Der Talisman der Macht
- Heyne
- Erschienen: Januar 2007
- 7
Fantasy made in Italy - ein Blick über den Gartenzaun mit nachdenklichen Tönen
Mehr als die Hälfte der acht Länder der Welt hat der grausame Tyrann, ein scheinbar unüberwindlicher Schwarzmagier, bereits mit seinen Horden wilder Fammin und wiedererweckter Geister überrannt. Seine Armeen metzeln grausam und ohne jegliches Mitleid alles nieder, was ihnen vor ihre Schwerter kommt, gleich ob ihnen ein Krieger oder ein Kind gegenübersteht. Die Lage scheint aussichtslos. Selbst der Rat der Magier weiß sich nicht mehr zu helfen. Überall bröckelt die nur mühsam und unter größten Verlusten gehaltene Front. Da hilft es wenig, dass die frischen Truppen aus der untergetauchten Welt zu den Verteidigern stoßen, zu ungleich scheinen die Machtverhältnisse verteilt.
Die einzige Hoffnung ist eine alte Wahrsagung, die eine verrückte Hexe in die Welt gesetzt hat. Nur der letzten Halbelfe kann es gelingen, den Tyrannen zu vernichten. Doch dazu muß sie zuerst die acht magischen Steine der alten Götter für das Amulett aus deren jeweiligen Heiligtümern in ihren Besitz bringen. Nicht nur, dass die Heiligtümer in den acht Ländern verteilt liegen und damit oftmals im Land des Gegners, auch deren Wächter gilt es davon zu überzeugen, dass Nihal würdig ist, das Herz des jeweiligen Heiligtums an sich zu nehmen. Zusammen mit ihrem Knappen Laio und dem Magier Sennar macht sich Nihal auf, die Queste zu erfüllen. Ihren Kampfgefährten, den Drachen Oarf, lässt sie in der Obhut des Ordens zurück, gilt es doch heimlich, still und leise hinter die feindlichen Linien zu schleichen.
Auf ihrem Weg quer durch die Länder der Welt begegnen ihnen nicht nur mannigfaltige Gefahren, auch mit Verlusten wird Nihal konfrontiert. Immer wieder muß sie sich ihren Ängsten stellen, muß hinterfragen, ob die Opfer, die zu bringen sind, das Ziel, die Rettung einer korrupten Welt, überhaupt wert sind. Einsam und verzweifelt begegnen sich im Finale die beiden Kontrahenten, doch dann erweist sich der Tyrann selbst als geschundene, zutiefst verletzte Kreatur, der mit seiner Ansicht, dass die Welt einen Neuanfang nötig hat, so unrecht nicht hat...
Nach gewohntem Auftakt entwickelt der Plot ungewöhnliche Tiefe voller nachdenklicher Gedanken
Was als Fantasy-Queste der gewohnten Art begann, das entwickelt sich im abschließenden dritten Band zu etwas Anderem. Zu Beginn der Trilogie präsentierte uns die Autorin eine junge Protagonistin, die sich gegen Grenzen auflehnte und tief verletzt Rache für ihre Verluste nehmen wollte. Ohne die moralische Rechtfertigung groß zu hinterfragen ging es ihr darum, denen, die unermessliches Leid über sie und ihr Nahestehende gebracht hatten, zu bestrafen. Sie lehnte sich gegen Grenzen und Autoritäten auf, forderte vehement Gleichberechtigung und leistungsgerechte Beurteilung bei der Zulassung zur Ausbildung als Drachenkämpfer. In vorliegendem Band wird die Queste als solche spannend und in einem straffen Handlungsbogen zu Ende geführt.
Ist Rache wirklich der Weg?
Auffallend sind hierbei aber die eher nachdenklichen Töne, die sich immer wieder ins Geschehen einschleichen. Ein Fammin, der sich aus dem Bann des Tyrannen befreien kann und die Rebellen unterstützt, läutet den Wechsel ein. Eigentlich will sie den verhassten Feind nur umbringen, doch ist dieser, da magisch versklavt, überhaupt für seine Handlungen verantwortlich? Sind nicht viel mehr die Menschen, die die Befehle zum sinnlosen, grausamen Massenmord geben, die eigentlich Verantwortlichen? Plötzlich geht es um die moralische Rechtfertigung von Krieg und vom Töten und darum, was Rache, noch dazu an Befehlsempfängern, überhaupt bringt und ob die vielen Opfer das Ergebnis wirklich wert sind. Das sind gerade für Fantasy-Romane ungewöhnliche Gedanken und daher um so mehr Wert darüber nachzudenken.
Im Finale dann wird uns Nihal, die seit tausenden von Seiten als ultraböser Tyrann aufgebaute Gestalt, entmystifiziert. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, wurde auch der Tyrann von seinem persönlichen Schicksal geprägt. Er ist eben nicht nur der Böse, der alle Macht für sich beansprucht.
Die Welt - das ist klar - braucht einen Neuanfang. Altes muss weichen, um Platz zu machen für einen Neuanfang, der vielleicht zu etwas Besserem führt. Jedoch - und auch das ist klar - werden sich die Menschen nicht ändern. Die Meisten sind nur auf ihren eigenen Vorteil aus und suchen mit allen Mitteln, auch auf Kosten ihrer Mitmenschen, ihren Machtbereich zu vergrößern. So bleibt zum Schluss die Frage, ob die Opfer wirklich für eine bessere Welt gestorben sind, denn das Paradies auf Erden wird es auch in der Welt der Licia Troisi nicht geben.
Licia Troisi, Heyne
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