Das Geheimnis des 13. Apostels

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2007
  • 3
Das Geheimnis des 13. Apostels
Das Geheimnis des 13. Apostels
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Anna Hild
59°1001

Phantastik-Couch Rezension vonAug 2007

Wer ist Gott? Wer ist sein Stellvertreter?

Ein Einsiedler in den italienischen Abruzzen hat eine erstaunliche Geschichte zu erzählen. Es geht um Macht, Spiritualität und die Verfehlungen großer, institutionalisierter Religionen. Und wieder einmal um die eine Frage: wie göttlich sind unsere Götter?

Ein Geistlicher fällt aus dem fahrenden Paris-Rom-Express und stirbt. Ein Unfall oder ein Selbstmord, wie es wider alle Beweise offiziell dargestellt wird? Keinesfalls, denn welcher Selbstmörder zwängt sich aus den schlecht zu öffnenden Fenstern eines fahrenden Zuges. Nein, das Opfer, Vater Andrei, Bibliothekar und gelehrter Mönch aus einem französischen Kloster, hatte ein Geheimnis, welches ihm den Tod brachte. Etwas, das gewisse Kreise und verschiedene Interessengruppen dazu brachte, ihn aus dem Weg zu räumen.

Hier beginnt nun die Odyssee des besten Freundes des toten Mönchs, Pater Nil. Auch er ist ein Gelehrter und schon längst demselben Geheimnis auf der Spur wie sein toter Freund. Er begibt sich auf eine spirituelle und kriminalistische Reise, um den Tod Vater Andreis nicht vergebens sein zu lassen. Sie führt ihn von den verbotenen Flügeln der Bibliothek des eigenen Klosters bis zum Vatikan in Rom, bringt ihn in Berührung mit Welten, welche er kaum in ihrer Funktion verstehen oder nachvollziehen kann. Und bringt ihn schließlich in die gleiche Gefahr wie seinen verstorbenen Freund. Die katholische Kirche, der Mossad, die Fatah, eine Geheimgesellschaft innerhalb des Vatikans, alle sinnen nur darauf, die Entdeckung des Geheimnisses mit allen Mitteln zu unterbinden.

Zeitsprung: der Leser befindet sich im Jahr 30 nach Christus in Jerusalem. Immer wieder wird in eingesprengten Rückblenden eine erstaunliche Geschichte erzählt. Der Tod von Jesus ist keine göttliche Vorsehung, sondern ein grandios gescheitertes Komplott einiger Jünger, um ihn vor Schaden zu bewahren. Jesus stirbt nicht am Kreuz wegen eines einzelnen Verrats. Und sein Grab ist nicht leer wegen eines Wunders...

Von nun an wird die Person Jesus zum Spielball der Machtbestrebungen, welche sich in den aufkeimenden Kirchen und Glaubensströmungen seiner Nachfolge aufbauen. Der Titel gebende 13. Apostel, welcher die Wahrheit verbreiten möchte, wird von den einen Glaubenskanon anstrebenden 12 Jüngern mundtot gemacht. Doch dieser schreibt sein Vermächtnis nieder und löst damit eine Kette von Ereignissen aus, welche bis in die Gegenwartszeit des Romans reicht.

Macht und Ohnmacht

Michel Benoît geht in seinem Roman einen etwas anderen Weg als die meisten anderen Autoren, welche das Thema der Göttlichkeit der Figur Jesu behandeln. Er bemüht keine neueren Wissenschaften wie die Gentechnologie, sondern stützt sich nur sehr am Rande auf archäologische Funde. Die kriminalistische und spirituelle Reise seiner Hauptperson verläuft ganz nach den Wegen ‚der alten Schule‘. Pater Nil schöpft sein Wissen aus den Bibliotheken, den alten Medien, der Schrift. Seine Schlüsse lassen sich folglich auch nicht mit harten, körperlichen Fakten beweisen. Insofern ist auch der Schluss, den das Buch nahe legt eine Glaubenssache.

Man gewinnt den Eindruck, Benoît geht es hier um etwas anderes als das Erzählen eines spannenden und handwerklich gut verfassten Plots. Zu häufig sind die Andeutungen und zu direkt dem realen Leben nachgezeichnet sind viele seiner Figuren aus dem Bereich des Vatikans. Benoît, selbst ehemaliger Mönch mit, laut Portrait des Verlags, fünfjähriger Erfahrung innerhalb des Vatikans, übt recht unverhohlen Kritik an der katholischen Kirche. Er zielt auf spezielle Personen im Umkreis seines Papstes, Karol Wojtyla. Dessen Nummer Eins im Vatikan und eigentlicher Regent ist Kardinal Catzinger. Hier fragt man sich wahrhaftig, aus welchen Gründen ein einziger Buchstabe verändert wurde. Offenbar soll hier den Intrigen und Machtspielen, welche der Roman den Figuren zuschreibt, auf recht einfache Weise der Glamour von Authentizität zuteil werden.

Doch das kann über einige Schwächen in der Komposition nicht hinwegtäuschen. Die Intrigen, die hier gesponnen werden sind teilweise oberflächlich, nicht besonders intelligent und oft nicht nachvollziehbar. Beweggründe werden von sehr weit hergeholt und gerade die schlechten Taten der Schurkengestalten machen ab und an den Eindruck, als sei der Autor selbst vor der darzustellenden Bösartigkeit zurückgeschreckt und hätte lieber zum Mittel des Pathos gegriffen, um sie ergreifend genug zu gestalten.

Dafür gibt es hier Schurken in allen drei dargestellten Weltreligionen. Der musisch begabte Agent des Mossad, der fanatische naive Attentäter der Fatah und der dekadente Kardinal des Geheimordens, sowie den kühl berechnenden Catzinger. Dennoch genießen sie nicht alle den gleichen Status beim Autor. Der jüdische Agent wird als tragische Gestalt dargestellt, ein Opfer von Zeit und Umständen, doch mit Ehre und Loyalität selbst gegenüber Andersgläubigen. Bei weitem nicht so gut weg kommt dessen Weggefährte, der andere Teil einer ungewöhnlichen Auftragsmörderpaarung, der moslemische Attentäter. Sein Fanatismus kennt keine Grenzen und kein Mitleid, sein Glaube wird als sehr rückständig dargestellt. Ebenso wie die Bürokratie des Vatikans geht er über Leichen zur Verteidigung eines Weltbildes, nur mit dem Unterschied, dass er sich allzu gerne selbst die Hände schmutzig macht. Eine sehr undifferenzierte Darstellung, welche viel dazu beiträgt, den Plot des Buchs weniger glaubwürdig erscheinen zu lassen.

";Die Wissenschaft ist nur die Rinde, man muss sie überwinden, um zum Inneren zu gelangen";

Die Lösung all dieser Machtkonflikte sieht der Autor in einem seiner Schlüsselkapitel in der einzigen Macht, die er als heilsam anerkennt: den Glauben von innen heraus, die Gnosis, eine Erkenntnis ohne Wissen. Somit hat er auch schließlich den Grund verraten, aus welchem er diesen Roman verfasst hat. Dieses Buch hat eine Botschaft. Nur leider keinen wirklich spannenden Inhalt. Schließlich rudert der Autor auch noch von seiner grundlegenden Theorie zurück: ";Die Kirche ist ein notwendiges Übel, mein Sohn: Trotz des permanenten Missbrauchs ihrer Macht darfst du nicht vergessen, dass sie einen ungeheuren Schatz birgt, nämlich die Person Jesu.";

Das Geheimnis des 13. Apostels

Michel Benoit, Bastei-Lübbe

Das Geheimnis des 13. Apostels

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