Das Böse unterhält besser
Das menschliche Verlangen nach Monstern ist unstillbar. Gerade in unserer durchrationalisierten Gegenwart wächst der literarische Bedarf an Ungetümen, die vielleicht erklären können, wie das Böse immer wieder in die Welt kommt. Aber auch wenn sie es nicht tun, sondern in unseren Augen einfach nur Monster sind, die sich benehmen, wie es Monster eben tun, brauchen wir sie: Damit sie uns unterhalten. Und einen besonders gruseligen Auftritt hat der Crota in Owl Goingbacks gleichnamigem Roman.
Der Crota ist wie eine Kreatur aus dem Lovecraft-Universum, er existiert seit Urzeiten. Ihm sind die Menschen egal, er will nur fressen. Doch seit eine globale Katastrophe ihn seiner Lieblingsnahrung, der Dinosaurier, beraubt hat, schläft er im Fels unter der Prärie South Dakotas eingeschlossen und wartet auf seine Befreiung, um sich mal wieder so richtig satt zu fressen. Doch davon ahnen die Menschen, allen voran Sheriff Skip Hastings, nichts. Und selbst wenn man es ihnen erzählen würde, so wäre es für sie lediglich eine schön-schaurige Geschichte aus dem reichen Fundus der indianischen Mythologie.
Auch Buddy würde belustigt den Kopf darüber schütteln, doch im Moment hat er nur sein Date im Kopf und ärgert sich deshalb schwarz, als seine Harley Davidson mangels Treibstoff mitten auf der Landstraße absäuft. Er lässt sie im Graben liegen und marschiert notgedrungen zu Fuß weiter, bis er merkt, dass ihn etwas verfolgt, was größenmäßig ein Bär sein könnte. Buddy rennt um sein Leben, versteckt sich auf einem Friedhof - und haucht dort mit blankem Entsetzen im Blick sein Leben aus. Die später eintreffenden Polizisten sichern den Tatort und glauben, dass nur ein Bär den Jungen so zugerichtet haben kann. Sheriff Harding allerdings glaubt, eine Erscheinung zu haben, als ihm Waldrand ein riesenhaftes Viech mit halbmeterlangen Klauen an die Gurgel will. Doch es lässt von ihm ab und verschwindet im Gehölz. Natürlich kann Harding die Geschichte nicht weitererzählen, er wäre seinen Job sofort los, wenn er Monstergeschichten zur Grundlage seiner Ermittlungsarbeit zu machen.
Als die bestialischen Morde weitergehen, recherchiert Harding auch im Indianerreservat, um bei einem alten Schamanen etwas über das Ding aus dem Untergrund herauszufinden. Doch bevor er wirklich versteht, worum es geht, muss er seine eigenen indianischen Wurzeln freilegen und sich einem klassischen Initiationsritual unterziehen. Nur so kann er die schwache Stelle des Crota entdecken und ihn zur Strecke bringen.
Alte Mythen und schauerlicher Horror
Lovecraft trifft Minotaurus trifft Schamanismus: Aus diesen mythisch-unheimlichen Ingredienzen mischt der Choctaw-Cherokee Owl Goingback seinen vorwärtsdrängenden Horror. Lovecraft, weil der Crota eine Art "Großer Alter" ist, nahezu unverwundbar und dem Schicksal der Menschheit gegenüber völlig gleichgültig; Minotaurus, weil er wie das kretische Monster seine Feinde in einem unterirdischen Labyrinth nachstellt und sie zur Strecke bringt; Schamanismus, weil das Urböse nicht mit rationalen Mitteln zu besiegen ist.
Goingback startet gleich zu Beginn des Buches durch und treibt die Handlung flott voran, seine Sprache ist lebendig, klar und direkt. Der Crota ist ein wirklich fieses Ungetüm, aber zwischendurch stiehlt ihm der alte indianische Schamane, der Sheriff Harding unnachgiebig, aber augenzwinkernd auf sich selbst zurückwirft, durchaus die Schau. Die Synthese aus alten Mythen und schauerlichem Horror mag nichts neues Sein, doch Owl Goingbacks mit dem Bram Stoker Award ausgezeichneter Roman verbindet beides auf ausgesprochen unterhaltsame Weise.
Owl Goingback, Otherworld
Deine Meinung zu »Crota«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!