The Wanderer´s Tale
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- Erschienen: Januar 2007
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Standardqueste, die nächste bitte
Das ist, um es sofort ganz klar zu sagen, der Eindruck, den David Bilsboroughs Erstling The Wanderers Tale hinterlässt. Dieses Auftaktbuch zu einer neuen Fantasyserie namens The Annals of Lindormyn wird vom Verlag als "fabulous quest - the likes of which has never been told" beworben - wie so oft. Und man hofft ja doch jedes Mal, dass es stimmt. Was man bei Bilsborough jedoch zu lesen bekommt, ist - ebenfalls, wie so oft - eine neue Version der üblichen Weltrettungsqueste, und zwar wenig innovativ erdacht und mit reichlich schreibhandwerklichen Schnitzern erzählt.
Zum Buch: Vor fünfhundert Jahren erschlugen die Ritter des Peladane-Ordens den Oberdämon Drauglir. Doch nun regt er sich nach Aussage einer alten Prophezeiung wieder, denn es waren gar nicht die Ritter, die ihn erschlugen, sondern auf des Dämonen Geheiß sein eigener Feldherr mit magischem Schwert. Die Wiederkehr des Dämonenschwertes lässt den aufmerksamen Leser denn schon im Prolog vermuten, dass da eventuell neues altes Unheil im Anzug sein könnte. Und falls der Leser dies nicht mitbekommen haben sollte, so gibt es immer noch das Schmankerl der Mächte des Schicksals, die ab und an auftauchen und sich über die Geschicke der Welt unterhalten und dem Leser mit diesen Gesprächen handlungsmäßig auf die Sprünge helfen. Das ist vielleicht in Anlehnung an den Chor der alten Tragöden gedacht und somit auch nicht sonderlich neu. Immerhin machen diese "Skela" genannten Mächte klar, dass es wirklich um etwas geht in dieser Geschichte.
Also begeben sich acht Streiter auf den Weg, dem Unhold zum endgültigen Garaus zu verhelfen. Das erste Buch einer Serie, deren Umfang derzeit noch unklar ist, kann natürlich noch nicht zum Endkampf führen, aber die typische, jedem Rollenspieler geläufige Party aus drei Kämpfern, zwei Priestern, einem Magier, einem jugendlichen Junker (es bleibt völlig unklar, warum dieser 15-Jährige, der kaum ein Kurzschwert halten kann, mitgeschleppt wird) und dem notorisch schwer einzuschätzenden Titelhelden, dem Wanderer Bolldhe, erlebt auch so manches Abenteuer auf ihrem Weg in den hohen Norden, wo des Dämonen alte Festung liegt. In der Tat ist der gesamte Weg, auch dies ein Rollenspielern vertrautes Geschehen, von einer Aneinanderreihung von Encountern gekennzeichnet, die sich meist nur dadurch unterscheiden, ob die diversen Monster gerade mit den fürchterlichsten Klauen ausgestattet sind, die die armen Abenteurer je gesehen haben oder ob es sich um die längsten Zähne handelt, die sich je in ihr gequältes Fleisch bohrten.
Und das weist auch schon am Anfang auf große handwerkliche Schwächen des Buches hin: Beispielsweise hat Bilsborough keine Ahnung vom Kämpfen und scheut sich nicht, dies auch zu zeigen. Das ist natürlich ein Problem für ein Buch, das in erster Linie aus "hack and slash" besteht. Direkt der erste Gegner, auf den man trifft, ist beispielsweise eine Art AD&D-Standard-Oger, also ein Gegner, den jeder Dungeon Master auch einer nur mäßig erfahrenen Party zum Aufwärmen in den Weg stellt. Aber dieser Oger mischt die gesamte Truppe (u.a. bestehend aus dem besten Kämpfer des Nordens, dem besten des Südens und einem im ganzen Land gefürchteten Söldner) fürchterlich auf, so dass man als Leser rufen möchte: "Hey Jungs, wollt Ihr nicht noch ein bisschen üben gehen? So fünf oder zehn Jahre lang vielleicht?" Aber keine Sorge, die Jungs (ja, es sind nur Männer!) lernen schnell und schon nach wenigen Tagen sinken die Monster zur Rechten wie zur Linken hernieder, dass es nur so eine Freude ist.
