Die Reliktjäger

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 2007
  • 2
Die Reliktjäger
Die Reliktjäger
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S.B. Tenz
55°1001

Phantastik-Couch Rezension vonApr 2007

Abenteuer-Spektakel im All

Charles Sheffields Abenteuer-Science Fiction geht in die zweite Runde. Nach einem eher durchwachsenen Auftakt legt der Bastei-Verlag den zweiten Band der Heritage-Serie ";Die Reliktjäger"; vor, die direkte Fortsetzung von ";Gezeitensturm";. Das Rätsel um die geheimnisvollen ";Baumeister"; und deren bizarren Artefakte wird immer mysteriöser. Charles Sheffields Schreibstil leider auch.

Wir erinnern uns, während des ";Gezeitensturms"; spielten sich auf ";Erdstoß"; dramatische Szenen ab. In letzter Sekunde konnten sich die Archäologin Darya Lang und ihre Gefährten in Sicherheit bringen bzw. den Planeten ";Erdstoß"; mit einem Raumschiff verlassen. Während der ";Gezeitensturm"; seinen Höhepunkt erreichte, öffnet sich ";Erdstoß"; und setzte ein mysteriöses Objekt frei, das sich mit unglaublich hoher Geschwindigkeit in Richtung des Gasriesen Gargantula bewegte. Im Sog des geheimnisvollen Objekts befand sich das Raumschiff ";Alles-haben";, an Bord die beiden Kriminellen Louis Nenda und Atvar H’sial. Von diesem Augenblick an, wusste Darya Lang, will sie mehr über die ";Baumeister"; erfahren, muss sie dem geheimnisvollen Objekt folgen.

Und so geht es weiter…

Etwa eine Woche nach dem ";Gezeitensturm";: Die ";Sommer-Traumschiff"; befindet sich auf dem Weg nach Gargantula. An Bord Professorin Darya Lang, Hans Rebka und die beiden ";Nichtmenschen"; J’merlia der Lo’tfianer und Kallik das Hymenopter-Weibchen. Nach wie vor ist Darya Lang der festen Überzeugung, dass der ";Gezeitensturm"; und die Artefakte der ";Baumeister"; in engem Zusammenhang miteinander stehen. Als die ";Sommer-Traumschiff"; nach mühseliger Reise endlich in die Umlaufbahn von Gargantula einschwenkt, ist die Stimmung an Bord unter den Gefährten zunächst getrübt. Deprimiert muss Darya Lang feststellen, dass sich ihre Vermutungen nicht zu bestätigen scheinen. Die Enttäuschung ist groß. Alles was sie vorfinden, ist ein riesiger Planet mit einer dichten, giftigen Atmosphäre und einem gewaltigen Schwerefeld. Man findet sich schon damit ab, mit leeren Händen in das Dobelle-System zurückzukehren, als die ";Sommer-Traumschiff"; plötzlich ein Signal von der ";Alles-haben"; empfängt. Ein Funkfeuer von Louis Nendas Schiff. Dieses befindet sich scheinbar völlig unbeschädigt auf der Oberfläche eines der zahlreichen Planetoiden. Von Louis Nenda und der Cecropianerin Atvar H’sial jedoch keine Spur. Untersuchungen des Planetoiden ergeben, dass es sich um einen künstlichen Himmelskörper handelt. Darya Lang ist fest davon überzeugt, dass es sich bei dem Planetoiden um ein weiteres Artefakt der ";Baumeister"; handelt. Sie ahnt nicht, was für ein furchtbares Geheimnis auf sie und ihre Gefährten wartet. Sie alle stehen kurz davor, Ereignisse auszulösen, die außerhalb ihrer Vorstellungskraft liegen und nicht mehr zu kontrollieren sind. Eine unvorstellbare und schreckliche Bedrohung lauert im Inneren des Planetoiden, die nur darauf wartet, endlich freigesetzt zu werden.

Nervtötende Protagonisten

Es ist zum Verzweifeln. Immer wieder das gleiche Lied. Charles Sheffield, der geniale Ideengeber, dem es einfach nicht gelingt, seine Inspirationen auch entsprechend umzusetzen. War schon ";Gezeitensturm"; über weite Strecken kaum mehr als ein laues Lüftchen, lässt sich ";Die Reliktjäger"; im direkten Vergleich nur als reine Katastrophe bezeichnen. Die Befürchtung, dass Sheffield mit dem ";Heritage-Zyklus"; nicht mehr als ein triviales Lesevergnügen bzw. eine überflüssige Space-Opera hinterlassen hat, scheint sich mit dem zweiten Teil leider zu bestätigen. Dafür sorgen in erster Linie die Protagonisten, die noch unglaubwürdiger und blutleerer sind, als es in ";Gezeitensturm"; schon der Fall war.

Eine Gruppe naiver Möchtegern-Abenteurer, die von einem Missgeschick ins nächste stolpern und sich dabei wie eine Bande pubertierender Jugendlicher aufführen. Dazu kommen die grottenschlechten und banalen Dialoge, die für jeden Leser eine Zumutung sind und selten Grundschulniveau erreichen. Allen voran Louis Nenda, dessen überholte und weltfremde Macho-Sprüche geschmacklos und einfach nur lachhaft sind. Seine Avancen in Richtung Darya Lang besitzen bestenfalls Schützenfest-Charakter. Dass die Professorin jedoch auf das Süßholzraspeln Nendas hereinfällt und ihre anfängliche Abneigung gegenüber seiner Person sich plötzlich in Zuneigung wendet, ist nicht nur der Höhepunkt aller Unglaubwürdigkeit, sondern zugleich eine Beleidigung an die holde Weiblichkeit im Allgemeinen. Charles Sheffields Frauenbild gerät hier völlig aus den Fugen und scheint aus dem vorletzten Jahrhundert zu stammen. Eine andere Erklärung lässt sich für diese Farce nicht finden. Durch diese Aktion verliert dann auch die Figur der Darya Lang das Wenige an Glaubwürdigkeit, was ihr bis dahin gegeben war.

