Die dunkle Seite der Nacht
- Feder & Schwert
- Erschienen: Januar 2006
- 1
Urban Fantasy in der magischen Unterwelt von London - ein Pulp-Krimi mit überraschend phantasievollen Setting.
John Taylor ist eigentlich ein ganz normaler Privatdetektiv: verpeilt, unterbeschäftigt, spitzzüngig. Doch der Fall des verschwundenen reichen Töchterchens Cathy zwingt ihn, sich in sein altes Revier zu begeben. Und das ist gar nicht normal. Denn John Taylor kommt aus der Nightside, eine Art dunkles London voll von Verbrechen und allerlei zwielichtigen Dienstleistungen für Kunden mit besonders ausgefallenem Geschmack. Die ebenso reiche Mutter im Schlepptau, begibt er sich auf altes Gebiet, und trifft dort sein zurückgelassenes Leben wieder. In seiner Zeit in der Nightside hat er sich nicht nur Freunde gemacht. Und selbst die sind in der Nightside anders definiert - sie erstechen dich nämlich nur, wenn der Preis hoch genug ist. Dann ist da noch Walker, die oberste Aufsichtsbehörde der Nightside, der sicherstellt, dass alles in seinen mehr oder weniger geregelten Bahnen verläuft. Er macht John nicht das erste Mal einen Strich durch die Rechnung.
Der Auftakt zu Simon R. Greens Serie "Geschichten aus der Nightside" ist fulminant und bunt - auf eine gefährlich Art und Weise. Natürlich folgt der Autor mit der Kriminalgeschichte einem altbekannten Muster, und auch John Taylor wirkt wie der typische Detektiv in Trenchcoat und geheimnisvoller Vergangenheit. Er hat sogar eine Superkraft: Er kann Sachen aufspüren. Klingt dämlich, verblasst aber neben den Spezialfähigkeiten vieler anderer in der Nightside und ist deshalb relativiert. Doch man spürt, dass sich Autor, Charaktere und Geschichten nicht ganz ernst nehmen, was nicht nur für viel Comic Relief, sondern auch zu einer spritzigen Erzählung führt. Mit der Mischung von abgehalftertem Privatdetektiv und reicher Tussi ist das Hauptgespann einfach genug aufgestellt, um mit allerlei kantigen Dialogen aufzuwarten. Das muss man nicht mögen, kann man aber.
Die Nightside selbst ist dagegen mal etwas anderes. Die lustig-dunkle Welt aus suizidgefährdeten Touristen und alteigesessenen Verrückten ist anziehend. Da gibt es Auftragsmörder, die Halbgötter mit Rasierklinge sind, schlecht gelaunte Barkeeper und skrupellose Mörderinnen mit perfekten Modelmaßen. Überhaupt ist der Tod in der Nightside näher - was die meisten Charaktere nicht von ihren schlecht-witzigen Sprüchen abhält. Mit Liebe ist eine absurde, gefährliche und schöne Welt beschrieben, in der alles ein bisschen extremer ist als im normalen London. Kein Wunder, dass Hauptcharakter John Taylor eine Art Hassliebe zu seiner Heimat entwickelt hat. Da ist der Verkehr in der Nightside, der nie anhält (wohl im Gegensatz zum Dauerstau in London entworfen), und der Strassenüberquerungen zum geplanten Selbstmord macht. Vor allem, weil manche Fahrzeuge gar keine sind, und manche auch auf Menschenfleisch stehen. Da gibt es Zeit- und Raumanomalien in Seitengassen, die dich in ferne und gefährliche Zukünfte werfen. Und das alles nur eine U-Bahnhaltestelle vom normalen London entfernt.
Fazit:
"Geschichten aus der Nightside" sind sicher das Gegenteil von hoher Literatur, es ist eher ein literarischer Snack für zwischendurch, der nicht übermäßig belastet. Klischees gibt es unzählige, aber der locker-leichte Umgang damit macht sie nicht so prominent und nervig. Außerdem hat die Nightside immer wieder lustige Überraschungen zu bieten, die den Leser bei Laune halten. Und wenn nicht mehr geht, wartet hinter der nächsten Ecke sicher eine Droschke mit sprechendem Pferd.
Sanja Döttling im August 2013
Simon R. Green, Feder & Schwert
Deine Meinung zu »Die dunkle Seite der Nacht«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!