Auch wenn es zwischendurch so manchen Verlust zu beklagen gibt, aber auch das ergibt keinen Anlass zur Sorge, denn wie so viele Autoren bringt Bilsborough es nicht übers Herz, seine Helden wirklich zu töten. Also, keine Angst, die kommen schon noch alle wieder ... wenn auch nicht unbeschadet, aber mit irgendwas wollen ja sicherlich auch hunderte Seiten der weiteren Serie gefüllt sein. Und das ist ein weiteres Problem von The Wanderers Tale: es ist alles so vorhersehbar. Wenn denn wirkliche Überraschungen auftauchen, wie der dringend benötigte Führer in einer verzweifelten Situation, dann wirken diese eher wie ein deus ex machina und zeigen, dass der Autor seine Handlungsfäden nicht in den Griff bekommt. Das mag sich im Verlauf der Serie ja noch ändern, noch aber wirkt es sehr unprofessionell erzählt.
Was durch die erwähnten handwerklichen Schwächen noch betont wird. Bilsborough versteht es durchaus, den Ansatz sowohl von Beschreibungen, etwa der Kriegergesellschaft der Peladane, als auch von Situationen, beispielsweise einem philosophischen Gespräch zwischen Zauberer und Priester, interessant zu gestalten. Dann aber verlässt ihn sein Können recht schnell und die archaisch-barbarischen Krieger von Peladane werden sozio-ethnologisch mit einer ständeorientierten Rittergesellschaft vermengt, die in der Lebenspraxis dann auch noch in Verhaltensweisen und einen Sprachduktus verfällt, der eher einem Schulhof des 20. Jahrhunderts abgeschaut zu sein scheint. Oder der interessante Gegensatz des intellektgesteuerten Priesters und des bauchgesteuerten Zauberers - für sich genommen eine sehr schöne Umkehrung von Klischees - läuft in Plattitüden aus: "you think too much and refuse to feel". Wobei "think" und "feel" dann, wie so viele andere Begriffe auch, noch kursiv gesetzt sind, um ihre Bedeutung zu unterstreichen. Die besondere Bedeutung eines Wortes oder Satzes typographisch hervorheben zu müssen, sollte für Autoren von Prosatexten eigentlich unnötig sein.
Unglücklicherweise werden die genannten Schwächen auch nicht durch interessante Charakterzeichnungen ausgeglichen. Eine kurze Recherche im Internet hat mir nicht verraten, ob Bilsborough Rollenspieler ist, seine Charaktere aber deuten darauf hin, denn es handelt sich weniger um Menschen als um Vertreter von Charakterklassen. Das macht Identifikation und das Miterleben des Erzählten nicht gerade leichter. Zumal sich weitere Schwächen einschleichen, denn die Personen sind inkonsistent beschrieben. Mal sind sie mutig, dann wieder nicht; mal sind sie schlau, mal handeln sie reichlich dämlich - gut, das ist im richtigen Leben auch so. Aber ihr Mut und Ihre Schwächen treten oft in inadäquater Weise zutage. An einem Tag mögen sie größter Gefahr widerstehen, an einem anderen Tag fürchten sie sich nahezu ohne Grund. Das macht ihre Handlungen erratisch, wenig nachvollziehbar und beliebig. Wenn ich denn nach Lindormyn gehen müsste, so würde ich lieber nicht mit Bilsboroughs Helden durch die Gegend ziehen wollen ...
Natürlich ist es zu früh, die ganze Serie nach diesem Auftakt beurteilen zu wollen. Vielleicht steigert sich das Ganze ja noch. Potenzial dazu scheint zumindest vorhanden zu sein. So ist beispielsweise die 17 Seiten lange Beschreibung des Volkes der Vetter sehr gelungen und überzeugend. Und auch das Ende zeigt eine gar nicht mehr erhoffte Tiefe, die hoffentlich im Weiteren dann bewahrt werden wird. Der wenig innovative Auftakt mit seiner vorhersehbaren Storyentwicklung und den gravierenden Schreibschwächen macht aber nicht allzu viel Lust, die weitere Entwicklung zu verfolgen.
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