Kreuzzug des Bösen

  • Bastei-Lübbe
  • Erschienen: Januar 1979
  • 0
Kreuzzug des Bösen
Kreuzzug des Bösen
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Michael Drewniok
95°1001

Phantastik-Couch Rezension vonMär 2007

Barbarischer Thronräuber gegen besessenen Propheten

In Ingoldi, der alten Hafen- und Handelsstadt des Reiches Shapeli, will Räuberhauptmann Orted den Markt der Zünfte überfallen. Die Attacke wird verraten, und Orted muss flüchten. Er versteckt sich im Turm von Yslsl in der uralten Festung Ceddi. Dort fällt er den Priestern des Sataki in die Hände. Dieser bösartige Gott ist beinahe vergessen aber hinter jener Schranke, die ihn in seiner fremden Dimension festhält, weiterhin quicklebendig. Nun nutzt er seine Chance und fährt mit einem Teil seines Wesens in Orteds Körper. Dieser wird zu seinem Instrument, nennt sich Orted Ak-Ceddi und ruft als Prophet für Sataki den "Schwarzen Kreuzzug" aus. Ingoldi wird zum Zentrum eines neuen Reiches, das nach Orteds Willen die gesamte Welt umspannen soll.

Im Nachbarreich Sandotneri ist man mit eigenen Intrigen beschäftigt. König Owrinos liegt im Sterben, und die "Blauen" ringen mit den "Roten" um die Macht. Jarvo, Anführer der "Blauen", liegt im Streit mit General Kane, einem Barbaren aus dem Ausland, der sich dank seiner Intelligenz und Rücksichtslosigkeit anschickt, die "Roten" zum Sieg zu führen. Doch der Staatsstreich misslingt. Kane muss flüchten, während Jarvo plötzlich der gewaltigen Streitmacht des "Propheten" Orted gegenübersteht. Er kann sie besiegen und freit nun offen um die schöne Prinzessin Esketra.

Inzwischen dient sich Kane dem Propheten als Feldherr an. Der besessene Orted erkennt das Potenzial des Barbaren und stimmt zu. In den nächsten Monaten stellt der erfahrene Kane eine Armee auf, die ihren Namen verdient, und führt sie gegen Sandotneri. Jarvo wird überlistet, sein Heer aufgerieben. Er selbst kann schwer verletzt entkommen. Kane setzt sein doppeltes Spiel fort: Er will den Propheten als Werkzeug missbrauchen, ein eigenes Reich gründen und Orted schließlich aus dem Weg räumen. Allerdings hält er den Propheten für einen Betrüger und unterliegt damit einer Täuschung, die sich bitter rächen wird ...

Die Macht und ihr Preis

Zwar verläuft Geschichte keineswegs zyklisch, obwohl die Annahme naheliegt: Der Mensch scheint Fehler stets neu zu begehen, weshalb noch jedes mächtige und scheinbar für die Ewigkeit geschaffene Reich irgendwann untergegangen ist. Solche Betrachtungen stellen in der Regel Historiker an, lange nachdem dies geschehen ist. Mit Kane, dem unsterblichen Brudermörder, schuf Karl Edward Wagner eine Figur, die es aus eigener, bitterer Erfahrung weiß.

Kein Wunder, dass Kane unter depressiven Anwandlungen leidet. Längst hat er begriffen, dass nicht die Unsterblichkeit die eigentliche Strafe ist, die ihm einst von einem der "älteren Götter" auflegt wurde: Viel schlimmer ist die Erfahrung der Nutzlosigkeit. Immer wieder hat Kane versucht, auf der Basis seines immensen, über lange Zeiträume angesammelten Wissens die Welt, in der er leben muss, voranzubringen, damit sie mit ihm Schritt halten und ihm als Basis für dem Fortschritt dienen kann. Stattdessen zerrann Kane stets, was er aufgebaut hatte, und am Ende stand er mit leeren Händen da. Da Kane der Selbstmord nicht möglich ist, muss er es von Neuen versuchen. Er ändert die Bedingungen, versucht zu eliminieren, was seine Pläne zuvor zu Fall brachte, und bemüht sich auf diese Weise dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Doch immer lacht am Ende der "ältere Gott" als letzter.

Dieses Mal geht Kane seine Sache in ganz großem Stil an. Er klinkt sich in einen Kreuzzug ein, der nichts Geringeres als die Eroberung eines ganzen Kontinents und dann der gesamten Welt als Ziel hat. Es ist typisch für ihn, dass er den religiösen Aspekt ignoriert: Einschlägige Erfahrungen haben Kane zum Zyniker gemacht. Er glaubt dem "Propheten" Orted keinen Moment dessen fanatische Hingabe an den Gott Sataki, zumal er über die Natur der "Götter" Näheres weiß: Kane hat den Kosmos als Multiversum kennengelernt, in dem die Dimensionen einander überlappen, ohne miteinander verbunden zu sein.

Spielball der Welten

Wagner stützt sich hier auf ein Konzept, das vor allem H. P. Lovecraft (1890-1937) im Rahmen seines "Cthulhu"-Mythos' bekanntgemacht hat. Die "Götter" sind demnach Entitäten aus einer Vorzeit ohne Menschen. Sie leben nicht nur auf, sondern auch zwischen den Planeten sowie in verschiedenen Dimensionen und Zeiten. Die Menschenwelt bleibt normalerweise von diesen fremden Sphären getrennt, doch es gibt natürliche und künstliche Portale, die ein Eindringen ermöglichen. Sollte dies gelingen, sind die Folgen katastrophal, da die ‚Götter' den Menschen bestenfalls gleichgültig gegenüberstehen. Öfter wollen sie ihre Opfer allerdings unterwerfen und ausrotten.

