Der Aufstieg Karthagos
- Bastei-Lübbe
- Erschienen: Januar 2003
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Karthago sehen und sterben?
Ash ist eine Frau, die in einem mehr als rauen Handwerk ihren Mann steht. Sie ist Söldnerin in einem mittelalterlichen Europa, wie es in keinem Geschichtsbuch verzeichnet ist. Burgund ist eine Weltmacht, Karthago schickt sich an, mit steinernen Golems und Zauberei, die die Sonne erlöschen lässt, die Vormachtstellung auf Kontinental-Europa zu erobern. Ash ist Anführerin eines ganzen Haufens sehr erfolgreicher Söldner im Dienste Burgunds. Doch Ash ist auch ein Findelkind, das in Karthago gezeugt wurde.
Der zweite Teil der Legende um Ash führt unsere Protagonistin als Gefangene nach Karthago. Nicht länger im Kreise ihrer Verbündeten und Untergebenen wird sie missbraucht und versklavt. Sie findet sich in den Sklavenquartieren des Hauses wieder, in dem sie, wie viele andere Leidensgenossen, vor Jahren von dem westgotischen Emir förmlich herangezüchtet wurde. Neben seiner Obsession, Ratten zu züchten, verfolgt die Familie des Emirs seit Generationen die genetische Zucht eines Menschen, der geistige Verbindung zu der taktischen Maschine aufnehmen kann. Ash wurde als Baby getestet und als Fehlschlag aussortiert. Sie sollte, wie alle Neugeborenen, die keinen Kontakt zum Steingolem herstellen konnten, getötet werden. Doch sie überlebte, und nun ist sie zurück im Hause Leofric. Und inzwischen kann sie die Verbindung zum taktischen Computer herstellen. Ash droht von ihrem Erzeuger bei lebendigen Leib aufgeschnitten und untersucht zu werden - schliesslich will er wissen, wie sie den erwünschten Kontakt aufnehmen kann.
Auch hier in Nordafrika fehlt die wärmende Kraft der Sonne. Die Dunkelheit und Kälte beherrscht das Land. Langsam offenbart sich, dass hinter dem steinernen Golem ein anderer Feind hinter dem Feind steht. Als es Ash gelingt, mit diesem zunächst unbekannten Feinden geistigen Kontakt aufzunehmen, erschüttert ein Erdbeben die Region, und ein Trupp wagemutiger Gefährten macht sich an die Befreiung der Söldnerin.
Historische Tatsachen aufs Vortrefflichste mit Fiktion gemischt
Der zweite von insgesamt vier Bänden mit Abenteuern der Söldnerin Ash - mehr ein umfangreicher Einzelroman als eine Tetralogie - bietet uns wieder ein faszinierenden Blick auf eine Welt, wie sie den historischen Tatsachen eigentlich widerspricht. Wir haben künstliche Steinmenschen, ein karthagisches Reich, das so laut unserer Geschichtsschreibung nicht existiert hat, und ein Burgund, das die Krone der westlichen Welt darstellt. Keine dieser Tatsachen stimmt mit der Geschichtsschreibung, wie sie unsere Historiker uns vermitteln, überein. Handelt es sich bei den Ash Manuskripten um ein reines Phantasieprodukt oder eine Parallelwelt?
Anders als zum Beispiel Crichton in »Timeline« beschreibt Gentle zwar auch ein ungeschöntes, brutales Mittelalter, nutzt für ihren direkten Blick auf eine aggressive Welt jedoch eine Protagonistin, die in dieser uns so fremden Zeit beheimatet ist. Dreckig und vulgär kommt uns diese Welt und deren Bewohner daher. Das trägt aber dazu bei, dass wir Ash als sehr realistische, überzeugende Protagonistin empfinden. Mit ihr empfinden wir ihren Schock, als sie gefangengenommen und versklavt wird und wir leiden mit ihr, als in Gefangenschaft eine Fehlgeburt das keimende Leben in ihrem Bauch tötet. Wir verstehen ihre Zweifel und jubeln mit ihr, als es ihr gelingt sich zu befreien. Diese Beschreibungen, das Schlachtengetümmel und die handgreiflichen Auseinandersetzungen, sie bilden das Rückrat dieses Romans. Hier schafft es die Autorin, ihre Leser den Pulverdampf und die Schreie der Verwundeten und Sterbenden förmlich miterleben zu lassen.
Überzeugende Fakten, aber wenig Action
Leider aber hat dieser zweite Band nicht nur solche Szenen. Über weite Strecken passiert wenig, fast zu wenig für das Tempo, das die Autorin zu Beginn Ihrer Saga vorgelegt hat. Sicherlich muss sie uns die Hintergründe der Herkunft Ashs erläutern, will uns die diffizilen gesellschaftlichen Strukturen der Westgoten aufzeigen. Dies aber geschieht ein wenig zu Lasten der Action. In der Mitte des Buches hängt der Spannungsbogen daher doch sehr durch. Es passiert zu wenig, doch zum Schluss hin überstürzen sich die Ereignisse wieder. Hier hätte dem Roman eine Straffung gut getan. Nichtsdestotrotz schaffte auch dieses Buch es wieder, mich mit seiner phantastischen und/oder realistischen Handlung gefangen zu nehmen, und ich bin gespannt, was uns in den beiden restlichen Bänden noch erwarten wird.
Mary Gentle, Bastei-Lübbe
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