Pharma

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
Pharma
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Marcel Buelles
53°1001

Phantastik-Couch Rezension vonOkt 2007

Liebling, hast du die Blumen gegossen?

Ein US-amerikanischer Pharmakonzern unterhält ein Labor im südamerikanischen Dschungel. Die Grundlagenforschung für wegweisende Medikamente aus Pflanzenextrakten war früher ein vielversprechendes Unterfangen, doch mittlerweile stimmen die Zahlen nicht mehr und synthetische Heilmittel lassen sich leichter und unter bequemeren Umständen als kleinen Hütten im Amazonas-Gebiet herstellen. Als aber ein Touristenpärchen unter mysteriösen Umständen von einer gigantischen Venusfliegenfalle angegriffen wird, überschlagen sich die Ereignisse.

";Ein rasanter Wissenschafts-Thriller von erschreckender Aktualität";?

Diese Aussage findet sich auf der Buchrückseite von Rip Gerbers Buch Pharma und deutet an, worum es sich bei seinem Thriller handelt. Ein verantwortungslos agierender Großkonzern konzentriert sich auf wenige, aber lukrative Medikamente, die sich zu Millionengewinnen verarbeiten lassen. Grundlagenforschung, gerade wenn es um die Gewinnung von Wirkstoffen aus obskuren Pflanzen geht, die nur wenigen Menschen bei sehr seltenen Krankheiten Heilung versprechen würden, lohnt sich nicht. Der Zusammenschluß mit einem Konkurrenten steht bevor und es werden alle verlustreichen Unternehmungen auf den Prüfstand gestellt, die man zur Verbesserung des eigenen Verkaufswerts noch schnell abstoßen will. Dazu gehört auch das Labor im brasilianischen Urwald, in dem die Wissenschaftler Ben Maxwell und Susan Plotkin Grundlagenforschung betreiben, aber kurz vor der Schließung ihres unrentablen Labors stehen. Als in der Konzernzentrale ein wichtiger Mitarbeiter, der mit dieser Forschungsstätte zu tun hatte, ermordet wird, bricht ein Chaos los, das keiner der Beteiligten vorhergesehen hatte.

Das Labor in Somba hatte lange Zeit erfolgreich geforscht und im ";Projekt Dorothy"; einen Wirkstoff gegen Progerie entwickelt, eine seltene Krankheit, bei der der menschliche Alterungsprozeß erheblich beschleunigt ist und ihre Opfer sehr früh sterben. Die damals tätigen Wissenschaftler hatten aber von einem Tag auf den anderen alle Unterlagen vernichtet und waren spurlos verschwunden. Der herbe Rückschlag für die Unternehmung im brasilianischen Dschungel hatte Plotkin und Maxwell gezwungen, gegen widrige Umstände der Konzernspitze zu erklären, warum sie das Labor überhaupt noch unterhalten sollte. Als sie Pflanzen finden, deren Wachstum so rasch beschleunigt ist, daß sie binnen kürzester Zeit um Meter wachsen können, glauben die beiden endlich den Trumpf gefunden zu haben, mit dem sie die Schließung verhindern können. An diesen Pflanzen haben aber noch ganz andere Leute Interesse.

Eine gigantische Venusfliegenfalle kommt selten allein

Somba hat das Interesse von Roberto Hopkins erweckt, der die Macht in dieser Gegend des brasilianischen Urwalds inne hat. Er zieht die Fäden bei allem, was in Manacapuru geschieht, der Stadt, die dem Forschungslabor am nahesten liegt. Als er von den Angriffen auf Menschen hört, die von rasch wachsenden Pflanzen durchgeführt werden, richtet er sein Augenmerk auf Somba und übernimmt es, bevor die Wissenschaftler oder der Konzern etwas dagegen tun können. Sein Interesse gilt dem Wirkstoff, den die Forscher gegen Progerie entwickelt hatten, denn seine Tochter war daran erkrankt - und gab dem ";Projekt Dorothy"; seinen Namen. Seit langem kämpft er schon gegen den Raubbau am Dschungel, verfolgt aber scheinbar noch andere Ziele, die im Verborgenen liegen. Ein Vorstandsmitglied des Großkonzerns kommt aus den USA, um Wissenschaftler und Labor wieder in dessen Besitz zu  bringen und handelt mit Hopkins einen Deal aus, der alle zufrieden stellen soll. Was Plotkin, Maxwell und sein Sohn Jack, ein verzehnjähriger Computerhacker zu Besuch in Brasilien, nicht wissen ist, daß der Deal auf ihre Kosten gehen soll.

