Eisenthron
- Goldmann
- Erschienen: Januar 2004
- 4
Ein moderner Klassiker der Fantasy
Mit der Bezeichnung ";Epos"; ist man ja heutzutage schnell bei der Hand, keine mittelmäßige Trilogie, die diese Auszeichnung nicht von irgendwem verliehen bekäme. Nun erschafft der amerikanische Autor George R.R.Martin mit ";A Song of Ice and Fire"; ein Werk, für das diese Bezeichnung fast zu klein geworden ist - zumindest deutet sich das an, denn bislang ist kaum mehr als die Hälfte der geplanten Bände vollendet, und dennoch ist die Serie schon jetzt ein moderner Klassiker.
Die sieben Königslanden von Westeros stehen einander in losen Bündnissen und eher noch beständigem Misstrauen bis hin zu tiefen Feindschaften gegenüber. Das Leben weist stark mittelalterliche Züge auf - Wohlstand gibt es allenfalls unter den Lords, Sicherheit gibt es dagegen nirgends. Eddard Stark ist der Herr auf Winterfell und somit Lord über das nördlichste der großen Herrschaftsgebiete. Es grenzt an einer vor langer Zeit erschaffenen Eismauer titanischen Ausmaßes, die Westeros schützen soll vor allem Unbekannten und Bedrohlichen, was den sagenumwobenen äußersten Norden bewohnen soll und überzugreifen droht, wenn alle paar Jahre der lange Winter hereinbricht.
Die Geschichte setzt zu einem Zeitpunkt an, an dem der König von Westeros, Robert Baratheon, nach Winterfell kommt. Er ist Lord Stark seit langem in Freundschaft verbunden, spätestens seitdem er es mit dessen tatkräftiger Unterstützung schaffte, Westeros vom Tyrannenherscher Aerys Targaryen zu befreien und selbst den Thron zu besteigen. Nun beabsichtigt er, Lord Stark zu seinem wichtigsten Berater, zur ";Hand des Königs";, zu ernennen. Für Lord Stark wird es den Gang in ein Wespennest bedeuten, denn den Intrigen und Machtspielen rund um den Königsthron kann er nichts abgewinnen, und nur seine Töchter Sansa und Arya werden ihn begleiten.
Währenddessen versucht Visery Targaryen, der ins Exil vertriebene Sohn des gestürzten Drachenkönigs Aerys, zur Rückeroberung des Throns an eine Streitmacht zu kommen, indem er seine Schwester Daenerys an einen mächtigen Stammesfürsten verheiratet. Ihm ist jedes Mittel recht, um dem verhassten Usurpator Robert Baratheon die Königskrone wieder abzunehmen. Inmitten der politischen Wirren bleibt fast unbemerkt, dass sich im hohen Norden die Vorboten eines langen, dunklen Winters mehren. Jon Snow, der Bastardsohn von Eddard Stark, wird sich der Nachtwache anschließen, deren Aufgabe es ist, die Mauer zu bewachen. Dort wird er als erster seiner Familie konfrontiert mit Ereignissen, die bedrohlicher sind, als alle Spiele um Königsthrone es sein könnten.
Eine unvorhersehbare Handlung
Angelehnt an die englischen Rosenkriege des Mittelalters, verwebt George R.R.Martin die raue und ungeschlachte Welt mit erst zögerlich auftretenden Fantasy-Elementen, die sich wie gewaltige Schatten langsam und dadurch umso unheimlicher über die Geschichte legen. Es gibt keine Hexen oder Trolle, lediglich Schattenwölfe trifft man in der realen Welt nicht an; statt einer bunten Vorgeschichte dieser Welt scheinen sich die Protagonisten nur mit alltäglichen oder politischen Problemen herumzuschlagen und alle unerklärlichen Geschichten in das Reich der Sagen und Ammenmärchen zu verweisen, wie es im Mittelalter nicht anders gewesen sein dürfte - einzige Ausnahme ist dabei die Gewissheit, dass es mal Drachen gegeben hat, die inzwischen scheinbar ausgestorben sind.
Indem die Geschichte aus der Sichtweise der wichtigsten Protagonisten erzählt wird, lernt der Leser sehr schnell die unterschiedlichen Motivationen und Sichtweisen der Charaktere kennen und hat erstaunlich wenig Mühe, sich in diese grobe und erbarmungslose, gleichwohl komplizierte Welt hineinzufinden. Der Blick auf die Dramatis Personae am Ende des Buches sollte niemanden abschrecken - er wird schnell die verschiedenen Familien und Personen (nun, zumindest die meisten) einzuordnen wissen. Der Autor versteht es zudem, die Handlung absolut nicht vorhersehbar zu gestalten. Keiner der Figuren kann sich in dieser Welt sicher sein, ob dem Leser sympathisch oder unsympathisch, ob zentral für den bisherigen Handlungsverlauf oder nicht, ob ein Anlass zu erwarten war oder aus heiterem Himmel kommt - alle leben mit einem Fuß über dem Abgrund, und wer wann Schicksalsschläge oder gar den Tod zu erwarten hat, wird auch einen alten Hasen der Fantasyliteratur mehr als einmal ziemlich überraschen.
Komplex, magisch, realitätsnah
Es ist der harte Realismus der Handlung, der den zunächst sporadisch anzutreffenden unerklärlichen Ereignissen eine so durchschlagende Wirkung verleiht. Der Prolog weist darauf hin, dass eine unvorstellbare Bedrohung existiert, und dieses Wissen begleitet den Leser, der damit zugleich die dunklen Zeichen erkennt und ernster nimmt als die Personen dieser Geschichte, die mit den ";weltlichen"; Gefahren eines höchst instabilen Königreiches hinreichend beschäftigt sind , es aber nicht sein sollten! Das hierdurch entstehende Spannungsfeld fasziniert in höchstem Maße, denn es ist ein ungewohnter Perspektivwechsel: der Leser vermag weit besser zwischen sagenumwobenen und tatsächlichen Gefahren zu unterscheiden als die agierenden Personen.
George R.R.Martin schafft eine komplexe, magische und doch zugleich realitätsnahe Welt, dessen Figuren scharf gezeichnete Charaktere sind, die niemanden unberührt lassen und deren Schicksale unvorhersehbar sind, was den Gang der Geschichte umso spannender macht.
Freilich muss der Leser Geduld mitbringen - nicht beim Lesen der Geschichte, denn diese Zeit vergeht wie im Flug, sondern Geduld, wenn er nach 8 Bänden auf die Fortsetzung der Saga wird warten müssen….
George R. R. Martin, Goldmann
Deine Meinung zu »Eisenthron«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!