Der dunkle Stern
- Heyne
- Erschienen: Januar 2007
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Skurrile Figuren in einer merkwürdigen Story
Ein interstellarer Krieg, vogelähnliche Aliens, bizarre Gruselkäfer, ein geheimnisvolles Schwert, Mythologie und reichlich Fantasy. Eine gewagte Komposition innerhalb des Science Fiction Genres. Walter H. Hunt bleibt auch in seiner Fortsetzung von "Die dunkle Schwinge" und "Der dunkle Pfad" dieser ungewöhnlichen Mischung treu. Seine Phantasie scheint keine Grenzen zu kennen, was so manchen Leser auch mal überfordern kann. Mit ";Der Dunkle Stern"; liegt nun der dritte Band dieses außergewöhnlichen Science Fiction-Abenteuers vor.
Jahrzehnte dauerten die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Menschen und den vogelähnlichen Zor an. Ein blutiger Krieg zwischen dem ";Hohen Nest"; der Zor und dem Imperialen Sol-Imperium. Nun sind beide Rassen Verbündete, schmieden eine Allianz gegen einen gemeinsamen Feind, der sich auf einem gnadenlosen Eroberungsfeldzug durch die gesamte Galaxie befindet. Die Menschen nennen diesen mächtigen Gegner ";Die Vuhl";, für die Zor sind es die ";esGa’uyal";. Ein insektenartiges Volk, das über unheimliche Fähigkeiten verfügt. Die ";Vuhl"; sind in der Lage, jede beliebige Gestalt anzunehmen und in das Bewusstsein ihrer Gegner einzudringen, um diese zu kontrollieren bzw. zu manipulieren. Auf diese Weise säen sie Misstrauen und Zwietracht unter ihren Gegner, so dass diese bald nicht mehr zwischen Freund und Feind unterscheiden können. Jeder Widerstand gegen die ";Vuhl"; scheint zwecklos. Alle konventionellen Verteidigungs- oder Angriffsstrategien der Menschen bleiben wirkungslos. Die Zor allerdings haben schon vor langer Zeit erkannt, dass man diesem Gegner auf mentaler Ebene gegenübertreten muss. Die Legenden der Zor berichten von einem Schwert, dem ";gyaryu";, das vor vielen tausend Jahren dazu benutzt wurde, das Volk der Zor unter der Führung des ersten ";Hohen Lords"; zu einen. Nun soll dieses Schwert im Kampf gegen die ";Vuhl"; eine entscheidende Rolle spielen. Der Legende nach wartet das geheimnisvolle Schwert in der ";Feste der Schmach"; auf einen Auserwählten, der es an sich nehmen muss, um es im Kampf gegen den übermächtigen Gegner zu führen.
Dass ausgerechnet ein Mensch für diese Aufgabe bestimmt wird, stößt bei Menschen und großen Teilen der Zor gleichermaßen auf Unverständnis und Misstrauen. Jackie Laperiere, vor wenigen Monaten noch Befehlshaberin einer Basis am Rande des ";Sol-Imperiums"; ohne Ambitionen auf Heldentaten, steckt plötzlich mittendrin in der Legende eines fremden Volkes. Sie wird zur Auserwählten, zur neuen ";Gyaryu’har";, Trägerin der ";Reichskralle";, und zugleich offizielle Repräsentantin des ";Hohen Nests";. Tatsächlich gelingt es daraufhin der Allianz, dem Gegner einige empfindliche Niederlagen beizubringen. Die Euphorie auf Seiten der Allianz ist groß, doch diese währt nicht sehr lange. Es stellt sich heraus, dass auch die ";Vuhl"; nur als Mittel zum Zweck von einem noch weitaus gefährlicheren Gegner benutzt werden. Ein Gegner, der das Geschehen schon vor über einem Jahrhundert manipuliert hat und sich auch für den Jahrzehnte langen Konflikt zwischen den Menschen und den Zor verantwortlich zeigt. Der eigentliche Krieg steht der Allianz somit erst noch bevor.
