Conan der Rebell
- Heyne
- Erschienen: Januar 1994
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Conan verliebt und als Erlöser
In dieser vorgeschichtlichen Vergangenheit ist die Erde nicht nur ein wilder, von Monstern und Geistern bevölkerter Ort, sondern auch ein Spielball miteinander konkurrierender ‚Götter‘. Vor allem Set, der finstere Schlangengott, und Mitra, der strahlende Sonnengott, streiten miteinander. Aktuell macht sich Set große Sorgen, denn eine uralte Prophezeiung scheint sich zu erfüllen, nach der aus dem fernen, kalten Norden ein mächtiger Barbarenkrieger in den Süden ziehen und sich dort mit der magischen Streitaxt von Varanghi an die Spitze einer Rebellenarmee gegen Set stellen wird. Der Gott beauftragt seinen Zauberpriester Tothapis, diesen ‚Erlöser‘ zu finden und in seine Festung in Khemi, der Hauptstadt des vom Bösen beherrschten Königreiches Stygien, zu verschleppen, wo Set ihn ‚befragen‘ will.
Ahnungslos macht sich besagter Rebellenführer in spe gerade einen Namen als Pirat an der Seite der schönen Freibeuterin Bêlit. Sie hat ihrerseits eine Rechnung mit den Stygiern offen, weil diese ihre Familie umgebracht und ihren Bruder entführt haben. Mit schwarzer Magie und Verrat lockt Tothapis Conan nach Khemi. Mit ihm in Haft sind Prinzessin Dalia, Tochter des gegen Stygien aufständischen Königs von Taia, der Adelige Falco, ein Spion aus dem Königreich Ophir - und Jehanen, Bêlits Bruder!
Gitter konnten Conan nie lange halten. Auch dieses Mal erkämpft er sich die Freiheit und flüchtet mit seinen Begleitern. Da der Weg zur Küste, wo Bêlit mit ihrer Piratencrew wartet, versperrt ist, wendet sich das Quartett landeinwärts. Doch dank magischer Hilfsmittel ist ihren Tothapis auf der Spur, weshalb die Flüchtlinge immer wieder in die Enge getrieben werden ...
Barbar in Serientäter-Schreibhand
Als Conan, der Barbar, ins literarische Leben gerufen von Robert E. Howard (1906-1936), von Regisseur John Milius in Gestalt des Bodybuilders und Amateur-Schauspielers Arnold Schwarzenegger überaus erfolgreich den Sprung ins Kino schaffte, war dies das Startsignal für eine Serie ‚neuer‘ Conan-Romane, die mehr oder weniger regelmäßig bis in die Gegenwart veröffentlicht werden.
In der Regel waren und sind es zweitklassige Autoren bzw. Reißbrett-Profis, die diese Serie fortsetzen. Conans Welt, von Howard kunstvoll erschaffen, wurde auf bestimmte Handlungselemente, Figuren und Schauplätze eingedampft, die in Variationen immer wieder verwendet werden. Dieser Conan ist ein Actionheld, der sich mit Monstern, Schurken und Magiern herumprügelt und dabei ein „Mädchen“ ‚beschützt‘. Ist die mit dem Verlag vereinbarte Buchseitenzahl erreicht, folgt ein spektakuläres Finale, bevor Conan im nächsten Band an anderer Stelle wieder bei Null anfängt.
Nur selten haben sich bekannte bzw. ‚gute‘ Schriftsteller mit dem Barbaren beschäftigt. Zu ihnen zählen Lyon Sprague de Camp (1907-2001), der schon in den 1950er Jahren damit begann, von Howard hinterlassene Storyfragmente zu vervollständigen sowie neue Conan-Romane und Storys zu schreiben. Ansonsten zu nennen sind höchstens Karl Edward Wagner (1945-1994) - und Poul Anderson (1926-2001). Wie man letzteren überreden konnte, ein Conan-Garn zu stricken, lässt sich schwer beantworten. 1980 war Anderson längst als Großmeister der Science Fiction und Fantasy anerkannt. Viele seiner Werke waren Klassiker, und seine aktuellen Romane verkauften sich gut. Man muss daher annehmen, dass man ihm eine Summe bot, der er nicht widerstehen konnte: Anderson war ein Profi, der sein Handwerk in der „Pulp“-Ära erlernt hatte, als Autoren nach Wortzahl entlohnt wurden.
