Einmal Schabernack mit Sahne bitte
Es gibt sehr viel 08-15 Fantasy und es ist immer gut, sich auf die ";Big Five"; zu verlassen: Elfen, Zwerge, Drachen, Orks und Magier ziehen immer. So haben Heyne und Piper clever in einer Fantasy-Reihe jeweils ein fantastisches Völkchen als Titel und Protagonisten erwählt und es läuft wohl gut. Aber jetzt endlich segelt jemand nicht im Kielwasser von Tolkien. Karl-Heinz Witzko, der DSA-Rollenspielern aus Abenteuern und Büchern bereits gut bekannt ist, erwählt die Kobolde als seine Hauptdarsteller für sein neuestes, gleichnamiges Buch und damit Wesen aus unseren Volkssagen und Märchen.
Worum geht es? Eine Bandenquartett Kobolde ist im Auftrag ihres Arbeitsgebers Moin-Moin in unserer Welt unterwegs, um ein Kind gegen einen Wechselbalg auszutauschen. Leider lässt ihre Verbündete, eine sprechende, motzige Tür, die im wahrsten Sinne ihre Verbindung zwischen den Welten ist, sie heimtückisch im Stich. Die armen Kobolde sitzen in der Menschenwelt fest und müssen einen anderen Weg zurück in ihre Koboldstadt finden. Und das ist gar nicht so einfach: Eine Irrfahrt beginnt, in der unsere liebenswerten Wichte von Rittern, Hunden und anderen für sie extrem seltsamen Wesen gejagt werden und erst nach und nach wirklich verstehen, warum alle hinter ihnen her sind.
Unterhaltsam und ungewöhnlich
Schon schon auf der ersten Seite merkt man, das sind keine stolzen Krieger oder finstere Orks oder ernstzunehmende Zauberer. Genauso wenig geht es hier um die Rettung der Welt oder einen Krieg, den nur ein Held (der meist zufällig der Hauptdarsteller des Fantasywerks ist) vereiteln oder gewinnen muss. Wer ein großes Epos voll pathetischer Heldenschwüre oder seitenlange, blutrünstige Kämpfe sucht, in denen edle Recken zu Hunderten fiese Wesen niedermetzeln, der ist hier falsch. Genauso wenig ist das Buch nervenaufreibend gruselig oder nimmt sich selbst allzu ernst. Aber das ist gut so.
";Die Kobolde"; steht voll und ganz im Zeichen der lustigen, manchmal ein wenig nervigen Plagegeistern, die einander Streiche spielen, Schabernack treiben und chaotische Kobold-Ideen im Kopf haben, während sie versuchen, ihrern Häschern zu entkommen und mit Hilfe von neuen Verbündeten eine neue Tür in ihre Welt zu finden. Ein Schälchen heißgeliebter Milch, das auf sie die Wirkung von starken Alkohol hat wird genauso thematisiert wie der Umbau von Kerzenleuchtern als Steigeisen.
Kleine Welt, großer Wortwitz
Witzko schreibt voller Witz und krudem Humor und dazu passen seine Hauptakteure wie die berühmte Faust aufs Wichtelauge. Man begibt sich auf die Augenhöhe von Kobold Brams udn Gefährten und darum ist auch die Geschichte selbst ein Flickwerk aus lauter netten kleinen Einfällen und sprachlichen Witz, ohne das die Story selbst einen vom Hocker reißen muss. Witzko bedient sich zurecht in der mittelalterlichen Märchenwelt, in der die Kobolde herumgeistern. Die weiße Frau treffen sie genauso wie Königinnen, Pagen, einen Fuhrmann und die Waldhexe Holla. Auch das Märchen Rumpelstilzchen sieht man im Zusammenhang mit dem ";Wechselbalggeschäft"; nach dem Lesen ganz anders! Das alles wird mit einem Augenzwinkern erzählt. Die Erlebnisse der Kobolde erinnern schon mal an den Slapstick a la Dick und Doof und die Witze, die Witzko wohl nicht nur seines Namen wegen gern gekonnt einstreut, ziehen von kindlich bis zotig alle Register. Unbedingt erwähnt werden muss hier der Klabautermann, der ganz Seemann aus Prinzip nur im besten Plattdütsch plaudert und ein Herzchen aus Gold hat.Freunde von Terry Pratchett werden beim Lesen sicher ihren Spaß haben, auch wenn Wiktzos Humor - glücklicherweise - keine Kopie von Pratchetts ist: Witzko fährt auch hier nicht im Kielwasser großer Kollegen. Aber auch alle Fantasy-fans, die einmal weitab von den sehr ausgetretenen phantastischen Pfaden einen lustigen kleinen Spaziergang mit ungewöhnlicher Dreikäsehoch-Begleitung machen wollen. So geht das.
Karl-Heinz Witzko, Piper
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