Während Lovecraft sich absichtlich vage über die Natur seiner kosmischen Gruselgestalten äußerte, lässt Wagner Kane quasi ein Referat über den Aufbau des Multiversums halten. Anders als Conan, den Robert E. Howard (1906-1936) erschuf und der sicherlich die prominenteste Vorlage für Kane ist, ist letzterer kein erklärter Feind der Magie, die laut Wagner ohnehin primär eine Umschreibung der Unkenntnis ist, die das Auftreten faktisch nur bedingt "übernatürlicher" Kreaturen begleitet. Sataki, Yslsl oder der Salamander sind keine Götter, sondern Elementarwesen, die über Niedertracht und andere niedere Gefühle keineswegs erhaben sind.

Die Unmittelbarkeit der "anderen" Sphären führt zu einer unerwarteten Auflösung der Story. Es kommt nicht zum üblichen Duell zwischen Kane und dem bösen Propheten. Stattdessen steht der Barbar gleich zwei "Göttern" gegenüber. Vor allem die Begegnung mit Yslsl führt zu einer bizarren Odyssee zwischen Albtraum und Realität. Dieses Finale versöhnt mit dem Bruch, den Wagner riskiert, indem er die bisher dominante Handlung abrupt beendet, diverse Fäden lose ausfasern lässt und Kane in eine völlig neue Umgebung transportiert.

Der Mensch ist Mensch (und also schlecht)

Über viele Seiten bleibt der übernatürliche Einfluss marginal. Wagner konzentriert sich auf die alltäglichen Tücken, die sich die Menschen einander antun. Dafür hat er ein Schreibhändchen, denn die von der Kritik oft als infantil geschmähte Fantasy der Marke "Sword & Sorcery" ist spätestens mit Kane erwachsen geworden. Hier gibt es weder Helden noch überdimensionale Schurken. Diese Welt ist nicht schwarz-weiß, sondern schwarz-grau. Niemand ist nur gut oder böse - höchstens Kane, der wieder einmal seine berechnende, skrupel- und moralfreie Intelligenz über die Rechte seiner Mitmenschen stellt, die er als Stimmvieh und Kanonenfutter missbraucht.

Trotzdem ist Kane eine interessante, keineswegs eindimensionale Figur. Zwar wurde er als Barbar geboren und ist weiterhin mit dem entsprechenden Jähzorn geschlagen, doch gleichzeitig verfügt er über eine Intelligenz, die durch die Erfahrung von Äonen geschärft wurde. Kane ist auch deshalb ein Zyniker, weil er die Menschen kennt und ihnen vor allem Eigennutz und Dummheit unterstellt. In seltenen schwachen Momenten ist er sich der Vergeblichkeit seiner Bemühungen bewusst, doch sein robustes Wesen lässt ihn immer wieder einen Neubeginn wagen.

Einmal mehr trifft Kane auf beeindruckend vielschichtige Figuren. Jarvo, der glücklos verliebte, gefallene Feldherr, gehört ebenso zu ihnen wie Orted, Marionette eines Gottes und fähig, selbst den mit allen Wassern gewaschenen Kane über seine wahren Absichten zu täuschen. Esketra, die schöne Prinzessin, die ihr knappes Mäntelchen nach dem Wind hängt, ist eine eher klischeehafte (Frauen-) Figur, während die vom Schicksal immer wieder gebeutelte Erill interessanter als Überlebenskünstlerin und (oft unfreiwillige) Zeugin gewaltiger und gewalttätiger Ereignisse ist.

Gewalt ohne Glorie

Kreuzzug des Bösen fasziniert durch die intensive Beschreibung großer Schlachten, wobei Wagner nie die ursprüngliche Bedeutung dieses Wortes in Vergessenheit geraten lässt: Wenn große Heere kämpfen, sterben Menschen. Die Historie mag diesen Aspekt vernachlässigen, aber Wagner schildert detailreich die Unbarmherzigkeit solcher Gefechte und vergisst auch die Folgen nicht: Beachtlich ist beispielsweise eine Vignette, die Kane auf ein kleines Mädchen treffen lässt, das einen zerschlagenen Menschenkopf mit sich trägt. Es solle sich doch einen weniger beschädigten Schädel als Spielzeug besorgen, rät er freundlich, aber das Mädchen lehnt ab: Es wolle lieber diesen Kopf behalten, denn er gehöre seiner Mutter.

Diese Szene können wir erst in dieser Neuausgabe des Romans lesen. In der 1979 erstmals in Deutschland erschienenen Version wurde sie selbstverständlich unterschlagen: Solche Hintergründigkeit in der Darstellung von Brutalität überforderte nach Ansicht des damals federführenden Verlags das Verständnis jenes dummen Publikums, das zwar Fantasy mochte aber nicht verstört werden wollte. Es gibt weitere Zensuren, die vom ursprünglichen Übersetzer selbst getilgt wurden. Endlich findet der Kreuzzug des Bösen vollständig statt, denn Wagner ist ein Meister scheinbar marginaler Szenen, die ebenso nüchtern wie nachdrücklich beschriebenes Grauen unterstreichen.

Die Neuausgabe ist nicht nur vorzüglich übersetzt, sondern auch schön gestaltet. Als Paperback mit Klappenbroschur trägt sie ein Cover, das ein Triptychon ergeben wird, wenn alle drei Kane-Romane erschienen sind und nebeneinandergelegt werden können. Die Lektüre ist abermals so fesselnd, dass dieser Rezensent noch einmal seiner Hoffnung Ausdruck verleiht, dass sich der Golkonda-Verlag auch der beiden Sammlungen mit Kane-Storys annehmen wird!

Kreuzzug des Bösen

Karl Edward Wagner, Bastei-Lübbe

Kreuzzug des Bösen

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