Das Haus

  • Klett-Cotta
  • Erschienen: Januar 2007
  • 16
Das Haus
Das Haus
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Verena Wolf
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonJul 2007

Ein Horror-Labyrinth der Extraklasse

";Das hier ist nicht für Euch"; - So geht eins der außergewöhnlichsten Bücher los, das Ihr jemals in die Finger bekommt. Verlasst Euch drauf.

Vor sieben Jahren erschien in den USA ";The House of Leaves"; - jetzt schon dort ein Kultbuch, nun erschien ";Das Haus"; auch in Deutsch. Man kann beim Lesen Muskelkater bekommen, denn es wiegt satte 1,5 Kilo, es ist 797 Seiten dick, hat 450 Fußnoten, leere Blätter, quer bedruckte Seiten, muss teilweise auf den Kopf gelesen werden und hat einen bombastischen Anhang mit vielsprachigen Zitaten, Fotos, Collagen und  Briefen. Sprich: es ist ungewöhnlich, seltsam und kompliziert. Aaaaaber, es wird Euch kriegen!

Der Flur, der nicht sein darf

Die Hauptstory ist recht einfach: Die Navidsons, eine vierköpfige Familie plus Hund und Katze ziehen von New York City nach Virginia in ein altes Haus. Der Horror beginnt, denn dort passieren seltsame Dinge. Das Haus ist innen größer als von außen. Ein Flur erscheint aus dem Nichts und führt in ein riesiges eiskaltes Labyrinth von Gängen, finsteren Riesenräumen und unglaublichen Tiefen. Dieses geheime grauenvolle zweite Haus verändert seine Struktur und scheint auf die Bewohner und Besucher zu reagieren. Die Familie zerbricht beinahe daran. Navidson, der ein berühmter Fotograf ist, erkundet das Haus mit Kameras und bannt alles genaustens auf Film. Das Ergebnis ist der Dokumentarfilm ";Der Navidson Report."; In der Nebengeschichte hat ein Mann namens Zampano diesen Film analysiert, erzählt diesen nach und hat dazu eine riesige Blätter- und Zettelsammlung angelegt. Aber Zampano kommt unter seltsamen Umständen ums Leben. Seinen Nachlass - die dritte Geschichte - findet wiederum ein junger Kalifornier namens Johnny Truant. Eigentlich war dieser bisher vollauf damit beschäftigt, in einem Tätowierladen zu jobben, in eine Stripperin verliebt zu sein und in seiner Freizeit mit seinem besten Freund Lude in Bars rumzuhängen und Frauen abzuschleppen. Aber jetzt steigert er sich mehr und mehr in das Manuskript von Zampano hinein, kommentiert dies und recherchiert selbst dazu. Im Laufe dessen wird er zunehmend von Angstattacken geplagt und spürt ein seltsames Grauen, genauso wie vor ihm wohl Zampano und auch Navidson.

Das Grauen in ";Das Haus"; bleibt dabei gesichtslos und vage, das ist ähnlich wie im viel verglichenen Blairwitch Project Film. Aber gerade das macht Angst, der gesichtslose Schrecken, der Alptraum des einsamen Wanderns in stockdunklen Räumen ohne Ende und Anfang. Nie habe ich vor einem einfachen Flur vorher Angst gehabt oder mich dabei ertappt, dass ich ängstlich das gemütliche Wohnzimmer belauert habe, voller Panik, eine Wand könnte sich auf einmal schwarz färben.

Ein wahnsinniger verschlungener Irrgarten

Diese drei Geschichten sind ineinander verflochten und bilden ein Labyrinth voller Sackgassen, Winkel und dunkler Ecken. Am Anfang noch geordnet und leserfreundlich präsentiert verwirren sich die drei Stories immer mehr, unterbrechen einander, laufen parallel, werden Episoden in den Fußnoten zu den eigentlichen Geschehnissen. Das dort eingefangene völlig verkopfte Sozial- und Kulturwissenschaftsgeschwafel lässt das Grauen, was es zu analysieren versucht, noch echter wirken. Auch die experimentelle Darstellung der Handlung, die immer mehr aus den Fugen gerät, nimmt wie das Grauen zu. Kein Wunder, dass der Verlag drei Jahre brauchte, das Buch zu setzen. Aber es ist - anders als ich befürchtete - nie selbstverliebte, dumme Effekthascherei. Wenn ein kleines schwarzes Quadrat aus Buchstaben auf einer sonst leeren Seite einen engen Tunnel darstellt, sagt das Druckbild plötzlich mehr als tausend Worte. Versprochen!

Ob das, was geschrieben ist, dokumentarisch ist oder reine Fiktion, wird ständig selbst Diskussionspunkt. Es ist zwar wie ein wissenschaftliches Buch über einen Dokumentarfilm aufgemacht, der die zutiefst beängstigenden Erkundungen des Hauses zum Thema hat. Aber die Erzähler selbst sind höchst fragwürdig und hinterfragen gleichzeitig selbst die Authentizität. Zum einen kann Truant in seinen Recherchen keinen Anhaltspunkt finden, dass der berühmte Film ";Navidson Report"; überhaupt existiert. Die meisten der von Zampano zitierten wissenschaftlichen Werke und Sekundärliteratur sind offensichtlich erfunden. Außerdem war Zampano die letzten vierzig Jahre blind, wie soll er überhaupt den Film gesehen haben können? Aber auch Truant selbst ist ein notorischer Lügner, wie von Anfang an klar wird. Er liebt es zu fabulieren, erfindet seine eigene Lebensgeschichte gern neu. Außerdem scheint er immer mehr bei der Lektüre des Nachlasses von Zampano den Verstand zu verlieren. Ab einem gewissen Punkt befürchtet man allerdings auch selbst, allein durch das Lesen von ";Das Haus"; dem unbeschreiblichen Grauen eine Tür geöffnet zu haben: eine Tür zum eigenen Verstand. Ein sehr beunruhigender Gedanke. Zum Schluss bleibt eine gewisse flattrige Ungewissheit zurück und man ertappt sich noch lange danach- auch im Sonnenschein -an dunkle kalte Flure zu denken. Ich bin begeistert!

Das Haus

Mark Z. Danielewski, Klett-Cotta

Das Haus

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