Dann wäre da noch Julius Graves, der Repräsentant des Zentralrates. Konnte dieser in ";Gezeitensturm"; noch einigermaßen überzeugen, verwandelt der Autor ihn im zweiten Band immer mehr in einen einfältigen, alten Narren, der plötzlich die Realität aus den Augen zu verlieren scheint. Ähnlich wie Darya Lang wird auch er auf wundersame Weise ein Bewunderer Louis Nendas. Dabei würde ein Fünfjähriger erkennen, dass Nenda unter dem fortgeschrittenen Münchhausensyndrom leidet. Bleibt schließlich noch Hans Rebka, der unerschrockene Abenteurer, der während des Gezeitensturms noch durch sein selbstloses und heldenhaftes Auftreten glänzte. Nun ";mutiert"; er plötzlich zu einem Angsthasen, der sich kaum noch aus der Defensive wagt. So bleiben dann das Hymenopter-Weibchen Kallik und der inkorporierte Computer C. I. Tally unterm Strich die aufrichtigsten und glaubwürdigsten Protagonisten. Wobei letzterer eine gelungene Mischung aus CP3O (Star Wars) und Data (Star Trek) darstellt. C. I. Tally sorgt dann auch für die ein oder andere humoristische Einlage. Ein kleiner Lichtblick, der die völlig verkorkste Story jedoch auch nicht mehr retten kann. Einen weiteren Tiefpunkt erreicht der Roman mit dem Erscheinen der Super-Aliens, die einst die ganze Galaxie in Angst und Schrecken versetzt haben. Dieser tentakelschwingende ";Teenage Mutant Ninja Turtles-Verschnitt"; legt ein Verhalten an den Tag, das sich nur mit ";Dumm wie Stroh"; bezeichnen lässt.

Reise zum Mittelpunkt der Klischees

Konnte der Autor in ";Gezeitensturm"; noch durch die Darstellung der dramatischen Ereignisse auf ";Erdstoß"; glänzen und zumindest im letzten Drittel des Romans den Spannungsbogen ansteigen lassen, gelingt ihm in vorliegenden Band nicht einmal mehr dies. Das ganze Szenario erinnert stark an die Science Fiction längst vergangener Jahre. Simple Helden und dumme Aliens. Da fehlen nur noch Figuren wie Flash Gordon oder Buck Rogers. Spätestens dann, wenn sich alle Protagonisten auf dem mysteriösen Planetoiden eingefunden haben, kann man sich des Gefühls nicht erwehren, einen Jugend-Abenteuer-Roman statt einer Science Fiction Story zu lesen. Während sich die illustre Gesellschaft der größten Langweiler des Universums immer tiefer in das Innere des Planetoiden vorarbeitet und sich mehr oder weniger ziellos durch das verworrene Tunnel-Höhlensystem schlängelt, denkt man irgendwie an Jules Vernes ";Reise zum Mittelpunkt der Erde";. Beide Romane in einem Atemzug zu nennen ist schon fast ein Sakrileg und Jules Verne-Fans mögen mir an dieser Stelle verzeihen. Gegen Ende des Romans geschieht dann das Unglaubliche. Es kommt tatsächlich so etwas wie Spannung auf und die Auseinandersetzung unserer ";Helden"; mit den übermächtigen Dumpfbacken-Aliens mündet in ein wahres Actionspektakel. Leider handelt es sich dabei nur um ein kurzes Strohfeuer, auf das ein unerträglich klischeebeladenes Finale folgt, das jeder Beschreibung spottet. Enttäuscht verharrt man einen Augenblick, bevor man mit einem Kopfschütteln den Roman im hintersten Winkel des Bücheregales verschwinden lässt. Gott sei Dank, das wäre erledigt. Prädikat: Besonders Katastrophal!

Fazit

Machen wir es kurz: Der Roman ist ein Beispiel für schlechte Science Fiction. Er reduziert die ";Space Opera"; auf triviales Machwerk und gießt Öl ins Feuer all derer, die diesem Genre keinerlei Anspruch zugestehen. Als mittelmäßiger Jugend-Abenteuer-Roman ohne besonderen Anspruch geht ";Die Reliktjäger"; gerade noch so durch. Das war es dann aber auch schon. Die wenigen Spannungsmomente lassen sich an einer Hand abzählen. Überraschungsmomente hingegen gibt es kaum; die Handlung bleibt über weite Strecken vorhersehbar. Trotz dieser maßlosen Enttäuschung sollte man die Hoffnung noch nicht ganz aufgeben. Treue Leser Charles Sheffields sind Enttäuschungen gewohnt, sie wissen aber auch, dass Charles Sheffield immer schon für eine Überraschung gut sein konnte. Im Positiven wie auch Negativen. Warten wir es ab. Eine Antwort darauf kann nur der komplette Zyklus bieten.

Die Reliktjäger

Charles Sheffield, Bastei-Lübbe

Die Reliktjäger

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