Wasser für den Mars
- Goldmann
- Erschienen: Januar 1983
- 2
Frische Blicke auf scheinbar unlösbare Probleme
Drei klassische Science-Fiction-Storys und eine Novelle von einem Alt- und Großmeister des Genres:
- Wasser für den Mars (The Martian Way; 1952), S. 5-55: Die Erde verweigert der Marskolonie das dringend benötigte Wasser, doch die Pioniere knicken nicht ein, beharren auf ihrer Unabhängigkeit und starten ein riskantes Unternehmen, um für sich und ihre ausgetrocknete Heimat Eis aus dem Ring des Saturns zu besorgen.
- Keine Angst vor kleinen Tieren (Youth; 1952), S. 55-87: Schon die Notlandung verlief gerade noch glimpflich, aber dann wurden die beiden überlebenden Raumfahrer von zwei Kindern ‚gerettet‘, die ihren interessanten Fang in einem Käfig möglichst abseits spielverderbender Erwachsener verborgen halten.
- In der Tiefe (The Deep; 1952), S. 87-109: Vor Äonen gruben sie sich auf der Flucht vor der Kälte immer tiefer in der Erde ein. Nun wollen sie zurückkehren - und müssen feststellen, dass die Oberfläche des ausersehenen Planeten bewohnbar, aber bereits von den sogenannten „Menschen“ besiedelt ist.
- Im Licht der Doppelsonne (Sucker Bait; 1954), S. 109-178: Die Expedition ins ferne Lagrange-Doppelsonnensystem soll klären, wieso die einst dort gegründete Kolonie der Erdmenschen zugrunde gegangen ist. Intern sorgt die Klärung dieser Frage für Ratlosigkeit und Streit, bis es beinahe zu spät ist und die Falle zum zweiten Mal zuzuschnappen droht.
Probleme lassen sich lösen
Nach dem Zweiten Weltkrieg und bevor der „Kalte Krieg“ heiß zu werden drohte, erlebten die USA eine Phase, in der es praktisch unaufhörlich aufwärts ging, was sich in der Evolution praktisch jährlich an Größe zunehmender, glitzernder Automobile = „Straßenkreuzer“ widerspiegelte. Zum Greifen nahe schien eine Zukunft, in der die Vereinigten Staaten auch außerhalb der Erde den Ton angeben würden. Die Technik schritt verheißungsvoll voran und beflügelte eine Generation von Autoren, die eine großartige Zukunft in spannende Geschichten gossen.
Isaac Asimov (1920-1992) war jemand, der an den Siegeszug der Naturwissenschaften glaubte, aber anders als viele SF-Kollegen die gesellschaftlichen Aspekte der Entwicklung nicht ignorierte. Was er in dieser Hinsicht postulierte, mag uns heute oft naiv oder gar falsch vorkommen. Dennoch hat Asimov mehr als bunte Visionen hinterlassen, die den Menschen bzw. dessen Schwächen nur als weitere Schwelle betrachteten, die man dank der Errungenschaften einer grandiosen Zukunft überwinden würde.
„Wasser für den Mars“ ist oberflächlich eine Hymne auf den Geist des Menschen, der in der Krise geistig und körperlich zur Hochform aufläuft. Die Expedition zum Saturn folgt dem zeitgenössischen astronomischen Wissen und weist deshalb Fehler auf; so sind die Eisbrocken im Saturnring höchstens metergroß; gigantische Eisberge lassen sich dort nicht finden. Allerdings bestimmt nicht der „harte“ SF-Apekt die Story.
Die Toleranz als wertvollstes Gut der Zukunft
„Wasser für den Mars“ besitzt wie alle hier versammelten Storys eine zweite Ebene. Asimov schrieb unter dem Einfluss jenes Terrors, den der US-Senator Joseph McCarthy orchestrierte. Er verfolgte angebliche ‚Kommunisten‘, die angeblich unter der Maske biederer Bürger, aber auch prominenter Schauspieler, Schriftsteller etc. eine Unterwanderung der Vereinigten Staaten durch die Sowjetunion vorbereiteten - ein Lügengespinst, das McCarthy in einer von der Angst vor der „roten Gefahr“ geprägten Atmosphäre Einfluss und Macht garantierte.
Asimov lässt eine vom McCarthy-Ungeist geprägte Erd-Regierung eine Mars-Kolonie unter Druck setzen, in der die wahren US-amerikanischen, vom Pioniergeist des 18. und 19. Jahrhunderts bestimmten Werte überlebt haben. Mut und Einfallsreichtum versetzen der scheinbaren Übermacht einen Schlag, von dem sie sich nicht erholen wird: der provokante Wunschtraum eines Verfassers, der beinahe enttäuscht war, anders als viele andere Kulturschaffende seiner Ära nicht für einen der McCarthy-typischen öffentlichen Schauprozesse vorgeladen zu werden.
