr als 160 Seiten umfassen. Während zuvor Textstreichungen und -kürzungen den Regelfall darstellten, konnte Carters Sammlung nunmehr gesamtumfänglich erscheinen.

Die Mischung ist interessant, denn der Herausgeber hatte zwar (s. o.) Vorlieben, kannte und akzeptierte aber die Darstellungsbreite des Fantasy-Genres, das stets mehr als den Kampf mit Schwertern gegen Zauberer und Monster umfasste. Carter selbst ist allerdings einer generischen Story vertreten, die seinen „Conan“-ähnlichen Helden Thongor präsentiert. Seit 1965 hatte dieser bereits mehrere Romanabenteuer erlebt, die einen älteren Thongor in den Mittelpunkt stellten. Nun gab Carter der Reihe einen Ursprung, der allerdings recht unspektakulär wirkt, aber solide erzählt ist. Dies gilt auch für die racheähnlich gelagerte Story von Charles Robert Saunders (1946-2020), der (als schwarzer Schriftsteller) einen schwarzhäutigen Heroen entfesselt, während Pat McIntosh uns nicht nur bzw. einfach eine weibliche Kriegerin vorstellt, die ‚wie ein Mann‘ Schädel spalten kann, sondern diese Fähigkeit ohne brutal-feministischen Holzhammer plausibel für das Geschehen nutzt.

Die richtigen Bestandteile adeln die Mischung

Wenn ein beliebter Autor stirbt, muss dies keineswegs ‚neue‘ Storys verhindern. Im Nachlass = in den Tiefen selten geöffneter Schubladen finden sich in der Regel Konzepte, begonnene, aber aufgrund Ideenmangel nie beendete Fragmente u. a. handschriftliche Krumen, die Jahrzehnte später ‚entdeckt‘ und ‚vollendet‘ werden können. Der jung durch Selbstmord geendete Robert E. Howard (1906-1936) und der flamboyante Clark Ashton Smith (1893-1961) garantierten Interesse. Ob Richard L. Tierney (1936-2022) oder einmal mehr Lin Carter den verstorbenen Kollegen einen Gefallen taten, indem sie zur Veröffentlichungsreife brachten, was diese hatten ruhen lassen, sei dahingestellt. Zumindest die posthume ‚Zusammenarbeit‘ von Smith und Carter bewahrt die ironische Doppeldeutigkeit einer Handlung, die denkbar fern jeglichen Heldentums auf Gier und Skrupellosigkeit setzt.

Marion Zimmer Bradley (1930-1999) orientiert (oder vergreift) sich an dem Zentralwerk der Fantasy: J. R. R. Tolkien schrieb nicht nur die Trilogie „Herr der Ringe“, sondern bettete dieses Epos in eine fragmentarische Historie ein, die - inzwischen veröffentlicht - mehrere Buchbände füllt. Bradley greift einige dieser Fragmente auf und erweitert ihrerseits die Mittelerde-Saga (bzw. addiert weitere, höchstens für Tolkien-Komplettisten interessante ‚Fakten‘.) Ähnlich schwach bleibt ausgerechnet Fritz Leiber (1910-1992) mit einem inhaltlich fahrigen Beitrag zu seinem ansonsten klassischen, über ein halbes Jahrhundert fortgeschriebenen Zyklus um die mit den Klischees der „Schwerter-&-Zauberei“-Fantasy spielenden Helden-Schurken Fafhrd und den Grauen Mausling.

Ohne die im Tolkien-Umfeld offenbar unverzichtbare Veredelung der Ereignisse durch eine pompös-geschraubte Prosa kommt Lloyd Alexander (1914-2007) aus, der auf seinen ‚Helden‘, den Schweinehirten Taran, verzichtet, um ein Garn aus dem von ihm geschaffenen Reich Prydain zu erzählen. Zwar ist dies eine ‚Geschichte mit Moral‘ und wenig innovativ, aber Alexander ergänzt sie um trockenen Humor und konterkariert dabei unterhaltsam den ‚Sinn‘ solcher bierernster, erbaulich-lehrreicher, aber normalerweise plump konstruierter und langweiliger Traktate.