Ermüdender Auftakt
Es gibt Autoren, die machen es ihren Lesern wirklich nicht leicht. Bei dem Versuch sich selbst zu übertreffen, schießen sie immer mal wieder über das Ziel hinaus und gestalten die Dinge unnötig kompliziert. Einen Zugang zum Roman zu finden, erweist sich für den Leser dann als überaus schwierig. Walter H. Hunt geht da bei vorliegendem Roman leider mit schlechtem Beispiel voran. Ungeachtet dessen, ob man mit dem Inhalt der beiden vorherigen Bände, "Die dunkle Schwinge" und "Der dunkle Pfad", vertraut ist, kommt es schon fast einem Martyrium gleich, bis man sich in dem Verwirrspiel von Namen und den vielen unterschiedlichen Handlungssträngen in ";Der Dunkle Stern"; zurecht gefunden hat. Das alles kann sehr leicht dazu führen, dass viele Leser schon nach kurzer Zeit völlig entnervt die Flinte ins Korn werfen. Enttäuschung dürfte sich allerdings in erster Linie bei all denen zeigen, die vorherige Bände nicht gelesen haben und sich dann, in Erwartung eines reinen Science-Fiction Romans, plötzlich in einer überwiegend dem Fantasy-Genre zuzuordnenden Handlung wiederfinden. Durchhalten, lautet dann die Parole. Nach gut 230 Seiten ist der erste Teil geschafft und nun sollte man erst einmal tief durchatmen und das Gelesene Revue passieren lassen. Zwischenbilanz: Es kann nur besser werden.
Nun lichtet sich so langsam der Schleicher der Rätselhaftigkeiten und der Leser kann tatsächlich die ersten logischen Zusammenhänge erkennen. Einfach ist das jedoch noch immer nicht, da die Handlung gewissermaßen zwischen zwei Welten angesiedelt ist. Man könnte auch sagen, da gibt es das ";Schlachtfeld des Geistes";, auf dem die ";Zor"; ihre Kämpfe austragen bzw. Jackie Laperiere, und den interstellaren Krieg, den die Menschen in der realen Welt führen. Die Erfolge, die dabei auf der mystischen Ebene erzielt werden, sind auch von entscheidender Bedeutung für die Auseinandersetzungen in der realen Welt. Paradoxerweise ist es aber gerade ein Mensch, der auf dem Schlachtfeld der ";Zor"; die Rolle des Helden bzw. der Heldin übernimmt. Klingt ziemlich kompliziert. Das ist es auch. Leser die hier nicht die nötige Geduld aufbringen, werden von der komplexen Erzählung regelrecht erschlagen. Spannend und äußerst intelligent erzählt ist es aber allemal.
Starke Dialoge - Schwache Protagonisten - Wenig Science Fiction
Walter H. Hunts Schreibstil kann abgesehen von einigen kleinen Schwächen durchaus überzeugen, wobei sein Roman nicht zuletzt von den sehr guten Dialogen lebt. Diese wirken sehr glaubwürdig und lebendig, bilden sozusagen die Essenz des Ganzen. Leider lässt sich das von den (menschlichen) Protagonisten selbst nicht behaupten. Die bleiben relativ farblos und bieten dem Leser kaum eine Identifikationsmöglichkeit. Das mag zum Teil auch daran liegen, dass das Volk der Zor die dominantere Rolle innehat und so die menschlichen Figuren im Hintergrund etwas verblassen. Einzige Ausnahme: die Figur der ";Jackie Laperiere";, ihres Zeichens Trägerin des Schwertes ";Gyaryu"; und Wanderin zwischen den Welten. Sie durchlebt die Legende des Qu’u und wird zur Hoffnungsträgerin der Allianz. Dabei wirkt sie manchmal wie die weibliche Ausgabe von Michael Moorcocks ";Elric von Melnibone";, der mit seinem schwarzen Schwert ";Sturmbringer"; unglaubliche Abenteuer in fremden Welten erlebt.
Parallelen zur Fantasy gibt es aber ohnehin genug. Für meinen Geschmack allerdings leider zu viele. Da ist von einer ";Gefahrvollen Stiege"; und dem ";Durchbrechen der Eiswand"; die Rede, irgendwo in einer Zwischenwelt, in der sich auch die Seelen längst verstorbener Krieger und Helden tummeln. Diese dahingeschiedenen Helden (darunter auch diverse Bösewichte), unterstützen die Lebenden in überwiegend beratender Funktion. Das alles klingt ohne Frage mehr nach Fantasy als nach Science Fiction. Und tatsächlich ist es so, dass man des Öfteren vergisst, dass es sich hier um einen Science Fiction-Roman handelt bzw. handeln sollte. Hier schlägt der Autor für mein Empfinden eindeutig über die Stränge. Die Science Fiction-Elemente kommen ohne jede Frage zu kurz. Da stimmt einfach die Balance nicht mehr. Auch dem überwiegend mystischen Hintergrund der Erzählung dürften viele Science Fiction-Fans daher sehr skeptisch gegenüberstehen.