Pharmakonzerne, ihr sprichwörtlich schlechter Ruf und der Raubbau am Amazonas

";Erschreckende Aktualität"; ist das Stichwort, um das sich Gerbers Erstlingswerk dreht. Der ehemalige CIA-Angehörige, Biochemiker und erfolgreiche Manager in der Telekommunikationsbranche hat sicherlich die besten Voraussetzungen dafür, alle möglichen Verschwörungstheorien in der Welt zu setzen, geht aber mit Pharma einen Schritt zu weit. Machtgierige Konzernverantwortliche und korrupte Südamerikaner mögen sicherlich weiterhin den Klischées entsprechen, aber daß Pflanzen dazu gebracht werden, möglichst schnell zu wachsen, um sie als Waffe einsetzen zu können, scheint doch ein wenig weit hergeholt zu sein. Möglich, offensichtlich, aber irgendwann gehen Fatalismus und Defätismus im literarischen Umfeld einfach Hand in Hand eine Armlänge zu weit.

Denn genau das ist die Erkenntnis von Plotkin und Maxwell: Ihr Arbeitgeber hat vor langer Zeit in einem geheimen Projekt angefangen, rasantes Pflanzenwachstum über genetische Schlüssel und einen vorher festgelegten Auslösemechanismus zu entwickeln, um es dann an das Militär verkaufen zu können. Zumindest wirkt es einige Seiten lang so, nur um dann zum Ende hin in eine fade Erzählung über organisierte Kriminalität abzurutschen, die wie bei King Kong das ";Pflanzen-Monster"; in die USA bringt, wo es nur durch Flammen und riesige Explosionen besiegt werden kann. Als dann der vierzehnjährige Sohnemann noch einen Hubschrauber fliegt, weil er auf seiner Spielekonsole an Hubschraubersimulatoren geübt hat, geht aller Anschein von Ernsthaftigkeit im Roman verloren. Ganz abgesehen davon, daß er sich vorher noch in die Konzernzentrale eines der größten, weltweit agierenden Pharmaunternehmen gehackt hat.

Nein, Pharma beginnt zwar gefällig und vermag in den ersten Kapiteln brauchbar Spannung aufzubauen, verliert aber im Gesamteindruck durch das absurde Ende so sehr, daß man sich die Frage stellen muß, was den Autor geritten hat, aus der interessanten und auch moralisch relevanten Frage nach der Ausbeutung des südamerikanischen Urwalds durch US-amerikanischen Großkonzerne ein Travestiestück verschwörungstheoretischer Absonderlichkeiten gemischt mit Miami Vice und einem Schuß Betroffenheit à la Greenpeace zu machen. Bis zum Kapitel Transpiration auf Seite 399 mag man noch einen packenden Thriller erwarten, doch passend zum Kapiteltitel treibt es einem Schweißperlen auf die Stirn, was dann geschieht. Immer schneller reihen sich die platitüdenhaften Sonderbarkeiten aneinander und ein Gedanke unter vielen ist sicherlich: ";So ein Ärger, das hätte was werden können."; So aber nicht und nach gut fünfhundert Seiten legt man verwirrt und vor allem erleichtert das Buch zur Seite. Hoffentlich werde ich nie von einer Venusfliegenfalle gefressen.

Pharma

Rip Gerber, Heyne

Pharma

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