„Im Licht der Doppelsonne“ variiert das Toleranz-Thema und verlegt es dorthin, wo eigentlich das Streben nach Wissen im Vordergrund stehen sollte. Asimov war selbst Wissenschaftler und kannte die Realität: Tatsächlich sind Forscher auch nur Menschen. Konkurrenzkämpfe, Missgunst oder die Neigung, auf der Suche nach den Fakten allmählich zu erstarren, ein verkrustetes Spezialistentum zu favorisieren und die Erkenntnisse anderer Wissenszweige zu ignorieren, sind auch an Universitäten oder Forschungszentren bekannte Probleme. Die Expedition zum fernen Lagrange-System weiß Asimov fesselnd in Szene zu setzen. Dorthin bringen die Forscher das zentrale Problem selbst mit; eine überraschende Auflösung, die plausibel auf der Vorgeschichte basiert. (Asimov integrierte „Im Licht der Doppelsonne“ in seinen monumentalen „Foundation Zyklus“, einer galaktischen Menschheitshistorie, an der er bis zu seinem Tod arbeitete.)
Es kommt auf den Standpunkt an
„Keine Angst vor kleinen Tieren“ und „In der Tiefe“ bieten denjenigen Lesern, die in der Science Fiction primär den „sense of wonder“ suchen, ausgezeichnete Unterhaltung. Die naturwissenschaftlich-technische Seite der Handlung bedient Asimov aber vor allem in der zweiten Story, in der er die unterirdische Welt der Außer- bzw. Unterirdischen und ihren allmählichen Untergang eindringlich beschreibt. Dass die „Rasse“ sich telepathisch verständigt, trägt nicht nur jenen Teil der Geschichte, die auf der Erde (der 1950er Jahre) spielt, sondern auch die zweite Handlungsebene: „In der Tiefe“ kennt man angeblich keine Emotionen, doch das ist ein Trugschluss und sorgt für den tragischen Unterton des Finales.
„Keine Angst vor kleinen Tieren“ spielt mit der Prämisse, dass der Zufall auch zukünftig über der Perfektion stehen wird. Die Ankunft der Fremden von einem anderen Planeten wird auf einem Planeten erwartet, deren Bewohner ihren ‚Biss‘ verloren haben. Asimov beschreibt eine Gesellschaft, in der die Erfahrungen einer von Atomkriegen verheerten Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass Fortschritt als gefährlicher Luxus gilt. Ohne Neugier gibt es jedoch keinen Fortschritt und nicht einmal Bestand, sondern nur Stagnation und Untergang. Wie zu allen Zeiten sorgt die Jugend für frischen Wind, auch wenn dies auf lebensgefährlichen Umwegen erfolgt. Dass die Neuankömmlinge ihren ‚Gastgebern‘ den rauen ‚Empfang‘ nicht übelnehmen, liegt an sorgfältig verborgenen Zielen - Asimovs ironischer Hinweis darauf, dass Eigennutz ein galaxisweiter Wesenszug ist und sein wird. Er krönt dies durch einen Knalleffekt, der die ‚Gewissheit‘, wer in dieser Geschichte ‚Erdling‘ und wer ‚Außerirdischer‘ ist, ins Kippen bringt.
Asimov veröffentlichte diese vier Geschichten erstmals in den Magazinen „Astounding“, „Galaxy“ und „Space Science Fiction“. 1955 wurden sie in dem vorliegenden Band gesammelt, der auch in Deutschland ungekürzt erschien. Die Leser erkannten die Qualität der Storys. Normalerweise waren solche Sammlungen keine Verkaufsschlager, doch „Wasser für den Mars“ stellte eine Ausnahme dar und wurde zum Vorläufer unzähliger Bände, in denen Asimovs Kurzgeschichten vermarktet wurden.
Fazit:
Vier alte und in den naturwissenschaftlichen Aspekten teilweise überholte SF- Erzählungen, die jedoch auch den ‚menschlichen‘ Faktor der Zukunft berücksichtigen. Obwohl (oder gerade weil) hier das Alter spürbar wird, sorgt die Tatsache, dass auch in einer Welt zukünftiger Wunder der gar nicht glänzende Alltag fortbesteht, für zeitlosen (Unterhaltungs-) Wert: SF-Klassik in Reinkultur.
Isaac Asimov, Goldmann
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