Conan, der Messias?
Leider wird die Erwartung, dank Anderson eine Conan-Geschichte jenseits der üblichen Fantasy-Routinen zu lesen, nur bedingt erfüllt. Der Altmeister lässt Innovationen vermissen, was womöglich verlagsseitig vorgeschrieben war, und folgt einem Plot, der sich immerhin flott am roten Faden einer Verfolgungsjagd orientiert, nachdem (und obwohl) der Einstieg eher Stirnrunzeln erzeugte: Schlangengott Set rangelt wieder einmal mit Mitra, dem Sonnengott (und verschwindet dann sang- und klanglos aus dem Geschehen). Dazu läuft im Hintergrund eine Erlöserstory ab, die Howard vermutlich im Grab rotieren lässt: Er hat religiöse Untertöne sehr bewusst aus seiner Conan-Welt ausgeklammert bzw. eher negativ einfließen lassen. Crom, der Gott der Cimmerer, ist das Paradebeispiel für einen Howardschen Weltenlenker: Er interessiert sich nicht für ‚seine‘ Kinder und verlangt keine Ehrerbietung, während sich die anderen Götter mehrheitlich sehr menschlich benehmen, schnell beleidigt sind und Unterwerfung notfalls gewaltsam einfordern.
Ganz sicher hätte Howard seinen Conan niemals in die Rolle eines Erlösers gedrängt. Sie steht ihm einfach nicht, und auch Profi Anderson kann dies nicht mit Leben füllen. Conan ist seines eigenen Glückes Schmied und kein Messias. Zudem sollten Götter übermächtige, mit dem menschlichen Geist nicht erfassbare Mächte sein. Doch gerade Andersons Set ist ein kleinkarierter Ränkeschmied, der Souveränität höchstens dann an den Tag legt, wenn es darum geht, möglichst untaugliche Erfüllungsgehilfen zu beauftragen, um dann einfach auf Tauchstation zu gehen = Tothapis murksen zu lassen. Es ist peinlich, wie einfach es Conan fällt, diesem ‚Großmagier‘ immer wieder Schnippchen zu schlagen. Tothapis steht die Hexe Nehekba rachsüchtig zur Seite, weil Conan es wagte, ihre amourösen Avancen abzuweisen. Die beiden bilden ein Duo, das beim besten Willen nicht erschrecken kann! (Offen bleibt übrigens die Frage, wieso es ausgerechnet zwischen Conan und Bêlit derartig heftig ‚funkt‘; hier hatte es Howard, der das Paar bereits zu seinen Lebzeiten zusammenbrachte, es seinen Lesern überlassen, diese Liebesgeschichte mit Leben und Tragik zu füllen: Zu viele Informationen können stimmungstötend wirken! Hinzu kommt eine peinliche Nebenhandlung, die Conan als eifersüchtigen Gimpel verunglimpft.)
Punkten kann Anderson, wenn er immer neue Schauplätze plastisch in beschreibende Worte fasst. Er nimmt sich Zeit und lässt hier sein Talent durchscheinen, auch fiktive Welten bildhaft zu gestalten. Üblicherweise beschränken sich die Autoren der „Conan“-Serie auf kurze, stereotype ‚local shots‘: ‚der‘ Urwald, ‚die‘ Gruft, ‚das‘ Piratenschiff ... Anderson geht nicht nur auf die Handlungsorte ein, sondern umreißt deren Status in Conans Welt, hebt ‚historische‘ Details hervor, die der Handlung nützen, und sorgt auch sonst dafür, dass man den langen Irrweg von Conan und seinen Gefährten auf der im Buch abgedruckten Karte nicht nur nachvollzieht, sondern er vor dem geistigen Auge Gestalt annimmt.
Fazit:
Obwohl einer der Altmeister der Science Fiction und Fantasy die Feder führte, entstand nur ein durchschnittlicher Roman, der sich glatt in die Reihe moderner ‚Conan‘-Geschichten einreiht. Immerhin läuft die Story solide und rasant ab, außerdem legt der Verfasser ein Talent für die Beschreibung von Land und Leuten an den Tag: Lesefutter für die Fans der Fantasy à la „sword & sorcery“.
Poul Anderson, Heyne
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