Werwolfthriller in historischem Gewand
Europa zur Zeit des dreißigjährigen Krieges. Die Deutschen Kleinstaaten versinken im Religionskrieg, die wenigen Überlebenden geißelt der Hunger und die Pest. Gehöfte, Dörfer und Städte, der schwarze Tod macht weder vor Arm noch vor Reich halt, der ewige Gleichmacher des Schnitters nivelliert alles und jeden.
Die Chronik des Hagen von Stein berichtet vom weiteren Leidensweg des einstigen Streiters für die Kirche. Als Wariwulf diente er dem Klerus. Nachdem eine Heketisse ihn getäuscht und verleitet hat, das Fleisch Adams, seines eigenen Sohnes zu essen, und einen magischen Dorn in sein Herz gerammt hat, ist er auf ewiglich verflucht. Die Absolution bleibt ihm verwehrt, es bleibt keine Hoffnung auf Erlösung mehr, statt dessen ist er als unsterblicher Bletzer dazu ausersehen bis ans Ende seines untoten Daseins den Wariwölfen zu dienen.
Doch Hagen hat seine eigenen Pläne, und die sehen keine Frondienste bis zum jüngsten Tag vor. Nach außen spielt er in Prag den unterwürfigen Diener seines Herren, doch im Geheimen denkt er über einen Aufstand nach. Mit dem Blut der Bletzer und den Beschwörungen der Heketissen sucht er unsterbliche Streiter zu schaffen. Erste Versuche misslingen, doch dann gelingt das Undenkbare - das Herz eines Wolfes, das Blut eines Bletzers und die dunkle Magie der Hexen gebären einen Vampir, die Idee einer Streitmacht unter seiner Herrschaft nimmt Gestalt an...
Die Recherchen haben sich gelohnt
Der studierte Germanist und Literaturwissenschaftler André Wiesler hat sich literarisch bislang hauptsächlich im Serienkosmos des ";Schwarzen Auges" und ";Shadowrun" bewegt. Mit seiner Trilogie um ";Hagen von Stein" legt er erstmals eine Schöpfung vor, die abseits der üblichen Pfade dem Leser etwas Neues zu präsentieren sucht. Im weitesten Sinne kann man die Trilogie als Mystery-Serie einstufen. Im Gegensatz zu den momentan so angesagten Vampir-Romanzen und Urban-Fantasy-Szenarien aber hat Wiesler versucht, seine Handlung auf ein breiteres historisches Gerüst zu stellen.
Neben der in kurzen Auszügen in der Jetztzeit spielenden Jagd der modernen Inquisition nach den Werwölfen und Vampiren berichtet der Autor uns im Wesentlichen vom Leben Hagens. Im vorliegenden Band erfahren wir, wie es ihm, der ehedem auf Seiten der katholischen Kirche für diese als Werwolf in den Krieg zog, seit seines tiefen Falls zum verdammten Diener weiter erging.
Die Darstellung der Lebensumstände vor und während des dreißigjährigen Krieges scheint mir sehr gelungen zu sein. Durch die Augen Hagens erhalten wir einen intimen Einblick in eine Welt, die geprägt ist von Not und Krieg. Angesichts der jahrzehntelang andauernden Kämpfe zwischen Protestanten und Katholiken greifen Hunger und Seuchen um sich. Die Menschen sind verzweifelt, die Söldner verroht, überall gilt einzig das Recht des Stärkeren, des Brutaleren. Als dann auch noch die Pest ihr Haupt erhebt und die letzte zivilisatorische Tünche hinwegschwemmt, ist kaum mehr ein Unterschied zwischen Mensch und Tier feststellbar. Ohne hier zu sehr ins Voyeuristischen abzugleiten, beschreibt der Autor die Zustände ohne falsche Scheu, zeigt uns gerade vor dem Hintergrund eines Religionskrieges auf, dass es wie immer nur um Machtinteressen und um Dominanz geht.
Anders als im ersten Teil gibt Wiesler seinem Protagonisten Hagen ein deutlich markanteres Profil. Das ist kein Mann mehr, mit dem der Leser Mitleid haben muss, der sich den Ereignissen relativ hilflos ausliefert, das ist ein Mann, der zunächst Freiheit für sich und seine Artgenossen sucht, später ganz in seiner Rache aufgeht. Nicht unbedingt ein stromlinienförmiger Protagonist, in den man gerne hineinschlüpft und sich wohl fühlt, aber ein interessanter widersprüchlicher Charakter, der sich, von den Geschehnissen gezeichnet, fortentwickelt.
Weitere Spannung baut Wiesler dadurch auf, dass er uns aus der Sichtweise eines Inquisitors der Jetztzeit von der weiteren Auseinandersetzung der Kirche mit dem Bletzer berichtet.
Nicht nur der Fokus hat sich hier verschoben, durch seine Taten wird auch deutlich, dass von Stein sich immer weiter von dem einst feinfühligen, gottesfürchtigen Mann entfernt hat, der er einmal war. Scheinbar ist er nun ein willfähriger Diener des Bösen, hat seine Moral ganz auf dem Altar seiner Ambitionen geopfert. Gerade die distanzierte Sichtweise, die vieles offen lässt, trägt hier dazu bei, die Person des Hagen von Stein noch interessanter zu machen. Wir rätseln mit, was wohl aus ihm geworden ist, was ihn dazu bewogen hat, die Brücken hinter sich vollends abzubrechen und seine Menschlichkeit zu opfern. Hier wird der abschließende dritte Band sicherlich noch weitere überraschende Erkenntnisse für uns bereit halten.
Insgesamt gesehen legt Wiesler einen eigenständigen Plot vor, der inhaltlich solide und fundiert recherchiert die Zeit um 1630 zum Leben erweckt, mit einer phantastischen Handlung verbindet und kurzweilig zu unterhalten weiß.
André Wiesler, Heyne
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