Ein überraschend realistischer Thriller für Koontz
Der Kellner Billy Wiles führt ein recht langweiliges Leben. Tagsüber jobbt er und in seiner Freizeit kümmert er sich meistens um seine im Koma liegende Freundin Barbara. Doch sein Leben wird eines Tages auf den Kopf gestellt, da er nach seinem Arbeitsende folgenden Zettel an seinem Scheibenwischer findet.
";Wenn du diese Nachricht nicht zur Polizei bringst, um sie einzuschalten, werde ich irgendwo in Napa County eine hübsche blonde Lehrerin umbringen. Wenn du diese Nachricht zur Polizei bringst, werde ich stattdessen eine ältere Frau umbringen, die sich sozial engagiert. Dir bleiben sechs Stunden, um dich zu entschieden. Du hast die Wahl.";
Billy wendet sich an einen seiner wenigen Freunde, den Polizisten Lanny Olsen. Dieser hält den Zettel für einen Scherz, muss sich jedoch bereits am nächsten Tag eines besseren belehren lassen, denn tatsächlich wurde eine junge blonde Lehrerin ermordet. Zudem findet Billy einen weiteren Zettel an seinem Auto. Er will sich offiziell an die Polizei wenden, aber Lanny bittet ihn um einen kurzen Aufschub, denn auch wenn jeder seiner Kollegen den Zettel ebenfalls für einen Scherz gehalten hätte, so würde man ihm doch im Nachhinein vorwerfen, die Spur nicht verfolgt zu haben.
Billy gewährt Lanny ein bisschen Zeit, um sich eine Lösung auszudenken. Da sich dieser bei ihm jedoch nicht wie versprochen meldet, entschließt sich Billy seinen Freund zu besuchen. Zu spät erkennt er, dass Lanny genau auf eine der beiden Opferbeschreibungen des neuen Zettels passt. Als er bei Lanny eintrifft, findet er diesen tot in seinem Schlafzimmer vor, aber der Irrsinn nimmt damit erst seinen Lauf, denn der Täter sucht nun den direkten Kontakt zu Billy…
Richard Laymon light
Was folgt ist ein reinrassiger Thriller, wie man ihn von Koontz selten zuvor gelesen hat. Keinerlei Horror-Effekte, alles könnte so passieren. Der Täter hat bei seinen Morden eindeutige Spuren hinterlassen, die zwingend zu Billy als Täter führen. Folglich muss dieser die Leichen bzw. die auf ihn deutenden Spuren vernichten, was mitunter leicht groteske Züge annimmt, da Koontz hier offensichtlich bemüht ist, seinen von ihm hoch geschätzten Kollegen Richard Laymon zu ";kopieren";. Laymons ";Das Spiel"; und ";Nacht"; lassen sich hier zumindest ansatzweise wiederfinden, wenngleich Koontz einen konventionellen Weg beschreitet und die Laymon-typischen ";Eskapaden"; außen vor lässt.
Trotz einiger Schwächen - Koontz’ bester Roman der letzten Jahre
Die Charaktere sind wie so oft bei Koontz wenig bis schwach ausgebildet, was allerdings im Horror-Genre ein allgemein bekannter Vorfall ist. Er setzt mehr auf Affekte und Action, was zumindest dem Lesefluss zugute kommt. Aus der Hand legen lässt sich das Buch nur schwer, wenngleich es nicht an die ";Meisterwerke"; des Autors heranreicht, doch die liegen ja leider schon viele, viele Jahre zurück. Berücksichtigt man die jüngst erschienenen Werke, so ist ";Irrsinn"; sicher Koontz’ bester Roman der letzten Jahre. Allerdings sind auch bei ";Irrsinn"; einige Dialogsequenzen mehr als grenzwertig (";Trauma"; lässt im negativen Sinn grüßen).
Der Spannungsbogen ist akzeptabel, die Auflösung ebenfalls, wenngleich es sich Koontz beim Showdown zu einfach macht, nachdem der Täter zuvor über nahezu magische Fähigkeiten besaß, wobei das Wort ";magisch"; nicht wörtlich zu nehmen ist. Wie gesagt, alles was hier passiert, ist (theoretisch) möglich und das ist für Koontz ja mal was Neues. Für Koontz- und Laymon-Fans ist ";Irrsinn"; ein klarer Kauf-Tipp, für all jene, die diesen Autor noch nicht kennen (gibt es solche Menschen?) auch. Zwar keineswegs ";Champions-League";, aber gut konsumierbare kurzweilige Unterhaltung allemal.
Dean Koontz, Heyne
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