„Murphy’s Law“ gilt auch in der Fantasy

Kritiker werfen der ‚heroischen‘ Fantasy gern selbstverliebten Ernst bzw. verdächtig wagnerianisch-darwinistische Visionen kraftgesteuerter ‚Übermenschen‘ vor. Einmal mehr wird hier mit Kanonen auf (glücklicherweise wendige) Spatzen geschossen, denn dass es um kurzweilige Unterhaltung geht, die im Normalfall keineswegs rassistisch/chauvinistisch etc. unterfüttert werden soll, belegen Autoren, die mit den Regeln des Genres spielen und die angeblich propagierte Herrschaft der Gewalt humorvoll aushebeln.

Betont artifiziell im Ton, aber handfest im Geschehen, stellt uns Hannes Bok (geb. als Wayne Francis Woodart, 1914-1964) einen von sich eingenommenen Herrscher vor, der zu spät erkennt, dass seiner Macht Grenzen gesetzt sind. In dieselbe Kerbe schlägt Lyon Sprague de Camp (1907-2000), der jedoch auf einen märchenhaft-phantastischen Tenor verzichtet, sondern unumwunden eine Welt bzw. einen Hof beschreibt, dessen Primat durch Gewalt, Intrigen und auch Magie gesichert wird. Kaiser Tsotuga ist alles andere als ein von ‚Gott‘ gesalbter Fürst, sondern ein charakterschwacher Mensch, der sein Verderben ebenso selbst wie erwartungsgemäß heraufbeschwört; ein Geschehen, das de Camp in trügerisch leichtem Ton und sehr sarkastisch erzählt.

Schon Fritz Leiber changierte im Tonfall stets zwischen Ironie und Zynismus, ohne dadurch die ‚Realität‘ seines Fantasy-Planeten Nehwon zu beeinträchtigen. Im Rahmen einer Serie gelang dies nicht nur ebenso gut, sondern oft sogar besser Jack Vance (1916-2013), der den Humor durch eine boshafte Note bereicherte. Cugel der Schlaue ist ein Betrüger, der stets seine Mitmenschen zu übervorteilen versucht. Dabei ist er ebenso einfallsreich wie rücksichtslos; dass Cugel manche Leiche zurücklässt, lässt sich leicht vergessen, da Vance sein Treiben im Licht einer sterbenden Sonne mit der für ihn üblichen Beschreibungspracht darstellt. (Übrigens rächt es sich natürlich, dass man dieses Mal ausgerechnet Cugel zum Hüter ausnehmend hübscher Jungfrauen ernennt.) Zudem gelingt es Cugel nie, wirklich Vorteil aus seinen Listen zu schlagen, da ihn stets die Tücke des Objekts sowie die Überbewertung seiner Schläue zu Fall bringen; am Ende eines Abenteuers steht er in der Regel mit leeren Taschen da.

ACHTUNG: Dieser Sammelband wurde 1985 während einer kurzlebigen Neuauflage der „Terra-Fantasy“-Reihe als Band 3 sowie 1987 (unter dem Titel „Die besten Fantasy-Stories 1“) als „Moewig-SF“-Taschenbuch neu aufgelegt. In beiden Ausgaben wurden die Storys von Lin Carter, Carter/C. A. Smith und Jack Vance ersatzlos gestrichen!

Fazit:

Literarisch wohl nicht ‚hochwertige‘, aber ungemein unterhaltsame und vielfältige Sammlung schon älterer Fantasy-Storys, in denen Schwerter geschwungen, Monster bekämpft und (böse) Zaubereien betrieben werden.

Tempel des Grauens

Lin Carter, Pabel

Tempel des Grauens

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Tempel des Grauens«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Sci-Fi & Mystery
(MUSIC.FOR.BOOKS)

Du hast das Buch. Wir haben den Soundtrack. Jetzt kannst Du beim Lesen noch mehr eintauchen in die Geschichte. Thematisch abgestimmte Kompositionen bieten Dir die passende Klangkulisse für noch mehr Atmosphäre auf jeder Seite.

Sci-Fi & Mystery