Hinzu kommt das gewöhnungsbedürftige Kommunikationsmuster der Zor, deren ohnehin schon befremdende Sprache zusätzlich noch durch eine unterschiedliche Haltung ihrer Flügel ergänzt wird. Wer schon bei den ersten beiden Bänden so seine Probleme mit der Hochsprache der Zor hatte, dem sei an dieser Stelle gesagt, es wird noch viel extremer.
Military Science Fiction?
Den vorliegenden Roman als Military-Science Fiction zu bezeichnen, wie sie angeblich besser nicht sein könnte, kann nur von jemandem stammen, der noch nie einen Roman von Michael McCollum oder John Ringo gelesen hat. Ein paar überdimensionierte Schlachtschiffe, die sich im All einige Scharmützel liefern und ein wenig militärische Terminologie sind noch lange keine Garantie für einen gelungenen Military-Science Fiction-Roman. Hunts ";Dunklem Stern"; fehlt es in dieser Hinsicht an allen Ecken und Kanten. Strategisches Hintergrundwissen oder technische Details über die Raumschiffe und deren Bewaffnung vermittelt der Autor dem Leser bestenfalls am Rande. Die Raumschlacht im letzten Drittel des Romans kommt da nicht nur viel zu spät; sie wirkt auch eher wie ein notwendiges Übel, um dem Ruf eines Military-Science-Fiction Autors einigermaßen gerecht zu werden. Was Military-Science Fiction angeht, so ist für mich nach wie vor Michael McCollums ";Antares-Krieg-Trilogie"; das Maß aller Dinge. Dem gerecht zu werden, davon ist Walter H. Hunt Lichtjahre weit entfernt.
Letztendlich hinterlässt der Roman einen sehr zwiespältigen Eindruck. Irgendwo zwischen genial und hoffnungslos überladen. Am Ende driftet der Autor wieder sehr ins Fantastische und Spirituelle ab und lässt darüber hinaus eine Menge Fragen unbeantwortet. Dabei ist Walter H. Hunt zweifelsohne ein sehr begabter Autor mit reichlich Potenzial, der allerdings noch zu oft über das Ziel hinausschießt und ein wenig zu dick aufträgt. Seine Aliens zum Beispiel wirken einerseits beklemmend und unheimlich, andererseits wieder grotesk und unfreiwillig komisch. Vielleicht sollte er sich in Zukunft für ein Genre entscheiden, Fantasy oder Science Fiction, wobei ich persönlich glaube, dass er in der Fantasy besser aufgehoben wäre.
Fazit
Obwohl ich dem Fantasy-Genre bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht sehr viel abgewinnen kann, konnte mich ";Der Dunkle Stern"; irgendwie beeindrucken, allerdings nur unter dem Fantasy-Aspekt betrachtet. Als Science Fiction-Erzählung kann der Roman jedoch kaum überzeugen. Besäße ich Flügel, so würden diese die Haltung der Bedauernden Enttäuschung annehmen, um es mal mit den ";Worten"; der Zor zum Ausdruck zu bringen.
Schade eigentlich, denn die Geschichte um die Vuhl, die als Formwandler jedwede Gestalt annehmen können, um auf diese Weise ihre Feinde zu infiltrieren, ist von den Grundlagen her äußerst spannend erzählt. Das erinnert ein wenig an die alte TV-Serie ";Invasion von der Wega";, wenn dieser Vergleich gestattet ist. Das man nie genau weiß, ob derjenige, der einem gegenübersteht, auch derjenige ist, für den er sich ausgibt, verleiht dem ganzen zusätzlich einen unheimlichen Aspekt. Wer nicht mit den falschen Erwartungen an den Roman herangeht, der kann durchaus an dieser etwas merkwürdigen Mischung aus Science Fiction und Fantasy seine Freude haben. Pure Science Fiction-Fans sollten jedoch lieber die Finger davon lassen.
Walter H. Hunt, Heyne
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